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Flensburg Journal - 241 Oktober 2022

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MITTENDRIN Generation

50 plus

„Es war einmal … “

Ein Märchen? – Es war einmal …

So fangen gewöhnlich Märchen an,

manchmal auch Träume. So auch diese

Geschichte:

Es war einmal ein junger Flensburger Supermarkt

im Jahre 2022, der unbedingt

eine Zeitreise in die Vergangenheit machen

wollte, gern in die Zeit kurz nach

dem Ende des Zweiten Weltkriegs, ins

Jahr 1947 – also genau 75 Jahre zurück.

Warum? Es interessierte ihn brennend,

wie es wohl damals in seinem Viertel

auf dem Friesischen Berg in einem typischen

Supermarkt ausgesehen hat, wie

das Warenangebot war und so weiter.

Wie es in einem klassischen Märchen

üblich ist, erhörte ihn eine gute Fee und

erfüllte ihm prompt seinen geäußerten

Wunsch.

So verließ der junge Supermarkt seinen

wohltemperierten, hell erleuchteten

und großzügig angelegten Laden in

der oberen Mathildenstraße im Februar

des Jahres 2022, er trat hinaus in den

dunklen und nasskalten Morgen eines

Februartages des Jahres 1947. Das Kopfsteinpflaster

glänzte im Mondschein.

Eine Straßenbeleuchtung gab es nicht:

Er stolperte die abschüssige Straße hinunter.

An der Ecke einer Seitenstraße

schien es einen kleinen Laden zu geben.

Schemenhaft erkannte er einige vermummte

und gebückte, sich langsam

vorwärts bewegende Frauengestalten.

Nein, das konnte nicht sein Ziel sein –

also ging es weiter die Straße bergab in

Richtung Friesische Straße!

Klapp. Klapp. Klapp … das typische Geräusch

von Pferdehufen? Von rechts kam

tatsächlich ein Pferdegespann auf ihn

zu, auf dem Leiterwagen befanden sich

einige große silbrige Kannen mit ebensolchem

Deckel. Zwei Gäule zogen den

Wagen. Der Kutscher stoppte, sprang ab

und wuchtete zwei dieser Kannen runter,

stellte sie an einen Zaun. Der junge

Supermarkt nahm seinen Mut zusammen

und fragte den Kutscher: „Wo kann ich

in dieser Gegend hier etwas einkaufen?“

„Du hast Glück“, antwortete ihm der

Kutscher. „Heute ist Markttag, du

kannst mitfahren: Los, steig‘ einfach

auf!“ Gesagt, getan!

Am Fuße des Abhangs linker Hand standen

einige Holztische, eher einfach

gezimmerte Brettergestelle: kein hell

beleuchteter zum Verkaufsstand umgebauter

Wohnwagen mit roten käsegefüllten

Paprika, grünen und schwarzen

Oliven, Roquefort-Käse aus Frankreich

oder Feta-Käse aus Griechenland. Überhaupt

sah er keine Farben: Es leuchteten

weder Orangen noch Zitronen, oder

rote, grüne oder gelbe Paprika – oder

gar Auberginen. Überhaupt gab es kaum

Beleuchtung. Die einzigen Lichtquellen:

An den Pfählen baumelten alte Stalllaternen

„funzelig“ im Wind. Die Händler

schlugen ihre mit Fäustlingen bekleideten

Hände um die Schultern, um überhaupt

etwas Wärme zu erzeugen.

Der Kutscher hatte gleich nach dem Halt

seinen Pferden Futtersäcke an Bändern

über die Ohren passgenau vor die Mäuler

gehängt: Sie muffelten jetzt zufrieden

vor sich hin.

Der junge Supermarkt sah sich das Warenangebot

des Winters 1947 mit großen

Augen an: Weißkohl, Rotkohl, Grünkohl

…! Zwiebeln, einige Sandmöhren

aus der Miete, etwas Porree und zwei

Sorten Kartoffeln, in einer Holzschale

lose Haselnüsse, daneben in einem Glas

Backpflaumen – wohl übriggeblieben

vom letzten Weihnachtsfest. An einem

Stand roch es säuerlich. Tatsächlich:

In einem Holzkübel lagen in Essig und

Zwiebeln eingelegte Heringe, sogar

Rollmöpse und kleine Gurken gab es

dort zu sehen. Er fragte den Verkäufer

nach frischen Eiern. „Zwei kannst du

haben, die Hühner legen im Winter einfach

nicht mehr!“

Und Fleisch? „Versuch es mal am

Schlachthof im Norden, hinter der Werft

… vielleicht hast du ja Glück! … und

Brot gibt es beim Bäcker!“

Der Supermarkt nahm die zwei frischen

Eier und dazu noch zwei angebotene

Soleier. Der Händler nahm ihn dann beiseite

und flüsterte ihm leise zu: „Pssst:

Butter, Kaffee und Zigaretten gibt’s

gleich links oben auf dem Schwarzmarkt,

direkt neben der Kirchentür!“

Der Wunsch des jungen Supermarktes

zerplatzte plötzlich wie eine

Seifenblase: Sooo hatte er sich

wohl die Zeitreise in die Vergangenheit

nicht vorgestellt!

Doch ein Gutes hat dieser Trip

in die Vergangenheit bewirkt:

Er sieht die heutige Auslage in

seinem wohltemperierten, hell

erleuchteten und großzügig

angelegten Laden im Februar

des Jahres 2022 ab sofort mit

ganz anderen Augen, weiß die

Vielfalt der Angebote und das

dazugehörige Ambiente wieder

richtig wertzuschätzen!

Und so nimmt er es eben nicht

für selbstverständlich, dass einer

Kundin der Wunsch, eine

125g-Schale Blaubeeren zu kaufen,

natürlich umgehend erfüllt

werden kann. Wobei er demnächst

hinterfragen möchte,

warum die Blaubeeren in einer

Plastikschale angeboten werden

und zudem noch aus dem

Herkunftsland Peru stammen,

also um die halbe Welt geflogen

und transportiert werden mussten,

um im heimischen Flensburg

unter die Leute gebracht

werden zu können …

Text: Ingeborg Asmußen-Müller,

unter Mithilfe von

Peter Feuerschütz

Individuelle Einzelführungen jederzeit vereinbar

Informationen unter:

Telefon: (04631) 40 91 39 2

Mobil: 0151-28 26 93 01

E-Mail: schmidtdieter301@outlook.de

Internet: www.ruheforst-gluecksburg.de

46 FLENSBURG JOURNAL • 10/2022

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