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MEINUNG

SCHÄMEN SIE SICH?

Wenn Politiker nur Machterhalt im Sinn haben, sind sie ihrer Macht nicht würdig, findet

Chefredakteurin Delna Antia-Tatić im Zuge der hiesigen Afghanistan-Politik.

D A M I T D U S C H N E L L

D E I N E E R S T E N E I G E N E N

V I E R W Ä N D E F I N D E S T

Dieser Tage habe ich schon wieder diese Vorstellung.

Obwohl „Bedürfnis“ wohl das bessere Wort ist.

Ich hatte es schon einmal, im Winter 2020. Stichwort

Moria. Dabei stelle ich mir vor, wie ich am Ballhausplatz

all die mächtigen Minister, Männer und Hintergrundstrippenzieher

auftreffe und meine Wut persönlich adressiere: Es reicht!

Gibt es denn gar keine Grenzen in eurer Politik voller Grenzziehungen?

Wer die besondere Macht innehat, Menschen in akuter

Lebensbedrohung zu helfen, wer Kinder in Not retten kann,

es aber aus Karrieregründen nicht tut, ist nicht zu verstehen.

Kein diplomatisches Gerede, keine politstrategischen Floskeln,

kein noch so einstudiertes Mansplaining der Welt kann mir das

erläutern. Ich will kein „Nehammern“ oder „Schallenbergen“,

wie Presse-Chefredakteur Rainer Nowak den neuen ÖVP-Politstil

tragisch-komisch beschreibt. Wahrlich, ich will keine harten

Männer, die die Taliban zur Räson rufen und der Flüchtlingskonvention

den Kampf erklären. Nein, ich will das Gegenteil.

Ich will, dass die, die oben stehen und eine große Handlungsmacht

besitzen, in entscheidenden Situationen „richtig“ von

„falsch“ unterscheiden können – und auch danach handeln.

Es war falsch, kein einziges Kind aus den griechischen Flüchtlingslagern

vor dem Winter 20/21 nach Österreich zu holen.

Es ist falsch, nach Afghanistan abzuschieben. Es ist schmerzlich

falsch, von „Abschieben so lange es geht“ zu sprechen,

ja Charterflüge zu organisieren, während die Taliban das Land

einnehmen und es darum geht, Menschen außer Landes

zu bringen – und nicht hinein. Jenseits von Gut und Böse

erscheint es, Menschen in purer Lebensangst zu verhöhnen,

die sich aus Verzweiflung an abhebende Flugzeuge klammern.

Denn nichts anderes als Hohn war der Sager des Innenministers:

„Es gibt keinen Grund, warum ein Afghane jetzt nach

Österreich kommen sollte.“

SELBSTBEZOGENER INNENPOLITISCHER

MACHTERHALT

Natürlich ist es berechtigt zu betonen, dass Österreich „nicht

alle retten kann“ und bereits überproportional viele Menschen

in der Vergangenheit aufgenommen hat. Aber hey, das war

richtig. Gut gemacht! Wenn jetzt Gemeinden melden, sie

antia@dasbiber.at

haben Platz, warum nicht weiter so – warum nicht

drüber reden? Statt als Hardliner jegliche Diskussion

im Keim wegen der „Signalpolitik“ zu ersticken.

Wer Macht zum Handeln besitzt, sie aber nicht nutzt

aus Angst, sie zu verlieren, ist für mich ohnmächtig. Wer

nur Machterhalt im Sinn hat, ist getrieben und seiner Macht

nicht würdig. Das gilt für Türkis und ja, auch für Grün – denn

Unterlassung ist auch eine Handlung. Manch ein Türkiser mag

ja wahrlich inhaltlich überzeugt sein, von dem was er sagt

und tut. Das kann ich dann wahlweise hässlich, rassistisch,

fremdenfeindlich und/oder dumm finden, aber bei manchen

bezweifle ich es. Da erscheinen die Mantras von „Balkanroute

schließen“ oder „nach Afghanistan abschieben“ bloß als

berechnetes Kalkül, das unter Druck der politischen Seilschaften

roboterhaft wiederholt wird. Selbstbezogener innenpolitischer

Machterhalt. Und die Grünen? Nun, ob Birgit Hebeins

Austritt aus der grünen Partei ein individueller Einzelfall bleibt,

weil deren Politik „nicht mehr ihr Herz erreiche“, bleibt fraglich.

„ES IST NICHT GEIL, HERZLOS ZU SEIN!“

Diese politische Entwicklung mag im journalistischen Fachjargon

„besorgniserregend“ sein. Im echten Leben sieht meine

erregte Besorgnis so aus, dass ich den Beteiligten meine

menschliche Enttäuschung vor die Füße kippen möchte: Ist es

fürs Ego wirklich so erstrebenswert, von ausländerfeindlichen

und provinziellen Rechten gewählt zu werden? Warum nicht

eine Politik verfolgen, zu der man aufschaut, statt sich eine

anzueignen, die auf andere herabsieht? Wer so viel Macht und

auch Begabung besitzt, warum nicht die konservative Anhängerschaft

mal Merkel-mäßig mit Offenheit und Mitmenschlichkeit

inspirieren – statt um die Stammtischler mit den braunen

Hirnen zu wetteifern? Es ist nicht geil, herzlos zu sein. Es ist

beschämend. Ich fand es toll, dass die deutsche ZDF-Moderatorin

Marietta Slomka den deutschen Außenminister gerade

heraus gefragt hat: „Schämen Sie sich?“ Und das gleiche

möchte ich am Ballhausplatz auch fragen. Denn von Politikern

erwarte ich mir, was ich von anderen Menschen auch erwarte:

Ein Gewissen, ein Herz und das Urteilsvermögen über „richtig“

und „falsch“, wenn es um Menschen in erschreckender

Lebensnot geht – wie jetzt in Afghanistan.

© Zoe Opratko

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