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MEINUNG
TALIBAD
Sind feministische Badeveranstaltungen ohne Männer ein
Gefallen an die Taliban oder einfach nur zeitgemäß?
Kommentar von Amar Rajković
Ende August verkündete die Influencerin und
Unternehmerin Madeleine Alizadeh alias „Dariadaria“
eine Veranstaltung, die für erheblichen
Wellengang sorgen sollte. Alizadeh informierte ihre
330.000 FollowerInnen über einen Badenachmittag im
Thermalbad Vöslau, der ganz ohne Männer auskommen
muss. „Schönheitsstandards, Körpernormen und Male
Gaze (dt.: männlicher Blick)“ müssen draußen bleiben. Es
gehe darum, weiblichen Personen einen Platz in einem Bad
zu schaffen, der ihnen im Alltag oft verwehrt bleibt. Eine
feministische Forderung, die ja nicht ganz neu ist.
Ganz neu ist die Deutung des Events und der vermeintlichen
Folgen auf unsere Gesellschaft. Zumindest, wenn
man dem Mann aus dem neoliberalen, bürgerlichen Milieu
Glauben schenken möchte. Der Homos Libertas sieht in der
Initiative einen Gefallen und Kniefall gegenüber den Taliban,
die ihre feuchte Freude an der Geschlechter-Apartheid
in Bad Vöslau hätten – so der Tenor. Manche von ihnen
wollen sich gar nicht erst auf eine Diskussion einlassen,
weil Geschlechtertrennung „nicht schmackhaft“ verpackt
werden kann. „Educate your sons, do not protect your
daughters“, twitterten wiederum andere altklug, während
sie vor einer mittelalterlichen Scharia-Gesellschaft warnten.
IN DEN SPIEGEL SCHAUEN
Ja, natürlich kann man auf der Oberfläche bleiben und per
se alles, was mit Geschlechtertrennung zu tun hat, mit den
Taliban vergleichen. Damit ertränkt man jede ernsthafte
Diskussion und spricht vielen – auch nicht muslimischen –
Frauen ihre traumatisierenden Erfahrungen in öffentlichen
Bädern ab. Ich denke, wir – und damit meine ich privilegierte
Männer mit Interesse an einer gleichberechtigten
Gesellschaft – sollten uns erstens in den Spiegel schauen
und zweitens einfach mal zuhören, anstatt wie getrieben
anderen Frauen erklären zu wollen, wie die Welt funktioniert.
rajkovic@dasbiber.at
20 / MIT SCHARF /
Bei beiden Punkten nehme ich mich in die
Kritik ganz explizit mit hinein. Ich muss mir als
40-jähriger Familienvater eingestehen, dass ich in
meiner Studentenzeit, im Rudel mit anderen testosterongesteuerten
Alphamännchen, laut und respektlos um
die Häuser gezogen bin. Eine wildfremde Frau von hinten
antanzen? Kein Problem, sie will ja erobert werden. Sie
sagt dir, du sollst dich verpissen oder sie in Ruhe lassen?
Sehr gut, sie zeigt mir die kalte Schulter, weil sie auf mich
steht. Die Welt von vielen Männern ist einfach gestrickt
und sie steht immer im Mittelpunkt. Ich spreche hier von
zukünftigen Ärzten und Anwälten, vorwiegend autochthoner
Abstammung – weil das Argument des importierten
Frauenhasses immer als Erstes kommt.
WIDERLICHER WEINSTEIN BRINGT WENDE
Spätestens Weinstein, dieser widerliche Filmproduzent
aus den USA, hat mir die Augen geöffnet. Plötzlich erzählt
dir deine Freundin, dass ihr mindestens einmal im Monat
irgendein merkwürdiger Typ bis zur Haustür folgt. Oder
deine Mutter, die von einem Creep am helllichten Tag
verfolgt wird, während dieser in seiner Hose herumspielt.
In meiner Selbstverliebtheit und Naivität hätte ich es nie
im Leben für möglich gehalten, dass sich wildfremde
Männer an Frauen im Wasser heranpirschen, um mit ihrem
erigierten Glied auf Tuchfühlung zu gehen. Ich hätte mir
niemals albträumen lassen, dass Frauen beim Duschen
von Männern ungefragt fotografiert werden. Auch Sprüche
von der Seite wie „Hey, willst du ficken?“ hielt ich nicht
für möglich. Sie sind aber real und passieren jeden Tag in
Badeanstalten dieses Landes. Die Möglichkeit, zumindest
ein paar Stunden sorglos und unbeobachtet im Wasser
zu planschen, ohne deppert angemacht zu werden, ist
keine talibanesque Vision. Es ist der Ausdruck einer freien
Gesellschaft.
Zoe Opratko
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