21.02.2022 Aufrufe

db-WEB 1-2022

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Zum Teufel mit dem Wetter<br />

Foto: Wikimedia Commons<br />

Es gibt viele Wetterregeln, trotzdem lässt sich kein<br />

Wetter regeln! (E. H. Bellermann). Sieht man mal<br />

von der modernen Floskel wie geht es ab, mit der<br />

Mensch im fortgeschrittenen Alter gleich beim Thema<br />

Krankheiten ist, sind Äußerungen zum Wetter wohl ein<br />

ebenso häufig genutzter, nicht seltener Einstieg in zwanglose<br />

Gespräche. Dass das Wetter nicht immer allen gefällt,<br />

ist keine neue Weisheit. Dem Sommerfrischler ist es zu<br />

heiß, dem Landwirt ist es zu trocken, freuen sich Naturliebhaber<br />

über den Regen, ist es dem Wanderer vielleicht<br />

viel zu feucht. Dem Stubenhocker ist es zu kalt, den Wintersportler<br />

nicht kalt genug (usw.). Also: Auf die Einstellung<br />

kommt es an; wie sagte doch schon Wilhelm Busch:<br />

„Dauerhaftem schlechtem Wetter<br />

mußt du mit Geduld begegnen,<br />

mach es wie die Schöppenstedter:<br />

regnet es, so laß es regnen.“<br />

Und John Ruskin findet. Sonnenschein ist köstlich,<br />

Regen erfrischend, Wind fordert heraus, Schnee macht<br />

fröhlich; im Grunde gibt es kein schlechtes Wetter nur<br />

verschiedene Arten von gutem Wetter“ (Wikipedia). Und<br />

doch bestätigt sich das Sprichwort eines unbekannten Verfassers.<br />

Ob Sonnenschein, ob Regen, wir sind dagegen.<br />

Wobei wir bei E. Ellinger sind, der feststellt: Der Teufel<br />

soll sie holen, die Wetterkapriolen. Doch was hat der Teufel<br />

damit zu tun?<br />

Dass schlechtes Wetter eine Teufelsangelegenheit ist,<br />

gehörte zum festen Glauben der Menschen im Mittelalter.<br />

Als der HERR die Geduld mit seinen Geschöpfen verlor,<br />

beschloss er, sie zu ersäufen! `Alles was auff Erden ist sol<br />

untergehen`, so drückte Luther es in seiner Übersetzung<br />

des 1. Buch Mose aus. Wasser und Wetter bringen Not über<br />

die Menschen, seit Kain ein Ackermann geworden ist und<br />

seinen Bruder, den Hirten Abel, erschlagen hat, schreibt<br />

Bruno Preisendörfer. 1<br />

In der Lutherzeit, also zu Beginn des 16. Jahrhunderts,<br />

so berichtet er weiter, stand den Bauern in vielen Jahren<br />

das Wasser bis zum Hals, in anderen Jahren wiederum<br />

verdorrte ihnen die Frucht am Halm, und die Erde zeigte<br />

Risse vor Trockenheit.<br />

Im März 1510 2 herrschten Frost, Schnee und Regen,<br />

dass kaum Sommerfrüchte gewachsen sind und eine große<br />

Teuerung einsetzte. 1514 konnten in vielen deutschen Gegenden<br />

die Mühlen wegen der Vereisung der Flüsse und<br />

im Sommer desselben Jahres wegen ihrer Austrocknung<br />

nicht arbeiten. Im März und April 1517, also im Frühling,<br />

herrschten nach einem strengen Winter in Süd- und Westdeutschland<br />

nahezu sommerliche Temperaturen, Klimaforscher<br />

sprachen von einem der trockensten Monate des Jahrhunderts.<br />

Im Hochsommer des gleichen Jahres wiederum<br />

brachen langandauernde Regenfälle über das ausgedörrte<br />

Land herein, bis im September eine neue Trockenheit einsetzte.<br />

1521 gab es den wärmsten Winter des Jahrhunderts.<br />

Im Februar haben die Kirschen geblüht. Und Ostern war<br />

es kälter als zu Weihnachten und es schneite mehr als im<br />

ganzen Winter. Und im folgenden Jahr war der Winter dagegen<br />

kalt und trocken, der Main fror von Mitte Januar bis<br />

Anfang März zu, im Februar rührte sich der Vater Rhein<br />

bei Köln vor Frost nicht mehr von der Stelle. 1524 hagelte<br />

es bei Schaffhausen so stark, dass Eiskörner, Hühnerei<br />

groß, Korn und Wein vernichtet und Häuser und Fenster<br />

