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Andrássy Nachrichten Nr. 23 (2022/2)

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Andrássy Nachrichten / Wintersemester 2022 / Seite 29

internationalen Drucks der Auswanderung

mehrerer Tausend Jüdinnen

und Juden zugestimmt. Um diesen

Menschen vor ihrer Ausreise eine sichere

Unterkunft bieten zu können,

habe Lutz außerdem mehrere Gebäude

unter seinen Schutz gestellt.

Paroz untermauerte seine Ausführungen

mit historischen Belegen wie

Berichten von Carl Lutz an seinen

Vorgesetzten Maximilian Jaeger. Diese

belegten auch, dass der Schweizer

Diplomat mehr Anerkennung für sein

Engagement gefordert hatte. Diese

Anerkennung sei ihm zu Lebzeiten

jedoch verwehrt geblieben. In der

Schweiz habe er stattdessen als unzuverlässiger

Beamter und untreuer

Diplomat gegolten, der die Regeln und

Vorgaben seines eigenen Landes missachtete.

Auch im Privaten habe Carl

Lutz keine Anerkennung für seine Taten

erhalten. Nach seiner Scheidung

sei er vereinsamt und verarmt verstorben.

Erst nach seinem Tod habe man

die Ausmaße seiner Taten erkannt und

gewürdigt. Seitdem wurde er dreimal

für den Friedensnobelpreis nominiert

und erhielt mehrere Auszeichnungen

und Gedenkstätten. Unter anderem

wurde ihm der Titel „Gerechter unter

den Völkern“ verliehen.

Abschließend merkte Paroz an,

dass Lutz kein einzelner Superheld

gewesen sei. Vielmehr habe er eng

mit anderen zusammen gearbeitet.

Durch dieses Netzwerk und durch

die Abwägung zwischen Diplomatie

und Humanität sei es ihm letztlich

gelungen, eine Vielzahl an Menschenleben

zu retten. Auch in der

heutigen Zeit werde diese Abwägung

von DiplomatInnen gefordert. Eine

schnelle Auffassungsgabe und die

schnelle Anpassung an Situationen

seien zwar wichtig, nichtsdestotrotz

solle bei jeder Entscheidung die Humanität

im Vordergrund stehen, so

der Schweizer Botschafter Paroz.

Dilan Demir-Pinke

Between decline and rebirth?

Frankreich und die Präsidentschaftswahlen 2022

Dr. Ádám Bence Balázs,

Dozent an der AUB

Am 8. April gab Dr. Ádám Bence Balázs einen Ausblick

auf die anstehenden Präsidentschaftswahlen in Frankreich

und skizzierte mögliche Folgen.

Prof. Dr. Zoltán Tibor Pállinger, Rektor der AUB und

Leiter des Lehrstuhls für Politische Theorie und Europäische

Demokratieforschung, beschrieb einleitend

die besonderen Umstände der Wahlen angesichts des

Ukraine-Krieges. Außerdem verwies er auf die Verbindung

der Rechtsaußen-Kandidatin Marine Le Pen mit dem ungarischen

Premierminister Orbán, deren Allianz im Falle

eines Siegs Le Pens das Gleichgewicht im Europäischen Rat

signifikant verschieben könnte.

Balázs, Dozent an der AUB und Fellow Researcher am Laboratoire

de Changement Social et Politique der Universität

Paris, begann seinen Vortrag mit einem Überblick über die

Wahlmodalitäten. Frankreich werde von einer Doppelspitze

aus Präsident und Premierminister geführt, wobei der Präsident

bis 2002 für sieben Jahre im Amt war, der Premierminister

jedoch nur für fünf. Das habe regelmäßig zu Blockaden

der Exekutive geführt, sogenannte Kohabitationen. Im neuen

System folgt die Parlamentswahl der Präsidentschaftswahl,

wodurch bislang beide von den gleichen Parteien gewonnen

wurden. Dies sorge zwar für Stabilität, so Balázs, mache die

Regierung aber auch technokratischer, da im Parlament weniger

debattiert werde. Dieses Mal sei eine Doppelspitze aus

Vertretern einer Partei jedoch keinesfalls sicher angesichts

der Zersplitterung der Parteien und der Wählerschaft.

Frankreichs außenpolitische Funktion im Ukraine-

Krieg, aber auch in der Sahel-Zone, sei von großer Bedeutung

für die EU, so Balázs. Aktuell sei Macron der einzige

westliche Staatschef, der noch direkt mit Vladimir Putin

im Dialog stehe. Doch seine fehlenden innenpolitischen

Erfolge und sein harsches Vorgehen in der Pandemie und

gegen Proteste der Gelbwesten hätten ihm in Frankreich

den Ruf eines Elite-Politikers eingebracht und zu einer zunehmenden

Politikverdrossenheit beigetragen, die von populistischen

Parteien ausgenutzt werde.

In der anschließenden Diskussion wurde das Thema der

Gelbwesten nochmal aufgegriffen, mit denen laut Balázs

weiter zu rechnen sei, auch wenn sie derzeit außerpolitisch

agierten. Ein zentrales Problem in Frankreich sei die Unfähigkeit

demokratischer Parteien, sozialen Forderungen angemessen

zu begegnen. So sei damit zu rechnen, dass viele

Stimmen für Macrons Partei eher als strategische Stimmen

gegen die Rechte zu werten seien und die Wahlbeteiligung

erneut abnehme.

Frauke Mogli Seebass

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