kulturnews_03_2023.pdf
Das Magazin für Popkultur
Das Magazin für Popkultur
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Platten<br />
LETHARGIE AUF DEM DANCEFLOOR<br />
Rhonda<br />
Pavelo & Schnell<br />
Volumen & Kraft<br />
Zeche Prellverein<br />
NEUE NEUE DEUTSCHE WELLE<br />
Pavelo & Schnell haben „kleines<br />
Geld und große Wünsche“<br />
(„Trübes Glas“). Kennengelernt<br />
haben sich die Berliner Pavelo<br />
Promillo und Boris Schnell auf<br />
einer Hausparty – und eigentlich<br />
verbindet sie sehr wenig: Boris spielt Gitarre, Pavelo hasst<br />
Gitarren. Boris ist großgeworden mit AC/DC, Pavelo mit Aggro Berlin.<br />
Beste Voraussetzung, um eine der spannendsten Kombos dieses<br />
Landes zu werden. Mit ihrem Debütalbum „Volumen & Kraft“ ist es<br />
dem Duo gelungen, ein feinsinniges Danceflooralbum jenseits gut -<br />
bürgerlicher Saturiertheit abzuliefern: Mit Ohrwurm-Melodien balanciert<br />
Boris auf den voluminösen Powerbeats von Pavelo am Abgrund<br />
eines selbstzerstörerischen Großstadtlebens, geplagt von Geldnot<br />
(„Füchse“), Süchten („Pyroman“), sinnlosen Stunde vor flimmernden<br />
Bildschirmen („Hypnoviereck“) und tradierten Vorstellungen einer<br />
gesunden Sexualität („Amicelli“). Die leicht lethargischen Texte werden<br />
nie zu eindeutig, die dreckigen Dancepop-Beats von Pavelo nie zu<br />
verspielt, als dass dieses pickepackevolle Album nicht auch hervorragend<br />
zum Tanzen funktioniert. Pavelo & Schnell sind wie die atzige<br />
Antwort auf Edwin Rosen & Co. fe<br />
Forever yours<br />
Popup Records<br />
SOULPOP Rhonda ohne<br />
Garage rock-Röhren? Kaum<br />
vorstellbar – aber tatsächlich<br />
dauert es auf „Forever<br />
yours“ drei Songs, bis in<br />
„Modelo“ die Vintage-<br />
Gitarren durch schlagen,<br />
eine Spur Surf durchscheint und Frontfrau Milo Milone ihr kräftiges<br />
Stimmorgan entfaltet. Der Rest dieser Platte ist überraschend<br />
ruhig, mit Easy Listening und Pop angereichert, für den<br />
Rhonda selbst die französische Band Air als Inspiration nennen.<br />
Ganz so luftig traumwandelt „Forever yours“ zwar nicht, dafür<br />
sind Milones drei Bandkollegen zu sehr den 60ies verpflichtet,<br />
aber tatsächlich klingen Rhonda ungewohnt gechillt. Das mag<br />
einerseits an Milones aktuellem Lebensmittelpunkt Los Angeles<br />
liegen, mehr noch aber an dem entspannten Entstehungsprozess<br />
der Platte: Pandemiebedingt haben sie sich über Videomeetings<br />
und Sound file-Transfers ausgetauscht. Ein Kunststück für eine<br />
Band, deren Sound vom Analogen lebt. Für „Forever yours“ aber<br />
eine sinnvolle und angemessene Entscheidung, denn Rhonda<br />
klingen hier so erfrischend nos talgisch wie eh und je – und sogar<br />
noch einen Tick besser, weil zeit gemäßer. vr<br />
Kate NV<br />
Wow<br />
RVNG Intl.<br />
ELEKTROPOP Kate Shilonosovas<br />
alias Kate NVs fünftes Soloalbum<br />
ist im besten Sinne kindlich,<br />
dabei aber niemals kindisch.<br />
Allerdings ist dieses theoretische<br />
Kind so hochbegabt wie exzentrisch:<br />
„Wow“ klingt wie der Soundtrack zu einem obskuren, völlig<br />
durchgeknallten Playstation-Spiel. Irgendwo unter einem Haufen<br />
aus Sirren und Stottern sind bunte Synthesizermelodien versteckt,<br />
Flöten trällern, Glöckchen klingeln. Wenn Shilonosova singt, dann<br />
meist wort los oder in kurzen Phrasen, als wäre ihre Stimme nur ein<br />
weiteres Instrument, mit dem sie herumspielt. Die Einflüsse sind<br />
dabei dieselben wie immer: japanischer Citypop, Zeichentrickserien,<br />
New Wave, aber die experimentelleren Songs klingen auch schon<br />
mal nach Free Jazz („Flee“) oder avantgardistischer Soundcollage,<br />
wie die geloopten Stimmfetzen in „Razmishlenie (Thinking)“. So vereint<br />
Kate NV Alt und Neu, Chaos und detaillierte Planung, Mensch -<br />
liches und Künstliches. Was kann man anderes erwarten von einer<br />
Frau, die angibt, ihr bester Freund sei ihr Fahrrad? mj<br />
Foto Jeniac Filatova<br />
36 | <strong>kulturnews</strong>