Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
40<br />
TITELTHEMA<br />
BAKTERIENMORD<br />
– DER ZUCKER WAR’S –<br />
Unser Darm ist ein Mikrokosmos im Makrokosmos. In ihm leben<br />
unter anderem klitzekleine Monster, die nur darauf warten, mit<br />
den süßen weißen Zuckerkristallen gefüttert zu werden. Die<br />
brauchen sie, um sich zu vermehren – und so die anderen, die<br />
„guten“ Darmbewohner zu überwuchern. Mit schwerwiegenden<br />
Folgen, denn Darm und Gehirn sind auf direktem Weg<br />
miteinander vernetzt. Zu viel Zucker macht Stau.<br />
Text Simone Blaß<br />
© nantonov<br />
Das größte Gewimmel herrscht im Dickdarm –<br />
da, wo die meiste Nahrung zu finden ist. Sage<br />
und schreibe eine Billiarde Einzeller siedeln pro<br />
Gramm in den Wänden des Darms und seinem<br />
Inhalt, fördern die Verdauung und stärken die<br />
Abwehr. Dieses sogenannte "<br />
Mikrobiom", also<br />
die Gesamtheit aller Mikroorganismen, die den<br />
Menschen oder andere Lebewesen besiedeln, ist<br />
individuell, und je vielfältiger es ist, das heißt, je<br />
abwechslungsreicher all das, was da lebt, ernährt<br />
wird, desto besser ist auch unser Immunsystem.<br />
Und nicht nur das: Es gibt so eine Art Autobahn<br />
zwischen Darm und Gehirn. Und nicht zuletzt das,<br />
was viele von uns bei alltäglichen Entscheidungen<br />
begleitet: unser „Bauchgefühl“.<br />
Professor Frank Erbguth, Präsident der Deutschen<br />
Hirnstiftung, erklärt es genauer: „Diese Achse, der<br />
Kommunikationsweg, besteht vor allem aus einem<br />
Nervengeflecht, das mit dem Rückenmark in Verbindung<br />
steht und bei dem auch der sogenannte<br />
Vagusnerv eine entscheidende Rolle spielt. Dazu<br />
kommen Botenstoffe.“<br />
Für den Nürnberger Neurologen und seine Kollegen<br />
ist diese Verbindung nicht neu. „Früher dachte<br />
man, die Signale kämen aus dem Gehirn und der<br />
Darm sei das Empfängerorgan. Aber aus der For-<br />
© J. Rathermann<br />
Professor Frank<br />
Erbguth, Präsident<br />
der Deutschen Hirnstiftung<br />
schung zu Parkinson und Multipler<br />
Sklerose wissen wir, dass die Signale<br />
vor allem in die andere Richtung laufen:<br />
Etwa 80 bis 90 Prozent der Informationen<br />
werden von unten nach<br />
oben gesendet.“ Das, was im Darm<br />
passiert, hat also Auswirkungen aufs<br />
Gehirn. Und aufs Verhalten. Das Problem<br />
dabei: Wir haben unser Mikrobiom<br />
in den letzten Jahrzehnten zu<br />
seinem Nachteil verändert. Antibiotika<br />
spielen hier eine Rolle, Kaiserschnittgeburten,<br />
bei denen das Kind<br />
nicht mehr durch den Geburtskanal<br />
muss und ihm sozusagen der Kontakt<br />
mit wichtigen Keimen verloren geht,<br />
und vor allem: einseitige Ernährung<br />
mit viel Fast Food und Limonade.