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BIBER 09_21 OLAOLA

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MEINUNG

„Balla Moskow, balla

Boskow!”

Ich bedauere ja mittlerweile, dass ich

meine zweite Muttersprache Arabisch

niemals ordentlich lesen und schreiben

gelernt habe. Nun gut, vielleicht lag es

eher an der samstäglichen Koranschule

im Jugendalter und dem phonetischen

Auswendiglernen von Suren, deren Sinn

ich nicht verstand, die letztlich dazu führten,

dass ich mit der Sprache nichts zu

tun haben wollte. Bis ich 16 Jahre alt war,

weigerte ich mich gar, mit meinen Eltern

Arabisch zu sprechen! Stattdessen antwortete

ich immer auf Deutsch, auch um

möglichst „normal“ zu sein. Dabei gibt es

so viele Sprachspiele, die im Deutschen

gar nicht möglich wären. Wie etwa das

Erfinden von Fake-Wörtern, die sich auf

bestehende reimen, um auszudrücken,

dass irgendetwas partout nicht in die Tüte

kommt. Als ich beispielsweise meine Mutter

mit 18 fragte, ob ich auf ein Auslandssemester

nach Moskau könne, meinte sie:

„Weder Moskau noch Boskau!“ Das klingt

doch großartig, oder nicht? Das dachte

ich jedenfalls, bis ich meinen Vater, der

übrigens rohen Fisch hasst, fragte, ob wir

mal Sushi essen gehen könnten. „Weder

Sushi, noch Mushi!“, war seine Antwort…

Okay, genug Sprachspiele für heute.

el-azar@dasbiber.at

KULTURA NEWS

Klappe zu und Vorhang auf!

Von Nada El-Azar

Podcast-Tipp:

Ein Herz und ein Habibi

Der Psychologe, Extremismusexperte und Autor

Ahmad Mansour ist normalerweise für seine

starken Beiträge zu knallharten Themen wie

Ehrenmord, islamistische Radikalisierung und dem

Konflikt im Nahen Osten bekannt. Gemeinsam mit

seiner Frau Beatrice hat er aber nun den Podcast

„Ein Herz und ein Habibi“ gestartet, in dem sich

alles um ihre bikulturelle Ehe dreht. Er ist als

palästinensischer Muslim in Israel aufgewachsen,

sie in einer

christlichen Familie im

deutschen Odenwald.

Was das konkret

für ihre Beziehung

bedeutet, besprechen

Ahmad und Beatrice

Mansour ganz offen

und ehrlich.

Ausstellungstipp

RE:PRESENT

Wie (ver-)lernt man Rassismus? Um diese Frage

dreht sich die Ausstellung „Re:Present“ im Wiener

Weltmuseum, die in Kooperation mit dem

Street Art Festival Calle Libre entstanden ist. Das

interventionistische Ausstellungskonzept vereint

Wandmalereien, Skulpturen, Video- und Fotoarbeiten,

Live-Performances, Workshops und vieles

mehr. Rassismus und Xenophobie, und antirassistische

Bewegungen werden aus verschiedenen

Blickwinkeln betrachtet.

Während der

Dauer der Sonderausstellung

kann man

jeden Sonntag um 15

Uhr an einer Führung

im Weltmuseum

teilnehmen.

Bis 22. Jänner 2021

im Weltmuseum

zu sehen.

Buch-Tipp:

Judith Sevinç Basad:

„Schäm dich!

Wie Ideologinnen

und Ideologen

bestimmen, was

gut und böse ist.“

Die Journalistin Judith

Sevinç Basad publizierte

schon ihre Masterarbeit

über totalitäre Tendenzen

in der queerfeministischen

Bewegung und

arbeitete in der Ibn-

Rushd-Goethe-Moschee,

die von Seyran Ateş

gegründet wurde. In

ihrem Sachbuch „Schäm

Dich!“ seziert sie fein,

wie Anhänger von

antirassistischen und

antisexistischen Strömungen

Menschen nach

Hautfarbe, Religion und

Geschlecht einteilen und

dabei selbst ihre vermeintlich

progressiven

Haltungen nicht einlösen.

