vsao Journal Nr. 5 - Oktober 2022
Form - Rechnen, fliegen, gestalten Politik - Gesperrte Betten – Handeln tut not Diabetes - Neue Therapieformen Vitamine/Mineralstoffe - Ernährung bei Diabetes mellitus
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Politik - Gesperrte Betten – Handeln tut not
Diabetes - Neue Therapieformen
Vitamine/Mineralstoffe - Ernährung bei Diabetes mellitus
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Perspektiven<br />
Aus der «Therapeutischen Umschau»* – Übersichtsarbeit<br />
Update:<br />
Neue Therapieformen des<br />
Diabetes mellitus Typ 2<br />
Stefan Fischli, Abteilung für Endokrinologie, Diabetologie und klinische Ernährung, Kantonsspital Luzern<br />
Die Behandlung des Diabetes<br />
mellitus Typ 2 hat in den<br />
letzten Jahren fundamentale<br />
Neuerungen erfahren: Schritt <br />
weise haben sich antidiabetische Medikamente<br />
mit neuen Wirkprinzipien etabliert.<br />
Diese Stoffklassen haben den Vorteil,<br />
dass sie frei von den «üblichen»<br />
Nebenwirkungen antidiabetischer Medikamente<br />
wie Hypoglykämie oder Gewichtszunahme<br />
sind. Eines der wichtigsten<br />
Charakteristika der neuen Antidiabetika<br />
wie GLP-1-Rezeptoragonisten oder<br />
SGLT-2-Hemmer ist ihr positiver Einfluss<br />
auf die kardiovaskuläre Morbidität und<br />
Mortalität sowie auf assoziierte diabetische<br />
Komorbiditäten (z. B. Nephropathie).<br />
Diese Erkenntnisse stützen sich auf inzwischen<br />
zahlreich vorhandene Daten<br />
aus kardiovaskulären bzw. renalen Endpunkt-Studien.<br />
Einer der Paradigmenwechsel<br />
in der modernen Diabetesbehandlung<br />
stellt die Tatsache dar, dass bei<br />
kardiovaskulären Vorerkrankungen (koronare<br />
Herzkrankheit, Herzinsuffizienz)<br />
bzw. entsprechender Hochrisikosituation<br />
primär Präparate eingesetzt werden sollen,<br />
die in den Studien eine Risikoreduktion<br />
gezeigt haben.<br />
Für den Praktiker ist die Anzahl verfügbarer<br />
Medikamente und möglicher<br />
Kombinationen bisweilen schwer überschaubar,<br />
zumal gewisse Therapieregimes<br />
noch nicht kassenzulässig sind. Der<br />
vorliegende Artikel orientiert sich an den<br />
neuen nationalen und internationalen<br />
* Der Artikel erschien ursprünglich in der<br />
«Therapeutischen Umschau» (2020), 77(7),<br />
319–327. mediservice <strong>vsao</strong>-Mitglieder können<br />
die «Therapeutische Umschau» zu äusserst<br />
günstigen Konditionen abonnieren. Details<br />
s. unter www.hogrefe.ch/downloads/<strong>vsao</strong>.<br />
Guide lines [1, 2], gibt zuerst einen aktuellen<br />
Überblick über die «neuesten» Antidiabetika<br />
(DPP-IV-Hemmer, GLP-1-Rezeptoragonisten<br />
und SGLT-2-Hemmer) und<br />
leitet dann zu praktischen Aspekten der<br />
Diabetesbehandlung über.<br />
Übersicht über neuere Antidiabetika<br />
Inkretinbasierte Therapien (vgl. Abb. 1)<br />
Unter diesem Begriff werden Behandlungen<br />
zusammengefasst, die am Inkretinsystem<br />
des Körpers angreifen. Inkretine<br />
(z. B. glucagon-like peptide 1, GLP-1 oder<br />
