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db-WEB 1-2022

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Erinnerungen<br />

Die Zeit mit Molly<br />

von Elisabeth Hanz<br />

Buchbesprechung<br />

Ohne Vollmacht keine Befugnis<br />

Ratgeber hilft, die eigenen Angelegenheiten zu regeln<br />

Leider weiß ich nicht woher sie gekommen, noch wann<br />

sie wieder gegangen ist. Sie stand ganz einfach an einem<br />

Sommerabend in unserer großen Küche. Die Reaktion<br />

meiner Mutter kann ich nicht mehr genau beschreiben,<br />

weiß nur, dass sie sagte: „Aber Joseph, was soll der Unsinn<br />

denn nun wieder?“<br />

Mein Mann hatte sich aus einem Karton alte Photos angesehen.<br />

Er kam zu mir und fragte mich: „Hattet Ihr früher<br />

denn ein Schaf?“ Da sah ich ganz deutlich, wie aus einem<br />

alten Film die Bilder noch einmal an mir vorüberliefen.<br />

Was hatte Vater eigentlich mit dem Schaf vor, sollte es geschlachtet<br />

werden, war es ein Milchschaf oder vielleicht<br />

der Wolle wegen? Er sagte zu uns, wir haben alle keine<br />

warmen, eigentlich überhaupt keine Strümpfe mehr. Außerdem,<br />

was das Schlachten anbetraf, so etwas konnte ich<br />

mir in unserem Hause kaum vorstellen. So sagte mein Vater:<br />

„Maria, du bist so geschickt als Schneiderin, du lernst<br />

das Spinnen und ein Spinnrad ist für dich in Arbeit“. Das<br />

Spinnrad existiert noch heute.<br />

Inzwischen hatten sich Tante Christine und Onkel Hubert,<br />

die bei uns im Hause wohnten, eingefunden. Sie stammten<br />

beide von einem Bauernhof und halfen mit ihrem Rat. Unterkunft<br />

wurde im Keller in einem leer stehenden Raum geschaffen.<br />

Später, als der Krieg zu Ende ging, wurde dieser<br />

Raum genutzt, um Soldaten für eine oder zwei Nächte auf<br />

der Flucht zu helfen. Ob sie mit dem Schaf den Raum teilten,<br />

das entzieht sich heute meinem Erinnerungsvermögen, wie<br />

auch so viele andere Details.<br />

Wie sollte das Schaf ernährt werden? Die kleine Wiese vor<br />

unserem Hause reichte nicht für das Futter. In dem großen Garten<br />

nutzten wir jeden Quadratmeter für Gemüse- und Kartoffelanbau.<br />

Wir brauchten diese Naturalien selbst dringend zum<br />

Lebensunterhalt. „Natürlich Elisabeth, Du hütest das Schaf auf<br />

der Strübecke“. Oh je, ich hatte doch Angst vor den kleinsten<br />

Tierchen! Molly war ein großes stattliches Tier. Sie hatte keine<br />

Angst vor mir und wurde gleich sehr zutraulich. Der nächste<br />

Autorinnenfoto<br />

Tag. Ich nahm mir einen dicken Roman, dachte, jetzt kannst<br />

du lesen ohne immer zu anderen Aufgaben aufgefordert zu<br />

werden. Da ich Angst hatte, ging Nachbarin Regina mit, die<br />

einen besseren Vorschlag wusste. Auf der Strübecke war die<br />

Flak (Flugabwehr) stationiert. Ganz in der Nähe platzierten<br />

wir uns. Wir waren jung und fanden das alles sehr aufregend.<br />

Jeden Morgen kam der Ziegenhirt, um die Ziegen für einen<br />

Tag einzusammeln und zu hüten. Mir kam die Blitzidee<br />

,Molly da auch unterzubringen. Nichts zu machen. Auch der<br />

Ziegenhirt selbst schaffte es nicht. Molly, ansonsten sprichwörtlich<br />

lammfromm, gebärdete sich plötzlich wie eine alte<br />

störrische Eselin. Da dachte ich, mach das Beste daraus. So<br />

konnte ich in aller Ruhe meinem Hobby frönen und lesen<br />

,ohne gestört zu werden. Meine Schulkameradinnen, Freunde<br />

und Nachbarn hatten sich dieses große Plateau erwählt, damit<br />

ich nicht so alleine war. Im November wurde mein kleiner<br />

Bruder geboren. Zuviel wurde es mir dann, wenn ich außer<br />

Molly zu hüten auch noch Babysitterin sein sollte. Oft ist das<br />

gewiss nicht passiert. Und bestimmt nur bis besorgte Nachbarn<br />

beobachteten, wie Kinderwagen oder Molly einfach an<br />

einen Baum oder an der Leine angebunden wurden, wenn sie<br />

uns zu sehr bei dem Spielen störten.<br />

Nun rückte die Schulentlassung näher. Land- oder Pflichtjahr<br />

hieß es nun. Die jungen Mädchen mussten zu Bauern<br />

oder in kinderreiche Familien, wo dringend Hilfe gebraucht<br />

wurde. Väter und Söhne waren ja an der Front.<br />

Meine Mutter kränkelte damals, hatte ein Kleinkind zu versorgen<br />

und meine 6-jährige Schwester Agnes. Mein 17-jähriger<br />

Bruder war mit Kriegsabitur an die Front geschickt. Da<br />

war klar, dass ich in der eigenen Familie bleiben musste. Was<br />

zählte damals eine Ausbildung? Es ging nur um das nackte<br />

Überleben. Molly blieb ich somit weiterhin erhalten. Apropos<br />

