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BIBER 09_21 OLAOLA

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Name: Shamil Borchasvili

Alter: 26

Wir haben Shamil in der

Roßauer Kaserne in Wien

getroffen – er wollte unbedingt

in seiner Uniform

fotografiert werden.

„Olympia

war

erst der

Anfang“

Shamil Borchasvili hat bei den Olympischen

Spielen diesen Sommer für Österreich die

Bronze-Medaille in Judo geholt. Der Welser

Tschetschene erzählt uns im Interview, warum

er im Olympischen Dorf niemanden getroffen

hat, warum er Floyd Mayweather lieber als

Khabib Nurmagomedov hat, und warum die

Bronze-Medaille erst der Anfang war.

Von Aleksandra Tulej, Foto: Zoe Opratko

BIBER: Shamil, du hast für Österreich die

Bronze-Medaille in Judo geholt, die erste

Judo-Medaille seit den 80ern. Wie haben

deine Eltern reagiert?

SHAMIL BORCHASVILI: Ich habe

meine Mama kurz vor der Siegerehrung

angerufen, das Telefonat hat aber nicht

lang gedauert, weil sie voller Tränen

war(lacht).

Du bist ja in Tschetschenien geboren.

Nach deinem Gewinn titelten alle möglichen

Medien „der Österreicher Shamil

Borchashvili gewinnt die Bronze-Medaille“

– wenn tschetschenischstämmige

Österreicher mit negativen Schlagzeilen

in den Medien sind, heißt es dann „der

Tschetschene“. Siehst du dich als Österreicher

oder als Tschetschene?

Ich bin in Österreich aufgewachsen, habe

hier die HTL Maschinenbau abgeschlossen

und meine Judo-Karriere habe ich

auch in Österreich angefangen. Meinen

Eltern war von Anfang an wichtig, dass

wir die Sprache lernen und uns gut integrieren.

Ja, ich bin Tschetschene aber

ich war seit 18 Jahren nicht mehr dort.

Wir haben drüben gar nichts: kein Haus,

kein Grundstück, gar nichts. Ich bin stolz,

dass ich für Österreich die Medaille holen

konnte – vor allem als Person mit Migrationshintergrund.

Du bist 2004 nach Österreich gekommen.

Wann hast du die Staatsbürgerschaft

bekommen? War das kompliziert?

Das weiß ich gar nicht mehr, Wir waren

zuerst in Traiskirchen, dann beim roten

Kreuz und dann an verschiedenen anderen

Orten in Oberösterreich, bis wir dann

nach Wels gezogen sind.

Wie schafft man es, so ein guter Judoka

zu werden? Was braucht man dafür?

Wenn man so gut wie ich werden will,

muss man Shamil heißen (lacht) Spaß!

Jetzt im Ernst: Ich habe vieles meinem

jüngeren Bruder zu verdanken, der will

immer trainieren und motiviert mich zum

Sport machen. Meinen Eltern war wichtig,

dass mein Bruder und ich irgendeinen

Sport machen, und es ist dann auf

Judo gefallen. Ich habe 2004, gleich

nachdem ich nach Österreich gekommen

bin, begonnen, zu trainieren. Aber dass

ich die Olympia-Medaille gewinne, war

damals nicht geplant (lacht) Ich habe

nach meiner Bundesheer-Grundausbildung

begonnen, als Heeressportler zu

trainieren, und für diese Möglichkeit bin

ich sehr dankbar. Auch meine Cheftrainerin

Yvonne Böhnisch hat mich extrem

gut vorbereitet.

Wie war die Stimmung im Olympischen

Dorf? Du warst zehn Tage dort, hast du

dort jemanden berühmten getroffen?

Ich habe mir dort gar nichts angeschaut.

Alles, was ich gemacht habe war: Essen,

Training und dann ab ins Zimmer. Ich

habe mich mit keinem getroffen. Ich

habe einfach für mich alle Gegner und

ihre Schwächen analysiert. Das erste,

das ich gemacht habe, als ich in Tokio

angekommen bin, war alle meine Social

Medias zu löschen: kein Instagram kein

Facebook, kein Whatsapp. Ich wollte

keine „Viel Glück“-Nachrichten und keine

Anrufe. Ich hatte mit keinem Kontakt,

ich wollte mich nur auf den Wettkampf

konzentrieren.

Das hat ja gut funktioniert. Du hast jetzt

die Medaille in der Tasche. Was sind deine

Pläne für die nächsten Monate?

Das ist erst der Anfang meiner Karriere.

Ich mache ja erst seit drei Jahren Profisport.

Vielleicht hole ich beim nächsten

Mal ja Gold. Ich werde schauen, dass an

meinen Schwachstellen arbeite.

Und was sind deine Schwachstellen?

Das werde ich dir nicht verraten, sonst

wissen es die Gegner (lacht).

Aber das wirst du uns bestimmt verraten

können: Wer ist dein Vorbild?

Floyd Mayweather. Ich feiere diesen

Typen.

Nicht Khabib Nurmagomedov?

Nein, nicht Khabib. MMA ist für mich keine

Sportart. Mayweather ist ein Boxer, er

ist mental, technisch und koordinativ so

stark, er ist mein absolutes Vorbild.

A propos Khabib - das österreichische

Medium exxpress.at hat ein Video veröffentlicht,

auf dem du dich angeblich

bei dem tschetschenischen Landesoberhaupt

Ramzan Kaydrow bedankst. Was

hat es damit auf sich?

Mich hat das sehr traurig gemacht, dass

da so aufgegriffen wurde. Ich war an

dem Wettkampf-Tag sehr emotional.

Ich habe mich bei dem Verein Edelweiß

(anm. d. Red.: ein Judo-Club in Tschetschenien)

bedankt, dafür dass sie für

mich mitgefiebert haben. Das war kein

politscher Gruß, ich wollte mich einfach

bedanken.

Was machst du eigentlich, wenn du

gerade nicht trainierst?

Mein großes Hobby sind Maschinen,

also vor allem Kawasaki. Meine Mutter

hasst es (lacht). Ich musste leider meine

Yamaha verkaufen, weil die Verletzungsgefahr

zu groß war. Aber ich liebe es, mit

meinen Freunden an deren Maschinen

herumzubasteln.

Was wünscht du dir von Österreichs

Nachwuchssportlern?

Mit meiner Medaille möchte ich den

Nachwuchs motivieren. Wir haben in

Österreich so viele talentierte Sportler,

nur fehlt ihnen einfach der Glaube

an sich selbst. Ich bin einer, der groß

träumt. Ich schaffe alles, was ich mir vornehme,

es ist nur eine Frage der Zeit. Es

ist möglich, in Österreich, wo Judo nicht

so populär ist, wie in Japan oder Korea,

etwas in der Disziplin zu erreichen. Ich

hoffe, dass wir bei der nächsten Olympia

dann mehr sind!

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