bull_04_01_Mobilität

«Wir unterstützen Unternehmen,
die Chancen im Markt wahrnehmen»
Oswald J. Grübel, Co-CEO der Credit Suisse Group, bekennt sich im Gespräch mit dem Bulletin klar zur
Geschäftspartnerschaft mit den KMU. Er bezeichnet sie als «Rückgrat der Schweizer Wirtschaft» und
wehrt sich gegen den Vorwurf, die Banken drehten ihnen den Geldhahn zu. Interview: Daniel Huber, Redaktion Bulletin
nehmerischen Risikos ist nicht unsere Aufgabe.
Risikokapital muss von den Besitzern
des Unternehmens zur Verfügung gestellt
werden. Das Kreditrisiko tragen wir.
In den letzten Jahren wurden bei verschiedenen
Skandalen um Grossfirmen Millionen
abgeschrieben. Werden bei Grosskunden
andere Massstäbe angelegt? Nein, in
keiner Art und Weise. Für alle gelten die
gleichen Regeln. Unsere Kreditbeurteilung
erfolgt nach objektiven Massstäben.
Sie weist anerkanntermassen einen hohen
Standard auf und wurde in den letzten
Jahren laufend verbessert. Wir unternehmen
alles, um unerwartete Verluste nach
Möglichkeit zu vermeiden. Menschliches
Versagen, oder dass man uns täuscht,
kann jedoch nie vollständig ausgeschlossen
werden.
Studien belegen, dass die Zahlungsmoral
in der Schweiz in den vergangenen Jahren
sowohl im privaten als auch im geschäftlichen
Bereich zunehmend schlechter wurde.
Verlieren Ehre und Vertrauen an Bedeutung?
Die Zahlungsverzögerungen häufen sich
in der Tat. Dies hängt aber meiner Meinung
nach weniger mit Ehre und Vertrauen
zusammen als mit Krisensituationen.
Spielt bei dieser Entwicklung nicht auch
das unpersönlicher gewordene Finanzsystem
eine Rolle? Früher wollte man dem kreditgebenden
Filialleiter im Dorf am Gewerbevereinsabend
ohne schlechtes Gewissen
in die Augen schauen können. Wir haben
aus den Erfahrungen der Neunzigerjahre
gelernt, als die Schweizer Banken grosse
Verluste erlitten, vor allem weil Risiken
nicht rechtzeitig erkannt und quantifiziert
wurden. Vielleicht waren wir früher
manchmal auch «zu nahe» am Kunden.
Bei uns sind deshalb Kreditsprechung
Daniel Huber Die Ökonomen der Banken
fordern von Wirtschaft und Politik konkrete
Massnahmen, um das Wachstum anzukurbeln.
Doch was unternimmt die Credit
Suisse selbst diesbezüglich?
Oswald J. Grübel Wir haben in den vergangenen
18 Monaten unsere Profitabilität durch
entsprechende Marktanpassungen nachhaltig
gesteigert. Dadurch konsolidiert sich
die Zahl der Beschäftigten, die wiederum
mit ihren Löhnen Impulse für den Konsum
geben können. Das Gleiche gilt für die
öffentliche Hand, indem wir wieder mehr
Steuern zahlen – alles Impulse, die wachstumsfördernd
wirken. Grundsätzlich geht
es weniger darum, kurzfristig die Konjunktur
anzukurbeln, als vielmehr darum, die Basis
für nachhaltiges Wachstum zu stärken. Hier
leisten wir auch durch unsere Kreditpolitik
einen wichtigen Wachstumsbeitrag. Unsere
Kredite kommen so vor allem Unternehmen
zugute, die über ein solides Management,
innovative Produkte und Prozesse verfügen
und die sich frühzeitig auf Veränderungen
Oswald J. Grübel, Co-CEO
der Credit Suisse Group:
«Es ist nicht unsere Aufgabe,
das unternehmerische
Risiko mitzutragen.»
einstellen – kurz, die Chancen im Markt
wahrnehmen.
Dennoch müssen sich die Banken in den
letzten Jahren immer wieder den Vorwurf
gefallen lassen, sie drehten den KMU
den Geldhahn zu. Wir bekennen uns klar
zur Geschäftspartnerschaft mit den KMU,
dem Rückgrat der Schweizer Wirtschaft.
Unternehmen, die eine zu dünne Eigenkapitaldecke
haben und deren Ertragslage
ungenügend ist, um ihren Verpflichtungen
nachzukommen, können Banken keine
Kredite sprechen. Ausserdem ist die
Aufgabe einer Bank die Finanzierung von
kurz- oder langfristigem Fremdkapital und
nicht die Bereitstellung von Eigenkapital.
Von einem Zudrehen des Geldhahns kann
also keine Rede sein.
Müssen aber nicht gerade in wirtschaftlich
schwierigen Zeiten alle tragenden Akteure
höhere Risiken eingehen, um das Steuer
herumzureissen? Man muss unterscheiden
zwischen Kreditrisiko und unternehmerischem
Risiko. Das Mittragen des unter-
Foto: Jürg Isler
30 Credit Suisse Bulletin 1-04