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BIBER 09_21 OLAOLA

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„Was ich am Balkan mag,

sind diese Grauzonen.“

Rade Petrašević ist einer der gefragtesten Künstler Wiens. Bei einem

Besuch in seinem Atelier in Ottakring erzählt er vom Teppichschleppen

Zu Gast in Rade Petraševićs

Atelier: Ein geordnetes Chaos.

mit zwölf und dem Coming-out, das er nie hatte. Von Nada El-Azar, Fotos: Mafalda Rakoš

Rado, Radu, Radek – so viele Leute haben nie meinen

Namen richtig aussprechen können. Deswegen habe

ich mir einfach Rade auf den Arm tätowieren lassen.

Wann immer mich jemand nach meinem Namen fragt, zeige

ich einfach auf das Tattoo. Es vereinfacht viele Dinge“, grinst

Künstler Rade Petrašević. Wir befinden uns in seinem Atelierkeller

in Wien-Ottakring, der Boden trocknet wegen der starken

Regenfälle der letzten Wochen an manchen Stellen immer noch

nicht. Zwischen einigen seiner Gemälde liegen Tuben, Pinsel,

Zettel, Zigarettenstummel, Getränkekisten, CDs, Holzboxen und

allerlei sonderbare Artefakte. Seit 2018 bezieht der Wiener mit

bosnisch-serbischen Wurzeln das Atelier – so richtig gemalt hat

er aber seit April dort nicht mehr. „Andere würden das wahrscheinlich

als Krise bezeichnen. Pausen sind aber manchmal

gut. Ich brauche eben einmal Abstand von der Arbeit. Passiert

öfter“, zuckt er mit den Schultern und zieht an seiner Zigarette.

„DER TRAUM MEINES VATERS WAR

IMMER MIT MIR ZUSAMMEN AM BAU ZU

ARBEITEN.“

Rade lehnt an einem dicken Stapel großformatiger Bilder, die

er noch zu fotografieren hat. Am meisten hasst er an seiner

Arbeit das Erstellen von Portfolios. „Sonst gibt’s eigentlich

nichts, das mich nervt. Ich bin eh froh, dass ich Geld verdienen

kann, mit dem, was mir Spaß macht“, so der 38-Jährige. Geboren

und aufgewachsen ist er im 5. Bezirk, Nähe Eichenstraße,

wo er auch heute noch wohnt. „Eigentlich ist die Gegend beim

Gürtel dort geil, weil ich Lärm brauche. Ich

weiß noch, als ich klein war, gab es immer ein

Gürtelfest für Kinder und es gab überhaupt

keine Zebrastreifen. Schon krass, wie wir mit

acht Jahren da rumgespielt haben, während

die Autos über den Gürtel fetzten.“ Sein

Vater, ein Bosnier aus Banja Luka, hat auf

dem Bau gearbeitet. Er kam bereits in den

70er-Jahren nach Wien, wo er auch Rades

Damals war es

noch nicht cool,

Kunst zu

studieren.

serbische Mutter kennenlernte. Die künstlerischen Ambitionen

ihres Sohnes haben die beiden anfangs kaum unterstützt. „Der

Traum meines Vaters war immer, mit mir zusammen am Bau zu

arbeiten. Wir haben das eh lange gemacht, als ich noch Malerei

studiert habe. Manchmal kam ich um vier Uhr nach Hause

und eine Stunde später hämmerte er gegen meine Tür, weil

um halb sechs Dienstbeginn war. Er wohnte ja lustigerweise

nur eine Straße weiter als ich“, erinnert sich Rade. Bereits mit

15 zog er gemeinsam mit seiner zwei Jahre älteren Schwester

aus. In das Malereistudium sei er hineingerutscht, wie er

beschreibt. Bewerben konnte man sich dort einfach ohne

Matura. Die Schule hatte er abgebrochen, genauso wie die

Spenglerlehre.

MALEREISTUDIUM MIT RICH KIDS,

NEBENJOB AM BAU

2004 wurde er an der Akademie der Bildenden Künste aufgenommen,

studiert hat er zunächst bei Franz Graf, später wurde

seine Klasse von Daniel Richter übernommen. „Damals war es

noch nicht cool, Kunst zu studieren. Es war mehr ein Akt der

Rebellion. Heute sind alle so karriereorientiert und wissen ganz

genau, was sie machen wollen. Als Student hab‘ ich mir die

Haare immer selbst geschnitten, hab gestunken und zu Beginn

gar nicht gecheckt, dass ich mit so vielen Rich Kids studiere.

Erst später hab‘ ich mich gefragt, wie die das eigentlich alle

machen. Irgendwo muss ja die Kohle herkommen. Ich habe

immer gehackelt, schon mit zwölf habe ich die Teppiche im

Geschäft der Vermieterin geschleppt. Und

dann eben am Bau gearbeitet mit meinem

Vater, damit ich Geld für Farben bekomme“,

so der Maler. Abgebrochen hat er übrigens

auch das Malereistudium. Was hätte er davon

gehabt, fragt er sich. „Wenn man sich schon

mit Bildern dort bewirbt, ist man eh schon in

der Sache drin. Der Professor an der Bildenden

ist auch nicht hierarchisch über dir, son-

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