männer* | III/22
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Es war eine Recherche des Norddeutsche Rundfunk<br />
(NDR), der die Redaktion unseres norddeutschen<br />
Metropolenmagazins hinnerk und<br />
kurze Zeit später sogar die Politik der Hansestadt<br />
darauf aufmerksam machte, dass das Thema<br />
queer im Alter mit all seinen Facetten reichlich<br />
unterrepräsentiert war und ist. Sowohl in den<br />
Medien, als auch in der organisierten Community,<br />
als auch in der Politik. In Hamburg organisiert<br />
sich inzwischen auf verschiedenen Feldern<br />
Befassung mit dem Themenkomplex. Dazu, zum<br />
bundesweiten Status Quo und den Basics ein<br />
kleiner Überblick.<br />
Das Problem<br />
Laut Schätzung der Schwulenberatung Berlin<br />
leben in Deutschland zurzeit rund 1,8 Millionen<br />
Lesben, Schwule, Transgender, Transsexuelle,<br />
Bisexuelle und Intersexuelle im Alter von über<br />
60 Jahren. Ihre speziellen Bedürfnisse und<br />
Wissen über ihre Lebenswelten gehören bis<br />
heute nicht zum Standardausbildungsrepertoire<br />
in der Pflege. Das bedeutet für viele, sich<br />
im letzten Abschnitt ihres Lebens, jener, der<br />
landläufig als der ruhige Lebensabend schönbeschrieben<br />
wird, noch einmal mit den Geistern<br />
der Vergangenheit – Coming-out, Diskriminierung,<br />
Leben im Versteck – konfrontiert zu<br />
sehen. 2012 erläuterte die lesbische angehende<br />
promovierte Pflegewissenschaftlerin Kathrin<br />
Kürsten gegenüber der Redaktion, warum sie<br />
in ihrer Dissertation erforschen will, ob und<br />
welche Bedürfnisse Queers im Alter haben, die<br />
in der Mehrheitsgesellschaft eventuell weniger<br />
prioritär sind. Ihre Antwort kann stellvertretend<br />
stehen für Fragen, die sich immer mehr<br />
Menschen in der Community stellen:<br />
„In meiner Masterarbeit habe ich mich für<br />
die Bedürfnisse von queeren Menschen in<br />
Altenpflegeeinrichtungen interessiert, weil<br />
ein schwules Paar in meiner Einrichtung<br />
lebte und ich mich fragte, warum die beiden<br />
– die früher wohl sehr offen lebten – jetzt<br />
auf eigenen Wunsch kaum am gesellschaftlichen<br />
Miteinander teilhatten. Mich trieb die<br />
Frage um, was man hätte tun können, damit<br />
die beiden einen angenehmeren Lebensabend<br />
hätten verbringen können. Jetzt geht<br />
es mir weniger um die Pflege im Alter, sondern<br />
darum, was Queers sich für ihr Alter(n)<br />
wünschen, denn auch dazu gibt es ebenfalls<br />
kaum wissenschaftliche Erkenntnisse.<br />
Zwar ist Pflege sicherlich weiterhin Thema,<br />
aber ich möchte gerne ein größeres „Feld“<br />
bearbeiten. Eigentlich gehört alles dazu, was<br />
die Teilnehmenden mir erzählen möchten.<br />
Altern wir anders und wenn ja: warum? Gibt<br />
es andere Bedürfnisse im sozialen Gefüge,<br />
als heteronormative Menschen sie haben?<br />
Und, und, und …“<br />
Lösungsansätze<br />
In der ganzen Bundesrepublik gibt es Leuchtturmprojekte,<br />
die sich des Themas angenommen<br />
haben und stationäre Pflegeeinrichtungen,<br />
Altenheime aber auch die klassische Betreuung<br />
im eigenen Zuhause diesen Anforderungen gerecht<br />
werdend aufstellen. Wir stellen vor.<br />
BUNTES LEBEN STIFTEN UND DER<br />
REGENBOGENSCHLÜSSEL<br />
Die 2016 gegründete Stiftung „Buntes Leben<br />
stiften“ setzt sich für selbstbestimmtes und<br />
selbstgestaltetes Altern ein. Auch wenn die<br />
Initiative zur Gründung der Stiftung auf zwei<br />
schwule Männer – Gert Rickart und Johannes<br />
Mayer – zurückgeht, möchte „Buntes Leben<br />
stiften“ sich für Menschen im Alter engagieren,<br />
egal welcher sexuellen Orientierung oder<br />
geschlechtlichen Identität oder anderen von<br />
Diskriminierung betroffenen Merkmalen sie<br />
haben. Als aktuelles Projekt möchte die Stiftung<br />
ein Altenheim in Rheinland-Pfalz oder dem<br />
Saarland dabei unterstützen, den „Regenbogenschlüssel“<br />
zu erwerben; ein Siegel für Altenhilfe,<br />
Pflege und Krankenhäuser, das deren Queerfreundlichkeit<br />
dokumentiert. Der Frankfurter<br />
Verband betreibt mit dem Julie-Roger-Haus bereits<br />
seit mehreren Jahren ein entsprechend<br />
zertifiziertes Pflegeheim.<br />
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