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Sport<br />

ungeschlagenen Ungarn der Höhepunkt der Trainer-Karriere<br />

von Sepp Herberger. In der Vorrunde hatte das Starensemble<br />

der Magyaren um Ferenc Puskás noch mit 8:3 gegen<br />

Deutschland gesiegt. Allerdings hatte der gewiefte Trainer-<br />

Fuchs Herberger an diesem Tag nur eine bessere B-Elf aufgestellt.<br />

Im WM-Finale, das bei Nieselregen am 4. Juli 1954<br />

im Berner Wankdorfstadion ausgetragen wurde, gelang Helmut<br />

Rahn nach einem 0:2-Rückstand bei typischem „Fritz-<br />

Walter-Wetter“ in der 84. Spielminute der 3:2-Siegtreffer.<br />

Der Trainer der Weltmeister-Elf wurde anschließend in<br />

Hohensachsen mit einem Fackelzug als neuer Ehrenbürger<br />

empfangen, wo er in der seitdem nach ihm umbenannten<br />

„Sepp-Herberger-Straße“ wohnte.<br />

Bei der WM 1958 in Schweden wurde der Titelverteidiger<br />

erst im Halbfinale vom Gastgeber Schweden mit 3:1 Toren<br />

gestoppt und belegte den vierten Platz. Dagegen kam bei<br />

der WM 1962 in Chile das Aus bereits im Viertelfinale gegen<br />

Jugoslawien. Herberger teilte 1963 seinen Rücktritt als<br />

Bundestrainer zum Saisonende 1963/64 mit. Vom deutschen<br />

Fußballpublikum verabschiedete er sich am 12. Mai 1964 in<br />

Hannover mit einem 2:2-Unentschieden gegen Schottland.<br />

Auf der Trainerbank hatte bereits sein Nachfolger Helmut<br />

Schön Platz genommen, der im Herbst 1938 unter Herberger<br />

sein erstes Länderspiel bestritten hatte. Herberger verabschiedete<br />

sich endgültig mit dem 4:1-Erfolg am 7. Juni in<br />

Helsinki gegen Finnland. Der Kreis hatte sich geschlossen:<br />

In Finnland hatte Herberger sein erstes Länderspiel als Nationalspieler<br />

absolviert und 43 Jahre später trat er dort nach<br />

162 von ihm betreuten Länderspielen als Bundestrainer ab.<br />

Am 30. April 1921 hatte Herberger Eva „Ev“ Müller geheiratet.<br />

Die Ehe, die kinderlos blieb, hielt bis zu seinem<br />

Tod. Sepp Herberger starb am 28. April 1977 in Mannheim.<br />

Sein Grab befindet sich auf dem Friedhof des Weinheimer<br />

Stadtteils Hohensachsen. Sein schräg gestelltes Autogramm<br />

„Seppl Herberger“ ziert dort die schwarze Marmorplatte.<br />

Im Beisein des Altbundestrainers war an seinem 80. Geburtstag<br />

in Mannheim die „DFB-Stiftung Sepp Herberger“<br />

gegründet und ihm zu Ehren ein Sonderstempel der Deutschen<br />

Bundespost herausgegeben worden. Mit der Zeit sind<br />

viele von Herbergers Binsenweisheiten („Der Ball ist rund“,<br />

„Das Spiel dauert<br />

90 Minuten“,<br />

„Das nächste<br />

Spiel ist immer<br />

das schwerste“<br />

oder „Nach<br />

dem Spiel ist<br />

vor dem Spiel“)<br />

zu geflügelten<br />

Worten der Fußballersprache<br />

geworden. Im<br />

2003 entstandenen<br />

Spielfilm<br />

„Das Wunder<br />

von Bern“ wird<br />

auch Herbergers<br />

bedeutendste<br />

Lebensleistung<br />

gewürdigt. Viele<br />

betrachten<br />

den 4. Juli 1954<br />

als eigentliches<br />

Gründungsdatum<br />

der 1949<br />

entstandenen<br />

Bundesrepublik<br />

Deutschland und als wichtigen Beitrag zur Entwicklung des<br />

am Boden liegenden nationalen Selbstwertgefühls hin zu einem<br />

neuen „Wir-sind-wieder-wer“. 2018 erfolgte Sepp Herbergers<br />

Aufnahme in die erste Elf der „Hall of Fame“ des<br />

Deutschen Fußballmuseums in Dortmund, wo im Juli 2019<br />

die Sonderausstellung „Post vom Chef – Herbergers Briefe<br />

an die Weltmeister“ eröffnet wurde.<br />

<br />

Sonderstempel zum 80., Sonderbriefmarken<br />

zum 100. und 125. Geburtstag<br />

von Sepp Herberger. (v. oben)<br />

Wilfried Lerchstein<br />

Literaturquellen: Fritz Walter: Der Chef – Sepp Herberger, 1964. Karl H Schwarz-<br />

