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46<br />

TITELTHEMA<br />

ZUCKERFREI FÜR DEUTSCHLAND!<br />

Mit Ernährungsempfehlungen<br />

ist das ja immer<br />

so eine Sache. Die gelten<br />

mal und plötzlich gelten sie<br />

nicht mehr. Und da wir Eltern<br />

unsere Kinder auf jeden<br />

Fall richtig und gesund ernähren<br />

wollen, kann es ganz schön<br />

zu Gewissenskonflikten führen,<br />

wenn wir uns jahrelang an die Empfehlungen<br />

gehalten haben, um uns dann sagen zu lassen,<br />

dass das falsch war. Hat’s schon gegeben.<br />

Umso wichtiger ist es, die Kirche im Dorf zu lassen,<br />

findet unsere Autorin. Auch, wenn es um<br />

den Zucker geht.<br />

Text Simone Blaß<br />

Unsere Kinder sind ganz normale Menschenkinder, und<br />

die sollten wir auch ganz normal ernähren. Natürlich<br />

möglichst gesund, mit möglichst viel Selbstgekochtem,<br />

mit frischen Zutaten, und am besten regional und bio.<br />

Aber ruhig auch mal mit einem Nachtisch oder einer Leckerei<br />

zwischendurch. Alles eben in einem vernünftigen<br />

Maß. Es bringt nämlich niemandem etwas, wenn wir<br />

einem Kind jahrelang verbieten, Zucker zu essen und es<br />

bei jeder sich bietenden Gelegenheit hinter unserem Rücken<br />

die Süßigkeiten-Vorräte anderer verputzt oder sein<br />

Taschengeld investiert. Zucker macht per se nicht krank,<br />

und eine Droge ist er schon gar nicht. In sehr geringen<br />

Dosen ist er wichtige Nahrung für unsere Zellen und vor<br />

allem für unser Gehirn. Ja, auch der reine Zucker! Das<br />

Problem ist, wenn er sich versteckt, der Zucker. Zum<br />

Beispiel so wie lange Zeit in Babytees, oder heute noch<br />

in Wurst, in Säften, Quetschies, Babykeksen, Müsliriegeln,<br />

sogenannten Light-Produkten – wenig Fett, dafür<br />

viel Zucker – oder natürlich auch in Softdrinks. Dann<br />

kommen wir schnell aufs Doppelte. 35 Kilo pro Jahr,<br />

10 Kilo mehr als noch vor 50 Jahren. Daran nicht unschuldig<br />

ist die Lebensmittelindustrie. Denn was hat<br />

Zucker sogar in vermeintlich gesunden und herzhaften<br />

Lebensmitteln wie etwa Frischkäse verloren? Noch dazu<br />

oft in solchen, in denen die<br />

Zielgruppe ganz klar unsere<br />

Kinder sind? Ganz einfach:<br />

Er ist ein extrem günstiger<br />

Geschmacksträger und Konservierungsstoff.<br />

Und je früher die<br />

Kleinen darauf trainiert werden,<br />

desto sicherere Abnehmer für die<br />

rund 200 Millionen Tonnen Zucker<br />

jährlich haben wir auch in Zukunft.<br />

Es gibt derzeit weltweit rund 40 Millionen übergewichtige<br />

Kinder unter fünf Jahren. In England gingen<br />

die Gesundheitskosten für Fettleibigkeit und ernährungsbedingte<br />

Diabetes so durch die Decke, dass die<br />

Regierung 2015 beschloss, zu handeln. Sie warnte die<br />

Lebensmittelindustrie vor und schlug 2018 mit einer<br />

deftigen Steuer zu, um die Einnahmen dann in Sportprogramme<br />

und -anlagen zu stecken. Und da sind die<br />

Engländer nicht die Einzigen. Auch andere Länder wie<br />

Ungarn, Frankreich, Mexiko oder Norwegen haben<br />

längst durchgegriffen und umgesetzt, was die Weltgesundheitsorganisation<br />

empfiehlt – nämlich Druck<br />

auszuüben. Auf die Firmen durch die Steuer, auf die<br />

Bevölkerung über den Preis. Mit einigem Erfolg. Nicht<br />

nur der Absatz des Extrem-Verzuckerten ging messbar<br />

herunter, die Bevölkerung hat sich auch erstaunlich<br />

schnell an weniger Zucker gewöhnt. Heute hat in<br />

England eine klassische Orangenlimonade nur halb<br />

so viel Zucker wie zum Beispiel in der Schweiz. Und<br />

schmeckt trotzdem.<br />

Jetzt fragt man sich vielleicht: Warum handelt der<br />

Gesetzgeber in Deutschland nicht ein bisschen rigoroser,<br />

um uns und vor allem auch unsere Kinder<br />

zu schützen? Funktioniert doch in anderen Ländern<br />

auch. Das könnte daran liegen, dass hierzulande<br />

schon ein Aufschrei durch die Gesellschaft<br />

geht, wenn jemand es wagt, einen Veggie-Tag in<br />

Kantinen anzudenken. Könnte. Muss aber nicht.<br />

Vielleicht liegt es auch einfach nur daran, dass<br />

es uns so sehr versüßt wird, den Ernst der Lage<br />

nicht zu erkennen.

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