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Eine erlösende Nachricht<br />

Im Oktober 2021 erregt die „BLB-Tourismus GmbH“<br />

Aufsehen mit folgender Mitteilung: „Es gibt endlich<br />

etwas zu feiern! Bad Berleburg ist der erste Premium-<br />

Wanderort in ganz Nordrhein-Westfalen. Damit steigt das<br />

Naturparadies in die Avantgarde des Wandertourismus auf.<br />

Deutschlandweit gibt es nur zwei weitere Destinationen,<br />

die das begehrte Qualitätszertifikat des Deutschen Wanderinstituts<br />

besitzen. Ein touristischer Meilenstein!“<br />

Das Wort „endlich“ in der Nachricht bekundet, dass<br />

man schon sehnsüchtig auf diese Auszeichnung gewartet<br />

hat. Dazu löst die Meldung nicht zuletzt wegen des bei<br />

Vielen unbekannten Begriffs „Premium-Wanderort“ Fragen<br />

aus. An späterer Stelle dieses Aufsatzes steht hierzu<br />

näheres. Darüber hinaus gilt es den Begriff „Destination“<br />

zu erläutern, der sicherlich ebenfalls nicht jedem geläufig<br />

sein dürfte. Im Tourismus bezeichnet man hiermit den geographischen<br />

Raum, der das Ziel einer Reise darstellt.<br />

Bad Berleburg –<br />

ein Wanderparadies<br />

Immer wieder kommt im „Wanderort“ der schon recht breite Ederfluss ins Blickfeld.<br />

Erkenntnisse eines Wanderreformators<br />

Im „geographischen Raum“ Bad Berleburg steht ganz<br />

am Anfang der Wittgensteiner Schieferpfad. Und seine Erschaffer<br />

– selbstverständlich! Unter der Bezeichnung „Anlegen<br />

eines Lehrpfads“ machen sich im Ortsteil Raumland<br />

um die Jahrtausendwende Schüler der Ludwig-zu-Sayn-<br />

Wittgenstein-Schule und ihr Lehrer daran, den Pfad herzustellen.<br />

Zwischendurch bemerkt: Bis heute bringt sich diese<br />

Schule mit vielfältigen Projekten an den Wanderwegen ein.<br />

Der „geistige Vater“ bei dem außergewöhnlichen Vorhaben<br />

ist der Wanderreformator Dr. Rainer Brämer aus Lohra<br />

bei Marburg. Dieser betätigt sich in den 80er und 90er Jahren<br />

als Wanderführer bei der Volkshochschule. Und er wundert<br />

sich, dass es immer weniger Teilnehmer bei seinen 30 oder 40<br />

Kilometer langen Touren gibt. Als Wissenschaftler beschließt<br />

er, der Sache auf den Grund zu gehen. Das Ergebnis seiner<br />

Untersuchung veröffentlicht der Natursoziologe im Jahr 1998.<br />

Seine „Profilstudie Wandern“ enthält überraschende Inhalte.<br />

Routen, die über Trampelpfade führen, ziehen viele Wandernde in ihren Bann.<br />