Ausbildung. Eine Ursulinen-Schwester gab damals Englisch<br />

und Molly musste sich dann die Vokabeln anhören.<br />

Der Krieg ging zu Ende. Viele Familien hatten Vater, Sohn<br />

oder Bruder verloren. Auch wir hatten lange nichts von meinem<br />

Bruder gehört. An dem Tag, den ich niemals vergesse,<br />

war ich mit Molly auf dem Saal. So hieß das Hochplateau, wo<br />

es einen Fußballplatz gab. Natürlich spielten wir Mädchen<br />

auch Fußball. Rita aus unserer Strasse kommt den Berg hochgehechelt<br />

und ruft: „Euer Willi ist gekommen“. Ich vergesse<br />

Molly und renne den Wald herunter. Rita nimmt sich das Seil<br />

von Molly, aber die gebärdet sich rasend. In hohen Bocksprüngen<br />

eilt das sonst sehr geduldige Schaf hinter mir her. Rita lag<br />

dabei auf dem Boden und war Gott sei Dank unverletzt.<br />

Es war ein unvergessenes Wiedersehen mit Gefühlen, die<br />

man nicht beschreiben kann. Meine Eltern weinten. Molly hatte<br />

instinktiv gespürt, dass etwas besonderes im Gange war.<br />

Erinnerungen an den Tag, als Molly verschwand, habe<br />

ich nicht. Gewiss wollten meine Eltern mir das Schlimmste<br />

ersparen. Erstmals erschienen im durchblick 3-2005<br />

Was passiert eigentlich, wenn<br />

ein Angehöriger nicht mehr<br />

in der Lage ist, Entscheidungen<br />

zu treffen? Wer darf fällige<br />

Rechnungen überweisen, das Paket in<br />

der Postfiliale abholen oder Versicherungsangelegenheiten<br />

regeln?<br />

Die Beispiele zeigen, dass diese<br />

Frage nicht nur im medizinischen Bereich,<br />

sondern auch im Alltag schnell<br />

relevant werden kann. Um festzulegen,<br />

wer rechtliche und finanzielle Angelegenheiten<br />

im Ernstfall übernehmen<br />

soll, ist eine Vorsorgevollmacht empfehlenswert.<br />

Denn automatisch dürfen<br />

Ehepartner, Lebenspartner, Eltern<br />

oder Kinder nicht für Betroffene entscheiden,.<br />

Der Ratgeber der Verbraucherzentrale<br />

„Das Vorsorge-Han<strong>db</strong>uch“ bietet<br />

Unterstützung und hilft dabei, die persönlichen<br />

Wünsche im Vorfeld festzulegen<br />

und somit klare Regelungen für sich<br />

und Angehörige zu treffen.<br />

Der erste Teil des Buchs erläutert,<br />

was welches Dokument genau regelt<br />

und warum man es überhaupt braucht.<br />

Der zweite Teil bietet Musterbeispiele,<br />

rechtssichere Textbausteine und Formulare<br />

zum Ankreuzen und Abheften.<br />

Auch das Wichtigste zum Erbrecht und<br />

wie ein Testament errichtet wird, zeigt<br />

der Ratgeber mitsamt Mustertestamenten.<br />

Die Auswahl an Formulierungsvorschlägen<br />

lässt Spielraum, um individuelle<br />

Wünsche festzuhalten. <strong>db</strong><br />

Nachlass rechtzeitig regeln<br />

Praktische Tipps und Beispiele fürs Testament<br />

Das eigene Testament zu schreiben<br />

– das wartet auf vielen Todo-Listen<br />

noch auf Erledigung.<br />

Nicht einmal jeder fünfte Deutsche hat<br />

eines aufgesetzt. Dabei ist es eigentlich<br />

gar nicht so kompliziert selbst zu<br />

bestimmen, wie das eigene Vermögen<br />

nach dem Tod verteilt werden soll.<br />

Wer ein paar Grundregeln kennt,<br />

kann nicht nur den Nachlass nach eigenem<br />

Willen weitergeben, sondern<br />

auch Auseinandersetzungen unter den<br />

Erben vermeiden. Brauche ich einen<br />

Notar? Wo bewahre ich das Dokument<br />

auf? Welche Angehörigen haben Anspruch<br />

auf den Pflichtteil? Formulierungsbeispiele<br />

helfen, typische Fehler<br />

zu vermeiden und das Dokument korrekt<br />

und rechtssicher zu verfassen.<br />

Die Entscheidung, wem man was<br />

vererben möchte, kann einem niemand<br />

abnehmen. Zudem ist jede Situation<br />

individuell verschieden. Etwa, wenn<br />

Eheleute ein gemeinschaftliches Testament<br />

errichten wollen oder besondere<br />

Lebensumstände berücksichtigt werden<br />

müssen, weil die gesetzlichen Erben<br />

verschuldet sind, pflegebedürftige<br />

Personen oder minderjährige Kinder<br />

versorgt werden müssen. Der Ratgeber<br />

behandelt die wichtigsten Schwerpunktthemen,<br />

bietet Checklisten und Mustertestamente<br />

und erläutert auch was passiert,<br />

wenn kein Testament vorliegt. <strong>db</strong><br />

200 Seiten und kosten 14,90 Euro.<br />

Bestellmöglichkeiten:<br />

Im Buchhandel, Online unter<br />

www.ratgeber-verbraucherzentrale.de<br />

oder telef. unter: 0211 / 38 09-555<br />

224 Seiten und kosten 14,90 Euro.<br />

Bestellmöglichkeiten:<br />

Im Buchhandel, Online unter<br />

www.ratgeber-verbraucherzentrale.de<br />

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