Andrássy Nachrichten Nr. 23 (2022/2)
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Andrássy Nachrichten / Wintersemester 2022 / Seite 27
tionen wegen Verstößen gegen die
Rechtsstaatlichkeit zu blockieren, da
diese einstimmig getroffen werden
müssen. Durch den Angriff Putins
auf die Ukraine und Orbáns Nähe
zur russischen Führung sei es jedoch
zu einem kurzzeitigen Riss in dieser
Partnerschaft gekommen. Die polnische
Regierung habe scharfe öffentliche
Kritik am Standpunkt der ungarischen
Regierung geäußert, und
auch die Kooperation der V4-Staaten
sei kurzfristig ausgesetzt worden. Im
Nachhinein habe es allerdings Verständnis
für Orbán gegeben.
Dr. Christina Griessler und die
AUB-Doktorandin Fanni Elek widmeten
sich den Wahlen in Serbien,
die ebenfalls an diesem Sonntag, den
3. April 2022 stattfanden. Sie hoben
die Parallelen zwischen Serbien und
Ungarn bezüglich der Entwicklung
der demokratischen Qualität hervor
und betonten, auch in Serbien könne
man eine erhebliche Einschränkung
politischer Debatten beobachten und
die Wahlen seien vom Präsidenten
instrumentalisiert worden. Dušan
Spasojević von der Universität Belgrad,
mit dem die beiden im Vorfeld
des Wahlabends gesprochen hatten,
prognostizierte demnach in seiner
Videobotschaft einen deutlichen
Wahlsieg für den amtierenden Präsidenten
Vučić und erklärte, dass auch
die ungarische Minderheit in Serbien
zu den UnterstützerInnen des
Präsidenten zähle.
Nach dem Exkurs zu den Wahlen
in Serbien meldete sich Dr. Melani
Barlai, wissenschaftliche Mitarbeiterin
der AUB, die am Sonntag als
Wahlhelferin hautnah am Wahlgeschehen
beteiligt war, mit einer Videobotschaft
bei den Versammelten
im Spiegelsaal. Sie berichtete, dass
im Wahllokal große Anspannung
herrsche und es bereits kleinere
Verstöße gegen das Wahlgeheimnis
gegeben habe. Sie erklärte, dass bei
den ungarischen Wahlen keine zivile
Wahlbeobachtung möglich sei,
da lediglich Delegierte der Parteien
und gewählte Wahlbeobachter zugelassen
würden. Sie selbst war zwar
im Namen einer NGO vor Ort, die es
sich zum Ziel gesetzt habe, dass mindestens
zwei unabhängige, geschulte
Delegierte in jedem Wahllokal die
Wahl beobachten, galt aber formell
als Parteivertreterin.
Im abschließenden Input des Analyseteils
richtete AUB-Alumnus Dr.
habil. András Hettyey den Blick
auf die ungarische Außenpolitik.
Diese basiere auf zwei Grundpfeilern:
Konfrontation und Pragmatismus.
Der Konfrontationskurs der
Regierung habe dafür gesorgt, dass
Ungarn im internationalen und vor
allem im europäischen Kontext immer
stärker isoliert worden sei. Das
enge Verhältnis der ungarischen Regierung
zu Staaten wie Russland sei
der Tatsache geschuldet, dass man
von diesen nicht in erster Linie Kritik
erfahre, sondern dass Ungarn
vielmehr Respekt entgegengebracht
und das Land mit demselben Pragmatismus
behandelt werde, der auch
sein eigenes Politikverständnis präge.
Generell sei die ungarische Außenpolitik
der aktuellen Regierung
nicht durch ideologische, sondern
durch transaktionistische Überlegungen
gekennzeichnet.
Nach den Hintergrundanalysen
und einer Pause, in der die Teilnehmenden
sich untereinander und mit
den ExpertInnen bei Essen und Getränken
austauschen konnten, startete
der zweite Teil des Abends mit
einer Podiumsdiskussion rund um
die ersten verlässlichen Hochrechnungen,
die am Sonntagabend schon
auf eine Zweidrittelmehrheit der Fidesz-Partei
hindeuteten. Moderiert
wurde die Diskussion von Frau Dr.
Kristina Kurze, DAAD-Langzeitdozentin
an der AUB, auf dem Podium
diskutierten Frau Bos und die Herren
Pállinger, Kocyba und Hettyey.
Diskussion: Die Macht der Narrative
und (k)ein Ende in Sicht
Der erste Aspekt, der in dieser
Runde diskutiert wurde, war die Ursache
für das starke Wahlergebnis
von Orbán und Fidesz. Bos ging noch
mal auf den Umbau des politischen
Systems seit der Machtübernahme
von Fidesz bei den Wahlen 2010 ein.
So habe Fidesz es geschafft, die eigene
Macht institutionell zu verankern
und insbesondere durch die Mediendominanz
sei es der Partei gelungen,
das eigene Narrativ zu verbreiten.
Außerdem habe die ungarische Regierung
innenpolitische Erfolge erzielen
können durch eine Verbesserung
der wirtschaftlichen Lage und
der Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt.
Pállinger ergänzte, die Stärke
von Fidesz ergebe sich auch aus der
Schwäche der Opposition. Diese sei
hauptsächlich mit einem Anti-Orbán
Narrativ angetreten, statt mit konkreten
Inhalten. So hätten es weder
die starke Korruption noch andere
wichtige Sachfragen auf die Wahlkampf-Agenda
geschafft.
Auf die Frage, ob der neu etablierte
Rechtsstaatlichkeitsmechanismus ein
erfolgversprechendes Instrument sei,
schloss Kurze, das hänge auch stark
von den Entwicklungen im Krieg
gegen die Ukraine ab. So bleibe abzuwarten,
ob Orbán sich nicht doch
in die Reihen der westlichen liberaldemokratischen
Staaten einreihen
werde. Pállinger merkte an, dass das
System Orbán vor allem durch materielle
Leistungen legitimiert werde
und deshalb die scheinbar positive
wirtschaftliche Entwicklung aufrechterhalten
werden müsse, wofür
die Regierung wiederum auf EU-
Gelder angewiesen sei. Blieben diese
aus, könnte der Druck einzulenken
entsprechend erhöht werden.
Zum Schluss richtete sich der Blick
auf die Frage, wie es nun in Ungarn
weitergehe. Bos äußerte sich besorgt
ob der zunehmenden Radikalisierung
der Rhetorik des ungarischen
Ministerpräsidenten. Kocyba bemerkte,
die wohl größte Chance der
ungarischen Opposition sei, dass die
Regierung sich in der eigenen Spirale
an Eskalation verstricke und sich
so selbst sabotiere. Orbán habe einige
Kämpfe angezettelt, die er nicht
gewinnen könne. Hettyey wagte die
Prognose, dass die aktuelle Krise der
Anfang vom Ende der Fidesz-Regierung
in Ungarn sein könnte. Auch
Bos betonte, dass das aktuelle Zusammenrücken
des Westens gegenüber
Putin einen positiven Impuls in
der EU setze, sich wieder stärker auf
die eigenen Werte zu besinnen. Es sei
nun wichtiger denn je, die Bedrohung
der Demokratie sowohl von innen als
auch von außen zu bekämpfen.
Laura Beurer