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Name: Shamil Borchasvili
Alter: 26
Wir haben Shamil in der
Roßauer Kaserne in Wien
getroffen – er wollte unbedingt
in seiner Uniform
fotografiert werden.
„Olympia
war
erst der
Anfang“
Shamil Borchasvili hat bei den Olympischen
Spielen diesen Sommer für Österreich die
Bronze-Medaille in Judo geholt. Der Welser
Tschetschene erzählt uns im Interview, warum
er im Olympischen Dorf niemanden getroffen
hat, warum er Floyd Mayweather lieber als
Khabib Nurmagomedov hat, und warum die
Bronze-Medaille erst der Anfang war.
Von Aleksandra Tulej, Foto: Zoe Opratko
BIBER: Shamil, du hast für Österreich die
Bronze-Medaille in Judo geholt, die erste
Judo-Medaille seit den 80ern. Wie haben
deine Eltern reagiert?
SHAMIL BORCHASVILI: Ich habe
meine Mama kurz vor der Siegerehrung
angerufen, das Telefonat hat aber nicht
lang gedauert, weil sie voller Tränen
war(lacht).
Du bist ja in Tschetschenien geboren.
Nach deinem Gewinn titelten alle möglichen
Medien „der Österreicher Shamil
Borchashvili gewinnt die Bronze-Medaille“
– wenn tschetschenischstämmige
Österreicher mit negativen Schlagzeilen
in den Medien sind, heißt es dann „der
Tschetschene“. Siehst du dich als Österreicher
oder als Tschetschene?
Ich bin in Österreich aufgewachsen, habe
hier die HTL Maschinenbau abgeschlossen
und meine Judo-Karriere habe ich
auch in Österreich angefangen. Meinen
Eltern war von Anfang an wichtig, dass
wir die Sprache lernen und uns gut integrieren.
Ja, ich bin Tschetschene aber
ich war seit 18 Jahren nicht mehr dort.
Wir haben drüben gar nichts: kein Haus,
kein Grundstück, gar nichts. Ich bin stolz,
dass ich für Österreich die Medaille holen
konnte – vor allem als Person mit Migrationshintergrund.
Du bist 2004 nach Österreich gekommen.
Wann hast du die Staatsbürgerschaft
bekommen? War das kompliziert?
Das weiß ich gar nicht mehr, Wir waren
zuerst in Traiskirchen, dann beim roten
Kreuz und dann an verschiedenen anderen
Orten in Oberösterreich, bis wir dann
nach Wels gezogen sind.
Wie schafft man es, so ein guter Judoka
zu werden? Was braucht man dafür?
Wenn man so gut wie ich werden will,
muss man Shamil heißen (lacht) Spaß!
Jetzt im Ernst: Ich habe vieles meinem
jüngeren Bruder zu verdanken, der will
immer trainieren und motiviert mich zum
Sport machen. Meinen Eltern war wichtig,
dass mein Bruder und ich irgendeinen
Sport machen, und es ist dann auf
Judo gefallen. Ich habe 2004, gleich
nachdem ich nach Österreich gekommen
bin, begonnen, zu trainieren. Aber dass
ich die Olympia-Medaille gewinne, war
damals nicht geplant (lacht) Ich habe
nach meiner Bundesheer-Grundausbildung
begonnen, als Heeressportler zu
trainieren, und für diese Möglichkeit bin
ich sehr dankbar. Auch meine Cheftrainerin
Yvonne Böhnisch hat mich extrem
gut vorbereitet.
Wie war die Stimmung im Olympischen
Dorf? Du warst zehn Tage dort, hast du
dort jemanden berühmten getroffen?
Ich habe mir dort gar nichts angeschaut.
Alles, was ich gemacht habe war: Essen,
Training und dann ab ins Zimmer. Ich
habe mich mit keinem getroffen. Ich
habe einfach für mich alle Gegner und
ihre Schwächen analysiert. Das erste,
das ich gemacht habe, als ich in Tokio
angekommen bin, war alle meine Social
Medias zu löschen: kein Instagram kein
Facebook, kein Whatsapp. Ich wollte
keine „Viel Glück“-Nachrichten und keine
Anrufe. Ich hatte mit keinem Kontakt,
ich wollte mich nur auf den Wettkampf
konzentrieren.
Das hat ja gut funktioniert. Du hast jetzt
die Medaille in der Tasche. Was sind deine
Pläne für die nächsten Monate?
Das ist erst der Anfang meiner Karriere.
Ich mache ja erst seit drei Jahren Profisport.
Vielleicht hole ich beim nächsten
Mal ja Gold. Ich werde schauen, dass an
meinen Schwachstellen arbeite.
Und was sind deine Schwachstellen?
Das werde ich dir nicht verraten, sonst
wissen es die Gegner (lacht).
Aber das wirst du uns bestimmt verraten
können: Wer ist dein Vorbild?
Floyd Mayweather. Ich feiere diesen
Typen.
Nicht Khabib Nurmagomedov?
Nein, nicht Khabib. MMA ist für mich keine
Sportart. Mayweather ist ein Boxer, er
ist mental, technisch und koordinativ so
stark, er ist mein absolutes Vorbild.
A propos Khabib - das österreichische
Medium exxpress.at hat ein Video veröffentlicht,
auf dem du dich angeblich
bei dem tschetschenischen Landesoberhaupt
Ramzan Kaydrow bedankst. Was
hat es damit auf sich?
Mich hat das sehr traurig gemacht, dass
da so aufgegriffen wurde. Ich war an
dem Wettkampf-Tag sehr emotional.
Ich habe mich bei dem Verein Edelweiß
(anm. d. Red.: ein Judo-Club in Tschetschenien)
bedankt, dafür dass sie für
mich mitgefiebert haben. Das war kein
politscher Gruß, ich wollte mich einfach
bedanken.
Was machst du eigentlich, wenn du
gerade nicht trainierst?
Mein großes Hobby sind Maschinen,
also vor allem Kawasaki. Meine Mutter
hasst es (lacht). Ich musste leider meine
Yamaha verkaufen, weil die Verletzungsgefahr
zu groß war. Aber ich liebe es, mit
meinen Freunden an deren Maschinen
herumzubasteln.
Was wünscht du dir von Österreichs
Nachwuchssportlern?
Mit meiner Medaille möchte ich den
Nachwuchs motivieren. Wir haben in
Österreich so viele talentierte Sportler,
nur fehlt ihnen einfach der Glaube
an sich selbst. Ich bin einer, der groß
träumt. Ich schaffe alles, was ich mir vornehme,
es ist nur eine Frage der Zeit. Es
ist möglich, in Österreich, wo Judo nicht
so populär ist, wie in Japan oder Korea,
etwas in der Disziplin zu erreichen. Ich
hoffe, dass wir bei der nächsten Olympia
dann mehr sind!
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