Erschienen beim Westend

Verlag.

© Christoph Liebentritt, Welt, privat, Navot Miller, Mahir Jamal, Westend Verlag

3 FRAGEN AN…

NAVOT MILLER

Navot Miller wurde in dem kleinen israelischen Dorf

Shadmot Mehola geboren und lebt und arbeitet heute als

Künstler in Berlin. Mit seiner Solo-Ausstellung „Everyone

I’ve ever known“ begeisterte er zuletzt in der Salzburger

Elektrohalle Rhomberg. Seine Bilder zeigen häufig die

kleinen Momente des Alltags und werfen einen besonderen

Blick auf Zärtlichkeit und Zusammenleben.

Interview: Nada El-Azar

Was sind die Momente im Alltag, die dich

am meisten inspirieren?

Menschen, nicht Momente inspirieren

mich. Meine Freunde, Liebhaber, Familie,

Menschen, mit denen ich mich befasse,

jene, an die ich denke und solche, die

ich vermisse. Oftmals werden jene, mit

denen ich Zeit verbringe, zu meinen

Musen. Als jüngstes Beispiel dient eine

Serie von Gemälden, die ich anfertigte,

nachdem ich Riccardo in Italien 2 Monate

zuvor getroffen hatte. Die Zeit, die wir

gemeinsam verbrachten und die Momente,

die wir teilten, inspirierten die meisten

Bilder, die ich malte, als ich heimkam.

Hat die Isolation im Lockdown dich

kreativer gemacht, oder mehr gelähmt?

Für eine soziale Person wie mich ist

Isolation etwas Ungewöhnliches. Es ist

gerade mein Sozialleben, das mir als

Künstler wichtig ist. Reisen sehe ich als

Teil meiner Praxis, denn wenn ich neue

Orte besuche, werden sie zur Quelle für

Inspiration. Wenn ich jedoch im Ate-

lier arbeite, ziehe ich es vor, sorgsam

und zügig zu malen, und das passiert

meist, wenn ich dort alleine bin. Vielleicht

ist deshalb die Isolation während

des eigentlichen Prozesses des Malens

schlussendlich doch ein wichtiger Teil

von mir.

Welche Bedeutung haben die jüdischen

Schläfenlocken in deinen Gemälden und

für deinen persönlichen Style?

Sie sind eine Anspielung auf meinen

religiösen Hintergrund. Wenn ich Worte,

Gegenstände, Szenen aus meiner Kindheit

abbilde, versuche ich ihnen stets

einen queeren Touch zu geben. Es ist

eine Befreiung, eine weltoffene Annäherung

an sonst tabuisierte Themen. Meine

Schläfenlocken sind mir ein Paradox;

ihnen wohnt eine schwere religiöse Symbolik

inne, und indem ich sie blondierte,

habe ich ihnen eben diese Queerness

verpasst. Irgendwo ähnelte es dem Prozess,

den ich durchlief, als ich mich als

schwuler Mann geoutet habe.

Neuerscheinung:

„Der Geruch

der Seele“

Damaskus, im Jahre 2010.

Der Sunnit Tarek und die

alewitische Sanaa werden

trotz großer Widerstände

ein Liebespaar in der

vibrierenden Stadt, bevor

sie im Chaos des syrischen

Bürgerkriegs versinkt. Ihre

zärttliche und heimliche

Beziehung findet ein vorschnelles

Ende, als Tarek

in den Militärdienst eingezogen

wird, und Sanaa in

den Fängen des IS landet.

Jad Turjman spürt den

beiden Protagonisten mit

viel Feingefühl nach, die

Handlung auf Messers

Scheide zwischen Fakt und

Fiktion.

Autor, Spoken-Word-Artist

und biber-Kolumnist Jad

Turjman hat mit „Der

Geruch der Seele“ seinen

zweiten Roman herausgebracht.

Erschienen im

Residenz Verlag.

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