Pich: Der Ball ist rund: Eine Seppl-Herberger-Biographie, 1996. Jürgen Leinemann:<br />

Sepp Herberger – Ein Leben, eine Legende, 2004. Manuel Neukirchner (Hrsg.): Post<br />

vom Chef – Briefe von Sepp Herberger an seine Spieler, 2019.<br />

URL: https://de.wikipedia.org/wiki/Sepp_Herberger (aufgerufen am 16.12.2021)<br />

Kommentar<br />

Rente<br />

Die Bundesregierung unter Kanzler Konrad Adenauer<br />

beschloss 1957 eine Rentenreform und Ludwig<br />

Erhard, stellvertretender Kanzler, versprach<br />

„Wohlstand für Alle“. Der durchschnittliche Deutsche war<br />

damals ziemlich arm dran: lange Arbeitszeiten – oft verbunden<br />

mit körperlicher Schwerstarbeit und geringer Entlohnung<br />

– verkürzten die Lebenserwartung.<br />

Obwohl die Altersgrenze bereits erfunden war, schien<br />

mit der Bezeichnung „Generationenvertrag“ eine neue Ära<br />

angebrochen zu sein. Nebenbei traf es sich gut, dass ab<br />

1957, die im Ersten Weltkrieg millionenfach dezimierten<br />

Geburtsjahrgänge 1892/93 in Rente gingen. Außerdem trugen<br />

die in großer Zahl angeworbenen „Gastarbeiter“ zur<br />

Auffüllung der Rentenkassen bei (was zahlreiche Ausnahmeregelungen<br />

ermöglichte, z.B. für Beamte und Selbstständige).<br />

Ergebnis: Im Oktober 1957 erlangten die Unionsparteien<br />

mit 50,2 Prozent der Wählerstimmen das beste<br />

Ergebnis in der Geschichte der Bundesrepublik.<br />

In den folgenden Jahrzehnten hatte die Gruppe der berufstätigen<br />

Deutschen immer nur eine sehr überschaubare<br />

Zahl Kinder zu versorgen. Gleichzeitig nahm die Lebenserwartung<br />

zu und im Gleichschritt damit die Gruppe der<br />

Rentenberechtigten. Wer 1957 als 65-Jähriger in Rente<br />

ging, konnte durchschnittlich noch mit neun weiteren Lebensjahren<br />

rechnen. Seine Nachkommen, die <strong>2022</strong> in Rente<br />

gehen, können sich auf 17 bis 18 weitere Lebensjahre<br />

freuen. Obwohl das Renteneintrittsalter schrittweise auf 67<br />

Jahre erhöht wird, hat der heutige Rentner im Vergleich<br />

mit seinen Großeltern eine um sechs bis sieben Jahre längere<br />

Lebens- und Rentenerwartung.<br />

Frühere Regierungen wurden an ihren Erfolgen gegen<br />

die Arbeitslosigkeit gemessen. Aber im Jahr <strong>2022</strong> fehlen<br />

nicht Jobs, sondern Arbeiter. Von denen hängt die Exportfähigkeit<br />

unseres Landes ab. Es wurde gewissermaßen zu<br />

einem „Exportjunkie“. Dementsprechend bedeuten weniger<br />

Arbeitskräfte weniger Wohlstand, und viele Menschen<br />

befürchten für ihr Alter einen Wohlstandsverlust. Um den<br />

zu vermeiden, muss ein neuer<br />

Generationenvertrag vereinbart<br />

und durchgesetzt werden.<br />

Dabei kann und darf es nicht<br />

(nur) um die Rentenhöhe und<br />

das Eintrittsalter gehen, sondern<br />

um die Entwicklung, die<br />

Ermöglichung eines selbstbestimmten,<br />

mitverantwortlichen<br />

Lebensstils für die nachberuflichenLebenszeit.<br />

Diese Aufgabe<br />

ist Politikern nicht zuzumuten,<br />

denn damit lassen sich keine<br />

Wählerstimmen gewinnen. •<br />

Erich Kerkhoff<br />

68 durchblick 1/<strong>2022</strong><br />

1/<strong>2022</strong> durchblick 69

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