db-WEB 1-2022
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Von Feen und Fröschen<br />
Wer erklärt uns das Wetter<br />
Froggy, der kleine freche Wetterfrosch, war einige Jahre<br />
mein Liebling, der den Nutzern von Smartphones die<br />
Prognosen „to go“ auf dem kleinen Bildschirm servierte.<br />
Der grüne Frosch war immer dem Wetter entsprechend<br />
draußen unterwegs, er schwitzte unter der Sonne und ging<br />
baden. Bei Schmuddelwetter spazierte er mit Schirm durch<br />
die herbstlichen Wälder. Im Winter bibberte er im Schnee.<br />
Seit Corona trug auch mein Lieblingsfrosch auf seinen Spaziergängen<br />
plötzlich Maske. Doch mit meinem neuen Smartphone<br />
war der goldige Froggy plötzlich weg. Die Wetter-App<br />
war für mich uninteressant geworden. Ich musste also wieder<br />
selbst vor die Tür gehen und das Wetter checken. Oder wieder<br />
im Radio und Fernsehen den Berichten, so wie früher, folgen.<br />
Ihr Lachanfall ist Legende. Seit 1992 moderierte Maxi Biewer<br />
bei RTL das Wetter. Erst als Urlaubsvertretung. Dann wurden<br />
über 15.000 Wettervorhersagen daraus und die Wetterfee<br />
gewann die Herzen der Zuschauerinnen und Zuschauer. Weg<br />
vom oberlehrerhaften Dozieren mit Zeigestock und Tafel hin<br />
zur lockeren Information und zur Muntermacherin am frühen<br />
Morgen. Und bei ihr, der ersten Frau als Wettermoderatorin<br />
im deutschen Fernsehen, war immer gute Laune inklusiv. Als<br />
Schauspielerin arbeitete sie sich in das Thema ein. Denn meist<br />
waren nur studierte Meteorologen oder ausgebildete Nachrichtensprecher<br />
vor der Kamera. Eine Ausnahme war auch der<br />
österreichische Schauspieler und Moderator Elmar Gunsch<br />
in den 80-iger Jahren beim ZDF, der das Wochenendwetter<br />
präsentierte. Vor allem die Zuschauerinnen verzauberte er mit<br />
seiner sonoren, weichen Bassstimme – egal ob er Hundstage<br />
oder Schmuddelwetter ankündigte.<br />
Jörg Kachelmann, geboren im deutsch-schweizer Grenzgebiet<br />
entschied sich noch während seines Studiums der<br />
Meteorologie schnell für den Beruf als Journalist, später als<br />
Radio- und Fernsehmoderator.1989 errichtete er im Kanton<br />
St. Gallen eine eigene Wetterstation und gründete seine eigene<br />
Firma Meteomedia, die den Medien visuell aufbereitete<br />
Wetterdaten und Karten lieferte. Auch mit der ARD arbeitete<br />
er erfolgreich zusammen und seit 1994 präsentierte er<br />
nun selbst das Wetter. Mit seiner lässigen, coolen Art traf er<br />
den Geschmack seiner Zeit. Später moderierte er auch beim<br />
MDR die Talkshow „Riverboat“. Leider geriet der beliebte<br />
Wettermann 2010 in einen Vergewaltigungsskandal, der<br />
in den Medien hohe Wellen schlug und die Klatschspalten<br />
füllte. Er wurde freigesprochen, doch zog er sich erstmal<br />
aus der Öffentlichkeit weitgehend zurück. Sein flapsiger<br />
und unkonventioneller Stil ist aber unvergessen.<br />
Sogar Siegen bekam eine eigene Meteomedia Wetterstation,<br />
die 2003 persönlich von Jörg Kachelmann und Bürgermeister<br />
Stötzel eröffnet wurde. Willi Bürger, Lehrer an<br />
der Realschule am Oberen Schloss, ließ nicht locker: Mit<br />
einer Projektgruppe wollte er die Wetterstation an seine<br />
Graphik: Matthias Neuser<br />
Schule holen und betreuen. Er nahm viele Hürden und mit<br />
viel Sponsorengeldern wurde die Station schließlich eingerichtet.<br />
Kachelmann ließ es sich nicht nehmen, selbst eine<br />
Schulstunde zum Thema Wetter zu halten. Seitdem lieferte<br />
die Schule mit ihrem hohen Mast und den genormten Messgeräten<br />
Wetterdaten nach Berlin in die Zentrale und versorgte<br />
auch die Siegener Zeitungen mit den aktuellen Prognosen.<br />
1999 holte Kachelmann Donald Bäcker in sein Team, der<br />
von 1990 bis 97 die Wetterwarte in Neuruppin leitete. Eigentlich<br />
wollte Bäcker gar nicht vor die Kamera, doch bei<br />
Kachelmann lernte er das Handwerk des „Medienmeteorologen“.<br />
Seine Wetterprognosen werden bis heute im Morgenmagazin<br />
bei ARD gesendet. Interessanter als im Studio<br />
ist es natürlich, wenn der Wetterbericht draußen stattfindet:<br />
eine Spezialität von Donald Bäcker. Wenn ihm die Haare<br />
zu Berg stehen und der Sturm ihm fast das Mikro aus der<br />
Hand weht, etwa auf einem Leuchtturm an der Nordsee, ist<br />
er in seinem Element. Ob in den Alpen im tiefen Schnee, in<br />
Badehose im Schwimmbad oder im Elefantenhaus überall<br />
macht der sportliche Medienmeteorologe eine gute Figur.<br />
