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BIBER 09_21 OLAOLA

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„Erzähl mir deine Geschichte“

Asylwerber und ihr Leben in Wien

Von Hannah Jutz. (Fotos: Lisa Leutner und Zoe Opratko)

Zuhören, diskutieren und mitfühlen: BIBER begrüßte im Rahmen

der diesjährigen Summer-School drei Asylwerber, die mit den

insgesamt rund dreißig Schüler*innen über Flucht, das Leben in

der alten und der neuen Heimat sprachen.

50 / KARRIERE /

Mittwoch Vormittag, zehn Uhr:

Ein Dutzend junger Journalismus-Talente

lauschen in der

BIBER Redaktion gespannt der Geschichte

von Omid. In einem kurzen Video

erzählt der Asylwerber von seinen Erlebnissen

auf der Flucht und dem Leben in

Wien. Omid ist 25 Jahre, verheiratet und

lebt seit fünf Jahren hier. Bereits vier Mal

hat er schon einen negativen Asylbescheid

bekommen. Was die Lage noch

bitterer für ihn macht: Seine Frau, mit

der er zusammen in Wien lebt, hat einen

positiven Bescheid erhalten.

Das Video mit Omid ist eines von

insgesamt fünf Videos, das die Summer-

School Teilnehmer und Teilnehmerinnen

an diesem Vormittag ansehen. Sie wurden

von biber mit freundlicher Unterstützung

des „Fonds Soziales Wien“ gedreht.

In den Videos erzählen Asylwerber vom

Krieg, lassen ihre Flucht Revue passieren

und gewähren den Jugendlichen einen

privaten Einblick in ihr Leben in Österreich

und die Hoffnungen und Ängste,

die daraus resultieren.

Omid wartet seit 5 Jahren auf einen

positiven Asylbescheid. Seine Ehefrau

hat ihn schon.

Soza Jan (rechts) und Omid Sadeghi (kniend davor) erzählten über ihre Flucht und das

Leben in Österreich.

OMIDS BRIEFE AN KURZ

UND VAN DER BELLEN

Wenn Omids Asylverfahren mit einem

negativen Bescheid endet, muss er

Österreich verlassen und nach Afghanistan

zurückkehren, obwohl er dort

nur fünf Jahre seines Lebens gelebt

hat. Aufgewachsen ist er im Iran, wo er

als Mensch zweiter Klasse behandelt

wird. Omids Wunsch ist es, eine Heimat

zu finden, in der er in Freiheit leben

kann. Um diesen Wunsch zu erfüllen,

hat er schon Mails an Bundespräsident

Alexander Van der Bellen und Bundeskanzler

Sebastian Kurz geschrieben.

Seine emotionale Geschichte löst bei

den Teilnehmer*innen Überraschung

und Unverständnis aus: „Ich dachte,

dass Asylverfahren gerechter ablaufen

und es nicht normal ist, sein Recht auf

Asyl vor Gericht erstreiten zu müssen“,

so eine anwesende Jungjournalistin.

Eine andere Jugendliche ist derselben

Meinung: „Ich hätte mir nie erwartet,

dass man als Flüchtling so schlecht lebt.“

Andere Teilnehmer*innen der Summer

School fühlen sich in ihren Erfahrungen

bestätigt: „Die Videos bestätigen nur,

wie ungerecht die Justiz mit Geflüchteten

umgeht.“ Unvorstellbar ist für viele

dieses Gefühl der Ohnmacht und die

Tatsache, nichts an der eigenen Situation

ändern zu können.

Die Videos lassen die Beteiligten

tief betroffen zurück und sorgen auch

für Aufklärung: „Es wurden Vorurteile,

die ich mir bisher nicht eingestehen

wollte, aufgebrochen“, so eine Teilnehmerin.

Nach den Videos diskutieren die

Teilnehmer*innen der biber-Summer-

School mit Kamerafrau und Videoproduzentin

Soza Jan und den anwesenden

Asylwerbern über die gezeigten Videos,

stellen Fragen und räumen Vorurteile aus

dem Weg.

Soza Jan ist syrische Kurdin und

kennt die Lebenswelten der Asylwerber.

Gemeinsam mit ihnen hat sie die Videos

aufgenommen, geschnitten, bearbeitet.

Die Porträt-Videos gewähren private Einblicke

und geben den Zuseher*innen die

Möglichkeit, die Lebenswelt der Geflüchteten

zu verstehen. Das kommt gut an:

„Nach diesen Einblicken ist es ein wenig

leichter, sich in die Lage der Betroffenen

zu versetzen. Ich persönlich konnte mir

davor schlecht vorstellen, wie das Leben

einer geflüchteten Person aussieht und

wie man sich dabei fühlt. Aber nun habe

ich ein gewisses Feingefühl dafür und für

die Menschen vermittelt bekommen“, so

eine betroffene Zuseherin.

Ich hätte mir nie

erwartet, dass man

als Flüchtling so

schlecht lebt.

/ KARRIERE / 51

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