zerschlagen haben. Im folgenden Jahr 1525 lag morgens<br />

Schnee um die Festung Marienberg über Würzburg. Mitte<br />

September 1527 fiel in fränkischen und österreichischen<br />

Gebieten wegen starken Frosteinbruchs die Ernte aus. Im<br />

Sommer des Jahres 1529 war es in ganz Mitteleuropa nass<br />

und kalt, überall traten die Flüsse über die Ufer. Fünf Jahre<br />

später, im Jahr 1534 folgte auf einen kalten Winter, in dem<br />

die Flüsse zufroren, ein extrem heißer Sommer, der z.B.<br />

die Oder in ein Rinnsal verwandelte. Auch 1538 beklagte<br />

man in Wittenberg über eine extreme Dürre. Aus der Reihe<br />

dieser auffälligen Wetterereignisse sticht das Jahr 1540 auf<br />

dramatische Weise hervor. Der Rhein wurde an manchen<br />

Stellen so seicht, dass man ihn durchwaten konnte. Die<br />

Weiden trockneten aus und das Vieh verendete, schreibt<br />

Preisendörfer.<br />

Verhextes Wetter<br />

Für die außergewöhnliche Trockenheit oder Regenzeit<br />

suchten die Menschen seinerzeit – wie schon bei der Pest<br />

– nach einer Erklärung. Die einen sahen darin eine Strafe<br />

Gottes, anderen kam es eher wie Teufelswerk vor. Für<br />

Letzteres musste jemand verantwortlich sein, der mit dem<br />

Teufel buhlt. Die Richter des Amtes Augustusburg/Schellberg<br />

schickten im Jahre 1529 eine ältere Frau wegen Wetterzaubers<br />

auf den Scheiterhaufen. Dass jemand mit dem<br />

Teufel im Bunde steht, glaubte auch der Landvogt von<br />

Wittenberg, ging auf Suche und wurde fündig. Er ließ im<br />

Dürrejahr 1540 die Herumtreiberin, in Wirklichkeit eine<br />

wehr- und schutzlose Außenseiterin, mit Namen Prista<br />

Frühbottin verhaften. Man warf ihr vor, Vieh vergiftet und<br />

Wetter gemacht zu haben und schickte sie zur Hölle, in<br />

dem sie am Pfahl geröstet (also als Hexe verbrannt) wurde.<br />

Dem damaligen Wissensstand und Zeitgeist entsprechend<br />

war für außergewöhnliche Ereignisse oft schnell<br />

eine Lösung gefunden: Schuld waren Hexen (nicht nur<br />

Frauen, auch Männern wurde Hexerei vorgeworfen; und<br />

manchmal wurden Menschen als Hexen verurteilt, weil sie<br />

gute Erblasser waren).<br />

Den Hexen war alles zuzutrauen. Dem Hexenglauben<br />

unterlagen in jener Zeit nicht nur Grafen und Fürsten<br />

sowie Fürstbischöfe und andere bedeutende Persönlichkeiten;<br />

selbst Martin Luther glaubte an Hexen und<br />

Teufel und die protestantische Konkurrenz am Genfer<br />

See (Calvin) blies heftig ins Feuer, ist bei Preisendörfer<br />

zu lesen.<br />

Dass man die Frühbottin zu Unrecht verbrannt hatte,<br />

zeigte sich in den Folgejahren. Trotz ihres Todesopfers<br />

folgten in den Jahren 1572 bis 1573 Dürre und Hungersnot<br />

und vier Jahre später setzte im Sommer Hochwasser ein,<br />

so dass Menschen und Tiere zu Tode kamen.<br />

Schon im Jahre 1571 wurde in Schlesien über Steuererleichterung<br />

beraten, weil diß Land mit „großen Mißwachs/<br />

Wassernöthen und anderen Beschwerungen/Hunger/Armut/Absterbung<br />

der Schaff/Rindt und allerlei Viehes beladen<br />

und dem Lande auch alle Nahrung und Gewerb enfellet,<br />

schreibt Conrads. 3<br />

Im Jahre 1587 mussten in Schlesien die Schnitter bei<br />

der Ernte Pelze anziehen, so dass die kommenden Jahre<br />

Notzeiten wurden. Kürzere Sommer und übermäßige Nässe<br />

beeinträchtigten die Ernteerfolge doppelt. Besonders<br />

hart waren auch die Jahre 1602/1603 und 1607/1608. 2 So<br />

war es die Jahrhunderte hindurch.<br />

Der ungerechtfertigte Tod der Frühbottin hat aber wohl<br />

keinen mehr gerührt. Geschehen ist geschehen!<br />

<br />

58 durchblick 1/<strong>2022</strong>

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!