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TITELTHEMA<br />
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rung vor, erreiche diese Strategie schwächer gestellte<br />
Familien nicht. „Das ist ethisch nicht vertretbar.“<br />
Ein Umstand, den auch Melanie Gauch aus ihrem<br />
Berufsalltag kennt. „Für bildungsferne und finanziell<br />
schwächer gestellte Familien sind Ernährung<br />
und Zucker oft kein Thema, da gibt es Wichtigeres“,<br />
beobachtet die Lehrerin. Dass ihre Arbeit mehr ist<br />
als nur ein Tropfen auf dem heißen Stein, wünscht<br />
sie sich. „Irgendwas nehmen die Kinder hoffentlich<br />
mit, was sie später brauchen.“ Allein dieses „später“<br />
ist meist stärker, „sie vergessen davon vieles wieder.“<br />
Später, wenn das Ü-Ei das coolste ist und der Burger<br />
der beste, wenn Cola offenbar nicht nur sexy<br />
macht, sondern auch noch Durst löscht, und immer<br />
alles frei und billig verfügbar ist. „In einer idealen<br />
Welt würden Eltern stark mit in die Bildungspflicht<br />
genommen, um diesen Kreislauf irgendwann zu<br />
durchbrechen“, meint Melanie Gauch.<br />
Bis das passiert, bleibt die<br />
Hoffnung: „Die Gesundheit<br />
der Verbraucher/innen und<br />
vor allem die der Kinder<br />
muss über die Lobby-Interessen<br />
der Konzerne gestellt<br />
werden“, forderte Foodwatch<br />
noch im November letzten<br />
Jahres. Diese Zuckerlobby<br />
macht seit Jahren mit Falschaussagen<br />
von sich reden: Zucker<br />
mache weder dick noch<br />
krank, Steuern seien wirkungslos<br />
oder die Quelle der<br />
Kalorien sei nicht ausschlaggebend.<br />
„Die Zuckerindustrie<br />
macht es wie früher die<br />
Tabak-Konzerne: Mit haarsträubenden<br />
Falschaussagen<br />
täuscht sie die Öffentlichkeit,<br />
um unliebsame politische<br />
Maßnahmen zu verhindern<br />
oder zu verzögern“, so Foodwatch.<br />
„Viel zu lange hat die<br />
Industrie durch geschickte<br />
Lobbykampagnen verhindert,<br />
dass die Bundesregierung entschlossen gegen<br />
Fehlernährung und ernährungsbedingte<br />
Krankheiten vorgeht.“ Die alte Bundesregierung<br />
sei mit ihrer Strategie der Freiwilligkeit<br />
krachend gescheitert, die neue müsse eine<br />
Kehrtwende einleiten. Das hatte sie zumindest<br />
vor: Im Koalitionsvertrag festgeschrieben<br />
war die Einführung einer Zuckersteuer<br />
für Erfrischungsgetränke und ein Verbot von<br />
an Kinder gerichteter Werbung für ungesunde<br />
Lebensmittel. Ersteres ist bereits gecancelt.<br />
Wie es mit dem zweiten Punkt weitergeht,<br />
bleibt abzuwarten. Bis dahin machen Melanie<br />
Gauch und ihre Kolleginnen und Kollegen<br />
weiter: In der dritten und vierten Klasse steht<br />
Medien- und Werbe-Erziehung auf dem Lehrplan.<br />
Immerhin.