Seit 1999 hat Claudia Kleinert im 1. Programm und<br />
verschiedenen dritten Programmen viele Fans. Mal sexy in<br />
knallrot oder pink mit langen blonden Haaren, mal seriös im<br />
schwarzen Outfit mit hochgesteckten Haaren. Immer wird<br />
diese gut gelaunte Wetterfee auf dem Bildschirm gern gesehen.<br />
Perfekt sind ihre Gestik und Mimik, ihre positive Ausstrahlung,<br />
ihre angenehme Stimme. „Ein hübsches Gesicht<br />
reicht nicht“ schreibt sie in ihrem Buch „Unschlagbar Positiv“<br />
von 2016. Sie setzt sich mit der „Charisma-Formel“ auseinander<br />
und gibt Tipps, wie man erfolgreich kommuniziert. Und<br />
sie berichtet, wie es ihr geschickt gelungen ist, selbst Karriere<br />
zu machen. Inzwischen ist Kleinert ein viel gebuchter Coach<br />
in Sachen Karriere und Beruf. Gern wird sie auch als Moderatorin<br />
für Galas von Unternehmen gebucht. Doch sie hat auch<br />
eine andere Seite. Sie engagiert sich für Menschen mit Behinderung.<br />
2012 wurde ihr hierfür der Medienpreis BOBBY der<br />
Bundesvereinigung Lebenshilfe verliehen. Nicht mit Mitleid,<br />
sondern voller Respekt und Natürlichkeit sei ihr Umgang mit<br />
Menschen mit Behinderung. Ihr Bruder Stephan lebt mit einem<br />
Handicap und sie bewundert, wie kraftvoll er sein Leben<br />
meistert. Er begleitete sie zur Preisverleihung.<br />
Umwelt<br />
Cover me in Sunshine hieß ein Hit im oft verregneten<br />
Sommer 2021. Die Sehnsucht nach Sommer, Sonne und<br />
Strand bleibt auch in der kalten, nebligen und nassen Jahreszeit.<br />
Es ist die Zeit von Nebelschwaden, kalten Nächten<br />
und Dauerniesel. Macht uns das depressiv, verloren und<br />
melancholisch? Oder ist es für uns die Zeit des fröhlichen<br />
Mausgrau – frei nach Loriot – wo wir auf Weihnachten, den<br />
Jahreswechsel und ein gutes neues Jahr <strong>2022</strong> warten. Benjamin<br />
Stöwe, der Wettermoderator im ZDF, hatte wohl eher<br />
einen positiven, ironischen Blick, als er mit einem T-Shirt<br />
mit dem Caspar David Friedrich Motiv „Der Wanderer über<br />
dem Nebelmeer“ seine Sendung augenzwinkernd moderierte.<br />
Wer hat schon 30 verschiedene kitschige bis scheußliche<br />
Weihnachtspullover auf der Kleiderstange? Benjamin Stöwe.<br />
Im Advent überrascht er seine Zuschauer jeden Tag neu. Der<br />
Hammer war im Dezember ein Modell mit einem eingestickten<br />
Raumschiff. Am Tag vor Silvester zeigte er sich diesmal<br />
aber ganz korrekt im schwarzen Dreiteiler, Oberhemd, und<br />
froschgrüner Fliege. Stöwe, ein ausgebildeter Schauspieler,<br />
begeistert seine Zuschauer mit seiner lässig-coolen Art. Und<br />
bei ihm gibt es immer MOMA-Tassen für besonders gelungene<br />
Wetter-Fotos der Zuschauer zu gewinnen.<br />
Sven Plöger, ein Dipl. Meteorologe, ist ein weiterer Publikumsliebling.<br />
Unermüdlich erklärt er seinen Zuschauern<br />
möglichst anschaulich und mit einer Prise Humor Wetterphänomene.<br />
Er will uns immer wieder die Fachbegriffe<br />
der Meteorologie wie von Isobaren, Orkanen, Tornados,<br />
Zyklonen oder der Stratosphäre vermitteln. Manchmal<br />
sind spezielle Wetterdarstellungen wie etwa Strömungsfilme<br />
einfach nur schön anzusehen in blau grün und türkis<br />
– wie Kunstwerke. Natürlich lässt ihn die Klimakrise nicht<br />
kalt. Mit seinem Bestseller von 2020 „Zieht euch warm<br />
an, es wird heiß“ setzt er sich fundiert mit dem komplexen<br />
Thema Klimawandel auseinander und will einem breiten<br />
Publikum die Augen öffnen, was passiert, wenn wir nicht<br />
handeln. Einen „Vorgeschmack“ hat ja für Deutschland die<br />
Flutkatastrophe im Sommer 2021 an der Ahr oder auch am<br />
Königssee gegeben.<br />
Ob als App, im Radio, Fernsehen oder in der guten alten<br />
Zeitung – ohne Wettervorschau läuft gar nichts. Wir wüssten<br />
ja gar nicht, was wir anziehen sollen. Tessie Reeh<br />
Foto: Rita Petri<br />
Foto: Wikipedia Commons<br />
Foto: Patrice Venne<br />
Foto: Wikipedia Commons<br />
Der Wetterfrosch Willi Bürger schrieb viele Jahre<br />
Wetterberichte für die Siegener Presse.<br />
Claudia Kleinert, stets gut gelaunte Wetterfee im<br />
1. Programm und in verschiedenen 3. Programmen.<br />
Maxi Biewer moderiert seit über 25 Jahren auf symphatische<br />
Weise auch schlechtes Wetter beim RTL.<br />
Sven Plöger, Dipl. Meteorologe, der seinen Zuschauern<br />
Wetterphänomene mit Humor erklären kann.<br />
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1/<strong>2022</strong> durchblick 63