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MOBILITÄT
Das Schaffen von Roman Signer dreht sich um Bewegung. In vielen seiner Werke offenbart sich die
Bewegung aber weniger als örtliche Verschiebung, sondern vielmehr als Zustandsveränderung. Dabei
variiert die Geschwindigkeit von sehr langsam bis rasend schnell. Corinne Schatz, Kunsthistorikerin und Buchautorin*
Spuren
Eine Reise der besonderen Art war auch die
«Aktion mit einer Zündschnur» 1989: von
Appenzell nach St. Gallen kroch entlang der
Bahnschiene ein kleines Räuchlein durch
das Land, begleitet vom Künstler, dessen
Verwandten und Freunden. Die brennende
Schnur, die Signer in100-Meter-Stücken ausund
wieder einrollte und den Übergang jeweils
mit Schwarzpulver entzündete, veränderte
die Wahrnehmung von Landschaft und Kultur,
durch die sie führte, aber auch die des
Künstlers selbst. So hatte diese Reise einen
autobiografischen Aspekt, war doch der
Künstler in Appenzell aufgewachsen und
hatte nach seiner Ausbildung an der Kunstgewerbeschule
Luzern und einem Studienjahr
in Warschau 1972 sein erstes Atelier,
1977 eine Wohnung in St. Gallen bezogen.
Zugleich zeigte sich in den unterschiedlichsten
Reaktionen, die diese Aktion hervorrief
– von Neugier bis Unterstützung, von
Gleichgültigkeit bis Sabotage, von Erheiterung
bis Empörung –, dass das Räuchlein
von Signers Zündschnur wie ein Seismograph
die Emotionen und Befindlichkeiten
der Bevölkerung anzuzeigen vermochte. Das
Reisetempo – wesentlich langsamer als ein
Fussmarsch, denn für die 20 Kilometer
benötigte Signer 35 Tage – erschien in
einer Zeit, in der diese mit Geld gemessen
wird und alles auf Tempo ausgerichtet ist,
als ebenso grosse Provokation wie die lauten
Explosionen.
Die viel beachtete «Aktion mit einer Zündschnur»
bewies: Wer reist, trägt nicht nur
viele Eindrücke mit nach Hause, sondern
hinterlässt auch selbst Spuren. Diese Erkenntnis
mag auch hinter einer der ersten Aktionen
mit einem Piaggio gestanden haben, als
Roman Signer mit dem Wasser, das aus
einem mitgeführten Fass auslief, eine feine
Linie durch das Land zog.
«Aktion mit einer Zündschnur», 1989,
Foto: Stefan Rohner