glucose-dependent insulinotropic peptide,<br />
GIP) sind Darm Hormone, die als Reaktion<br />
auf eine perorale Kohlenhydratbzw.<br />
Glukose-Zufuhr ausgeschüttet werden<br />
und die prandiale Insulinsekretion<br />
stimulieren. Dieser als sog. «Inkretineffekt»<br />
bezeichnete Mechanismus ist bei<br />
Typ-2-Diabetikern gestört bzw. reduziert<br />
[3], die pathophysiologischen Grundlagen<br />
dafür sind nicht restlos geklärt [4, 5].<br />
Therapeutisch kann der Inkretineffekt<br />
zweifach beeinflusst werden: Einerseits<br />
kann der Abbau der zirkulierenden,<br />
endogenen Inkretine durch Hemmung<br />
des metabolisierenden Enzyms – der Dipeptidyl-Peptidase-IV<br />
– gehemmt und<br />
damit die Inkretinspiegel erhöht werden<br />
(DPP-IV-Hemmer). Andererseits können<br />
dem körpereigenen GLP-1-ähnliche<br />
Substanzen, sog. GLP-1-Analoga oder<br />
GLP-1-Rezeptoragonisten (GLP-1-RA) eingesetzt<br />
werden, um die Inkretinwirkung<br />
zu potenzieren. Neben Differenzen in<br />
Bezug auf Wirkstärke (HbA1c-Reduktion)<br />
und Gewichtsverlauf unterscheiden sich<br />
DPP-IV-Hemmer und GLP-1-RA substanziell<br />
in ihren Effekten auf die kardiovaskuläre<br />
Morbidität und Mortalität.<br />
DPP-IV-Hemmer (Gliptine)<br />
DPP-IV-Hemmer wirken mässig blutzuckersenkend<br />
(HbA1c-Reduktion um 1 %)<br />
und sind gewichtsneutral. Das Nebenwirkungsprofil<br />
ist günstig: Im Gegensatz zu<br />
den GLP-1-Agonisten fehlen gastrointestinale<br />
Nebenwirkungen. DPP-IV-Hemmer<br />
weisen, wie GLP-1-RA, kein intrinsisches<br />
Hypoglykämierisiko auf. Eine klare Assoziation<br />
mit dem Auftreten von Pankreatitiden<br />
konnte sowohl für GLP-1-RA als auch<br />
für DPP-IV-Hemmer bisher nicht belegt<br />
werden [6, 7]. Jedoch sollten beide Stoffklassen<br />
bei Patienten mit stattgehabter<br />
oder Risikofaktoren für eine Pankreatitis<br />
gestoppt bzw. der Einsatz kritisch hinterfragt<br />
werden.<br />
DPP-IV-Hemmer werden nach wie<br />
vor sehr häufig und meist in Kombination<br />
mit Metformin eingesetzt. Zu betonen ist<br />
jedoch, dass keines der Präparate einen<br />
protektiven kardiovaskulären Effekt zeigen<br />
konnte (vgl. Tab. 1). Zusätzlich besteht<br />
möglicherweise ein erhöhtes Risiko für eine<br />
Herzinsuffizienz unter gewissen DPP-<br />
IV-Hemmern [8]. DPP-IV-Hemmer können<br />
prinzipiell mit allen oralen Antidiabetika<br />
oder mit Basalinsulin kombiniert<br />
werden. Eine Kombination von DPP-IV-<br />
Hemmern mit GLP-1-RA ist jedoch nicht<br />
zugelassen, und es kann damit keine additive<br />
HbA1c-Senkung erreicht werden [9].<br />
GLP-1-Rezeptoragonisten (GLP-1-RA)<br />
Im Gegensatz zur Behandlung mit DPP-<br />
IV-Hemmern kommt es beim Einsatz von<br />
GLP-1-RA zu einer deutlicheren Verstärkung<br />
des Inkretineffektes. Klinisch schlägt<br />
sich dies in einer grösseren HbA1c-Senkung<br />
und einem gewichtsreduzierenden<br />
Effekt nieder. Jedoch gehen die Wirkungen<br />
auch mit einer erhöhten gastrointesti<br />
30<br />
5/22 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>