32 durchblick 1/<strong>2022</strong><br />

Foto: Archiv Weber Foto: Archiv Weber<br />

Die befragten Wanderer möchten nicht mehr – wie vielerorts<br />

in den Wandervereinen seit hundert Jahren praktiziert<br />

– ganztägige Wanderungen mitmachen. Stures Kilometerbolzen<br />

auf gut befestigten Wirtschaftswegen ist aus<br />

der Zeit fallend. Maximal fünf oder sechs Stunden werden<br />

von fast allen bevorzugt. Die Befragten suchen durch das<br />

Wandern Entspannung und Erholung. Wenn es dazu noch<br />

auf Trampelpfaden durch einen Wald oder über Wiesen<br />

geht und wenn man unterwegs schöne Ausblicke genießen<br />

kann, dann sind sie dabei.<br />

Dank dieser Erkenntnisse wird es für Rainer Brämer<br />

deutlich, dass Wanderwege den Wünschen der Nutzer<br />

entsprechen müssen. Er wird zum Reformator in puncto<br />

„Wandern“. Mit Thomas Weber hat er einen Gleichgesinnten<br />

kennen gelernt. Der Touristik-Chef im Schmallenberger<br />

Rathaus ist auf der Suche nach Mittel und Wegen, das<br />

Sauerland nicht nur im Winter, sondern auch im Sommer<br />

für Touristen attraktiv zu machen. Brämer rennt mit seiner<br />

Idee, auf dem Scheitel des Rothaargebirges einen Weitwanderweg<br />

ähnlich dem thüringischen Rennsteig anzulegen,<br />

eine offene Tür ein.<br />

Nach seiner Fertigstellung wird anno 2001 mit dem Rothaarsteig<br />

ein „Neuer Wanderweg“ mit einem hohen Pfadanteil,<br />

vielen Aussichten und einer optimalen Beschilderung<br />

eingeweiht. Bereits während dessen Entstehens bemüht sich<br />

Brämer bei allen am Rothaarsteig liegenden Kommunen,<br />

Mitstreiter zum Anlegen von Rundwanderwegen in der Nähe<br />

dieses Fernwanderwegs zu gewinnen. In Bad Berleburg fallen<br />

Brämers Anregungen auf fruchtbaren Boden. In der schon<br />

genannten Schule lässt sich einer der Pädagogen spontan für<br />

das Projekt begeistern. Und dessen Name ist Rüdiger Grebe.<br />

Der erste Rundwanderweg<br />

Wie der Dotzlarer preis gibt, liegt ihm das Wandern<br />

förmlich im Blut: „Schon von Kindesbeinen an war ich<br />

begeisterter (Querfeldein-) Wanderer und Radfahrer. Anfang<br />

der 90er Jahre fiel mir eine EU-Schrift in die Hand,<br />

die sich mit ,Neuem Wandern‘ in Wales beschäftigte. Die<br />

Rede war von verschlungenen Pfaden und abenteuerlichen<br />

Passagen. Das hat mich seinerzeit förmlich elektrisiert. Als<br />

der Wandersoziologe Rainer Brämer wenige Jahre später<br />

sein Konzept für den Rothaarsteig darlegte, öffnete sich<br />

eine Tür sperrangelweit. Brämer und ich entwickelten mit<br />

dem ‚Wittgensteiner Schieferpfad‘ den ersten Rundweg<br />

für das ‚Neue Wandern‘ in Deutschland. Uns beide einte<br />

eine Vision: Wandern ist ein Zukunftsmarkt.“<br />

Beim Anlegen des Schieferpfads motiviert Grebe neben<br />

den Schülern seiner Klasse Teilnehmer aus den Wahl-<br />

Pflichtfächern. Sie schneiden die Wege frei, holen längst<br />

vergessene Objekte wieder ans Tageslicht, fertigen Begrenzungszäune<br />

und eine Schutzhütte. Dazu legen sie alle<br />

Pfade abseits der Wirtschaftswege neu an.<br />

Als Wegzeichen dient eine stilisierte Fledermaus. Aus<br />

gutem Grund, denn das scheue Säugetier haust in großer<br />

Aus der Region<br />

Wanderreformator Dr. Rainer Brämer.<br />

Anzahl in den alten Stollen des Raumländer Flurstücks<br />

Hörre. Dies ist eines von sage und schreibe vier Naturschutzgebieten,<br />

durch die der knapp 14 Kilometer lange<br />

Rundweg führt. Nicht nur die Einheimischen bezeichnen<br />

wegen des Symbols den Pfad gerne als „Fledermausweg“.<br />

Eine offizielle Einweihung gibt es nach der Fertigstellung<br />

nicht. Stattdessen aber ist das Jahr 2005 als einer der Anfangsschritte<br />

zum „Meilenstein Premium-Wanderort“ zu<br />

nennen, denn seinerzeit wird dem Schieferpfad sein außergewöhnlich<br />

hohes Niveau als erstem „Premium-Wanderweg“<br />

in der gesamten Region bescheinigt.<br />

Als ich im durchblick Nr. 4/2014 über die erste meiner<br />

bisherigen drei Wanderungen auf dem Schieferpfad<br />

berichtet hatte, schrieb mir Dr. Rainer Brämer: „Vielen<br />

Dank für Ihren Beitrag zum Schieferpfad. Er hat mit seiner<br />

informationsreichen, lebendigen Darstellung richtig Appetit<br />

darauf gemacht, den Weg nach Jahren noch einmal zu<br />

begehen. Meine Frau (geboren in Kreuztal) ist ebenfalls<br />

angetan und vielleicht können wir ja auch Herrn Grebe<br />

gewinnen.“ Leider ist es aus diversen Gründen nicht zur<br />

gemeinsamen Wanderung gekommen.<br />

Ein „Siamesischer Zwilling“<br />

Was unter einem Premium-Wanderweg zu verstehen<br />

ist, lässt sich am besten mit der Verleihung einer TÜV-<br />

Plakette vergleichen. Ein Sachkundiger prüft den Weg<br />

und stellt fest, bis zu welchem Grad die 34 (!) für die Auszeichnung<br />

erforderlichen Kriterien erfüllt sind. Es<br />

1/<strong>2022</strong> durchblick 33<br />

Foto: Archiv Brämer

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