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männer* | III/22

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Rötung, nicht mal ein echtes Püstelchen an einem<br />

Haaransatz. Das ging auch erstmal weg – also kein<br />

Problem. Daten, Sauna oder auch mal eine ausschweifenderen<br />

Fetischveranstaltung. Schwules<br />

Leben, wie es halt so ist. Dann kam dieses lästige<br />

Rasierpickelchen wieder. Es folgten ein paar Nachbarn.<br />

Nichts Wildes. Okay. Lass ich die Gegend mal<br />

ein paar Tage ruhen. Das wird schon wieder.<br />

Eine gigantische Fehleinschätzung<br />

Es entwickelten sich Entzündungsherde, richtig<br />

fies und fett. Mein erster Verdacht war erstmal,<br />

„Mist, Syphilis + X“. Aber die Vehemenz, die<br />

Stärke dieses Ausschlags war ungeheuerlich. Es<br />

brannte, mein Geschlechtsteil fett geschwollen<br />

und ich hatte Schmerzen. Man wollte sich schon<br />

gar nicht mehr anfassen – alles tat weh. Rohes,<br />

inflammatorisches Fleisch. Eines stand fest:<br />

Auf eine ärztliche Meinung im Rahmen meines<br />

Regeltermins zum Check-up konnte DAS nicht<br />

mehr warten. Zum Glück gab es einen Spontantermin.<br />

Der Arzt stellte kühl und trocken fest:<br />

Die Pocken. Ich war bedient.<br />

Was hatte ich eigentlich so getan? Nicht viel,<br />

nur an den Wochenenden, meist privat. Und<br />

irgendwie und überhaupt – das trifft doch nur<br />

dieses Party-Tunten von Gran Canaria, die im<br />

Bunker eher ne Sprengladung als meine Aufmerksamkeit<br />

abbekommen würden. Waren das<br />

nicht gerade mal eine Hand voll Fälle irgendwo<br />

in den Sumpfgebieten von Spree und Rhein? Die<br />

ganze Klischeebox, mit der ich meinesgleichen<br />

gerne so verachtend strafe, fiel in sich zusammen.<br />

Ich war also einer von diesen ominösen,<br />

schmuddeligen 200 Fällen in Deutschland,<br />

wovon die Mehrheit laut Presse in Berlin ist?<br />

Nicht nur das, ich befand mich sogar unter den<br />

ersten zehn, die mein Schwerpunkt-Arzt je gesehen<br />

hatte. What? Na, da fiel ich nicht nur von<br />

meinem ländlichen, moralischen Ross. Nein, der<br />

Gaul hat dann nochmal nachgetreten.<br />

Therapie? Fehlanzeige.<br />

Antiretrovirale Medikamente sind in Europa<br />

noch nicht erhältlich. Also vermachte man<br />

mir zur „symptomatischen Behandlung“ eine<br />

ziemlich unhübsche Salbe (Rivanol) und den<br />

freundlichen Tipp: „Abdecken, nicht anfassen,<br />

Hände waschen und desinfizieren, sonst verteilst<br />

du die Dinger auch noch.“ Andere Tipps<br />

und Hilfen? Woher denn?! Außer den üblichen<br />

Käsemeldungen der Tagespresse konnte mir<br />

nur Wikipedia ein wenig helfen. Ich vermachte<br />

mir dann erstmal in Eigentherapie ein Antibiotikum.<br />

Glauben wollt ich das mit den Pocken<br />

nicht so ganz und gegen die Entzündungen<br />

sollte das wenigstens helfen. Die Verträglichkeit<br />

war mäßig, der Effekt tendierte gegen Null.<br />

Pech gehabt. Vielleicht hatte der Arzt ja doch<br />

recht. Aus den vulkanähnlichen Gebilden rund<br />

um meinen Penis entwickelten sich binnen zwei<br />

Tagen mit Salbe und Verband regelrechte Krater<br />

– etwa fingernagelgroße, flächige, schwarze,<br />

tiefe Wunden, die immer noch nässten und<br />

höllisch wehtaten.<br />

„Die ganze Klischeebox, mit<br />

der ich meinesgleichen gerne<br />

so verachtend strafe, fiel<br />

in sich zusammen.“<br />

Kofferraum und Werkzeugkiste<br />

Für das Wundmanagement wusste ich mir nur<br />

noch mit dem Verbandskasten aus dem Auto zu<br />

helfen. Wundauflagen, Verbandsmaterial und<br />

Panzertape statt Pflaster zum Zusammenheften<br />

der Mullbinden fand sich in der Heimwerkerschublade.<br />

Ich erinnerte mich auch noch<br />

an dunkel an Creme mit Betäubungsmittel.<br />

Emla, eigentlich für bzw. gegen Hämorrhoidenschmerz.<br />

Aber die Apotheke meinte: „Anaesthesin<br />

Salbe? Die ist schon seit Jahren vom Markt<br />

verschwunden“. Restbestände an Novalgintropfen<br />

und frische Paracetamol halfen mir über<br />

die erste Woche. Ibuprofen brachte mir so gut<br />

wie gar nichts. Auch das bisschen Fieber und<br />

der Nebel im Kopf verschwanden nach gut einer<br />

Woche wieder. Dafür bildeten sich nach und<br />

nach überall am Körper Wasserbläschen bzw.<br />

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