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Jazz + Klassik<br />

Riopy<br />

Foto: Blix Street<br />

›<br />

Virtual<br />

Cassidy<br />

Diese KI hat Soul!<br />

Obwohl Eva Cassidy vor 26 Jahren verstorben ist,<br />

kehrt sie nun frenetisch zurück.<br />

Kaum jemand bezweifelt noch die disruptive<br />

Kraft, mit der die künstliche Intelligenz unsere<br />

technologische Zukunft auf den Kopf stellen wird.<br />

Doch jüngste Spielereien – etwa mit dem<br />

ChatGPT – zeigen, dass der feuchte Silicon-<br />

Valley-Traum noch nicht so richtig Fahrt aufnimmt.<br />

Die beiden Produzenten William Ross und<br />

Christopher Willis verstehen KI jedoch nicht als<br />

Gegenstück, sondern als Ergänzung der menschlichen<br />

Seele. Sie haben mit „I can only be me“<br />

ein neues, bahnbrechendes Kapitel in der posthumen<br />

Karriere von Eva Cassidy geschrieben.<br />

In Zusammenarbeit mit Londons ältestem<br />

Symphonieorchester haben Ross und Willis neun<br />

neue Arrangements von bereits bestehenden<br />

Songs der Soul- und Jazzsängerin in eine trans -<br />

zendentale Klangerfahrung verwandelt. Mithilfe<br />

einer KI wurde Cassidys Stimme isoliert und<br />

restauriert, sodass ihr Timbre nicht nur unverfälscht,<br />

sondern maßgeblich voluminöser klingt.<br />

Nicht einmal die Veröffentlichung ihres ersten<br />

eigenen Studioalbums konnte Eva Cassidy mitverfolgen.<br />

Nur wenige Monate vor der Veröffent -<br />

lichung starb die US-Amerikanerin 1996 an<br />

Krebs. Seitdem läuft die posthume Karriere der<br />

Ausnahmesängerin jedoch ziemlich gut, und<br />

selbst Superstar Adele bekennt sich als Fan:<br />

„Nach der Schule bin ich nach Hause gelaufen<br />

und habe Eva Cassidy gehört.“ Anlässlich ihres<br />

60. Geburts tages interpretiert Cassidy nun auf<br />

einem neuen Album große Soul- und Pop klassiker<br />

wie „Time after Time“, „Ain’t no Sunshine“ oder<br />

den Titelsong, eine<br />

radikale Neubearbeitung<br />

eines wenig bekannten<br />

Stevie-Wonder-Songs.<br />

Felix Eisenreich<br />

I can only be me<br />

erscheint am 3. März<br />

Wer mit der überbordenden Hektik<br />

unserer Gegenwart kämpft und gerade<br />

keine 2 500 Euro für ein Fünf-Tage-<br />

Retreat auf Sardinien über hat, sollte<br />

stattdessen Jean-Philippe Rio-Py alias<br />

Riopy auf Tour besuchen: Obwohl der in<br />

Frank reich geborene Pianist bereits für<br />

bombastische, Oscar-prämierte Filme<br />

wie „The Shape of Water“ komponiert<br />

hat, schlägt sein Herz für die ruhigen<br />

Klangträumereien. Sein letztes Album<br />

„[extended] Bliss“ und die Kompo si -<br />

tionen für Meditations- und Yoga-Apps<br />

beweisen, dass der 40-jährige Wahl -<br />

londoner vollkommen recht hat: „Aus<br />

der Stille erwächst eine Energie“.<br />

TOUR<br />

30. 5. Stuttgart | 31. 5. Köln<br />

2. 6. München | 3. 6. Berlin<br />

20. 6. Hamburg<br />

Foto: Pierre-Emmanuel Rastoin<br />

Sam Gendel<br />

Cookup<br />

Nonesuch Records<br />

ALTERNATIVE R’N’B Sam Gendel entstammt<br />

dem L.A.-Umfeld um Namen wie Flying Lotus,<br />

Thundercat oder Louis Cole – alles unfassbar<br />

talentierte Musiker, deren hypermobiler Sound<br />

auf Normalsterbliche bisweilen beliebig oder<br />

ziellos wirken kann. Doch ausgerechnet ein<br />

Coveralbum bringt die Stärken dieses Ansatzes<br />

hervor. Auf „Cookup“ nimmt sich Gendel mit<br />

seinen Freunden Gabe Noel und Philippe<br />

Melanson sentimentale R’n’B-Klassiker aus den<br />

90ern und 2000ern vor. Und siehe da: Wenn<br />

die Vorlage bekannt ist, werden die Experimente<br />

und wilden Einfälle der Multiinstrumentalisten<br />

plötzlich zu sympathischen Insiderwitzen. Die<br />

Versionen der Stücke sind spontan entstanden<br />

und strotzen vor kleinen Seltsamkeiten: Auf<br />

Aaliyahs „Are you that somebody“ liest eine KI-<br />

Stimme eine romantische Spam-Email vor,<br />

„I swear“ von All-4-One mischt Synthesizer mit<br />

„Twin Peaks“-Atmosphäre, und Beyoncés „Crazy<br />

in Love“, das wir alle sowieso auswendig kennen,<br />

reduziert das Trio auf das Bläserriff, das hier<br />

auf der Akustikgitarre daherkommt. Hier haben<br />

einfach drei Kumpel Spaß beim Herumalbern –<br />

nur sind sie eben auch unfassbar talentiert. mj<br />

30 | <strong>kulturnews</strong>

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