SMZ Liebenau Info 01_2018
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GESUNDHEITSFÖRDERUNG<br />
Neues und Altes zur Primärversorgung<br />
in Österreich<br />
VON LISA STROZER<br />
Was heißt Primärversorgung?<br />
Primär heißt so viel wie: „an erster Stelle stehend“ oder „zuerst“. Mit Versorgung ist die medizinische und<br />
soziale Behandlung von Menschen gemeint. Primärversorgung ist die deutsche Bezeichnung für „Primary<br />
Health Care“. Es handelt sich um die erste Anlaufstelle für alle Menschen mit gesundheitlichen Problemen,<br />
also um die erste Versorgungsebene. Damit sind alle Hausärzt*innen, sowie Gruppenpraxen und seit Neustem<br />
auch Primärversorgungszentren/Primärversorgungseinheiten gemeint. In der Primärversorgung geht es<br />
immer um einen kontinuierlichen Versorgungsprozess, der gesundheitsfördernde, präventive (vorbeugende),<br />
kurative (heilende), pflegerische, rehabilitative (wiedereingliedernde), und palliative (Beschwerden lindernde)<br />
Maßnahmen einsetzt. Primary Health Care (bzw. Primärversorgung) bringt eine multiprofessionelle und<br />
integrative Versorgung so nahe wie möglich an den Wohnort und Arbeitsplatz der Menschen.<br />
8<br />
<strong>SMZ</strong> INFO FRÜHJAHR 2<strong>01</strong>8<br />
Unser Gesundheitssystem in Österreich zählt mit<br />
überdurchschnittlich hohen Ausgaben zu den teuersten<br />
und liegt mit ca. 11 % des Bruttoinlandsprodukts<br />
(BIP) über dem EU-Durchschnitt. Die Anzahl der<br />
gesunden Lebensjahre der Österreicher*innen liegt<br />
jedoch deutlich unter dem EU-Durchschnitt. Das bedeutet,<br />
dass Maßnahmen zur Verbesserung der Effektivität<br />
(„die richtigen Dinge tun“) und Effizienz („die<br />
Dinge richtig tun“) ergriffen werden müssen.<br />
Die Ansprüche und Erwartungen an eine qualitätsvolle<br />
und sichere Versorgung haben sich ebenfalls<br />
verändert. Es ist wichtig, eine gute Versorgung<br />
für alle Menschen zu sichern. Auch die Zunahme<br />
chronisch Kranker und älterer Personen ist mit einzuplanen.<br />
Ein großer Kostenpunkt sind Krankenhausaufenthalte,<br />
die beispielsweise nicht notwendig<br />
oder vermeidbar wären. Ziel ist es also,<br />
zukünftig Krankenhäuser und ihre Ambulanzen zu<br />
entlasten und eine gute medizinische Versorgung<br />
außerhalb des Spitals zu gewährleisten. Besonders<br />
im ländlichen Gebiet gestaltet sich die Nachbesetzung<br />
von Stellen im niedergelassenen Bereich<br />
aber schwierig. Das liegt zum einen daran,<br />
dass eine große Anzahl an Ärzt*innen demnächst<br />
in Pension gehen wird. Zum anderen liegt es auch<br />
an der Unattraktivität des Arztberufes am Land.<br />
Die Ausbildung der Allgemeinmediziner*innen<br />
fördert wahrscheinlich ebenfalls nicht unbedingt<br />
die Idee, sich niederzulassen und nicht in einem<br />
Krankenhaus zu arbeiten. Zudem achten junge<br />
Ärzt*innen mehr auf ihre Work-Life-Balance und<br />
wollen zeitlich flexibel und eher im Team arbeiten,<br />
als ihre älteren Kolleg*innen. Primärversorgungseinheiten<br />
bieten davon viel.<br />
Zu diesem Zweck sollen bis Ende 2020, neben anderen<br />
Maßnahmen, 75 Primärversorgungszentren<br />
in Österreich entstehen. Die Umgestaltung der Primärversorgung<br />
soll der Schlüssel zur Verbesserung<br />
sein, wofür Länder und Sozialversicherungen insgesamt<br />
200 Millionen Euro zusätzlich bereitstellen.<br />
Wie genau kann eine Primärversorgungseinheit<br />
aussehen?<br />
Eine Primärversorgungseinheit kann an einem<br />
Standort oder als Netzwerk an mehreren Standorten<br />
eingerichtet sein. Es kommt immer darauf an, wie<br />
die Situation vor Ort ist, welche Bedingungen dort<br />
herrschen, was die Menschen brauchen. Deshalb<br />
sieht eine Primärversorgungseinheit in Vorarlberg<br />
anders aus, als eine in Wien. Entweder können bereits<br />
bestehende Strukturen genutzt werden, indem<br />
sie beispielsweise vernetzt und weiter ausgebaut<br />
werden. Regionale Primärversorgungseinheiten<br />
können aber auch von Grund auf neu errichtet und<br />
gestaltet werden. Wie Primärversorgungseinheiten<br />
in der Praxis aussehen und wie sie geführt werden,<br />
haben wir bei der Tagung: „Primärversorgung NEU:<br />
Pilotprojekte umsetzen“ erfahren dürfen. Mehr <strong>Info</strong>rmationen<br />
dazu im folgenden Artikel.<br />
Es gibt unterschiedliche Organisationsformen für<br />
Primärversorgungseinheiten an einem Standort,<br />
nämlich: Gruppenpraxen oder selbstständige Ambulatorien.<br />
Ein Beispiel für eine Primärversorgungseinheit<br />
in Form einer Gruppenpraxis ist das Primärversorgungszentrum<br />
Enns. Dieses Zentrum durfte das<br />
<strong>SMZ</strong> <strong>Liebenau</strong> im Rahmen der Fachtagung im Jänner<br />
2<strong>01</strong>8 besuchen (siehe Artikel: Das <strong>SMZ</strong> <strong>Liebenau</strong><br />
bildet sich weiter). Ein Beispiel für ein selbstständiges<br />
Ambulatorium ist das „Gesundheitszentrum Joglland“<br />
in Vorau-Riegersburg. Da es lange und immer<br />
wieder Schwierigkeiten gab, Hausärzt*innen für<br />
diese Region zu finden, deckt dort seit September<br />
2<strong>01</strong>7 eine Primärversorgungseinheit die Versorgung<br />
ab. Wird eine Primärversorgungseinheit als Netzwerk<br />
geführt, so kann diese aus freiberuflichen Ärzt*innen,<br />
anderen nichtärztlichen Angehörigen von Gesundheits-<br />
und Sozialberufen oder deren Trägerorganisationen<br />
gebildet werden. Ein Beispiel dafür ist das<br />
Gesundheitsnetzwerk Tennengau, das gemeinnützig<br />
geführt wird. Dort haben sich unterschiedliche Anbieter*innen<br />
von Gesundheitsdiensten zusammengeschlossen,<br />
um die Patient*innenversorgung in der<br />
Region zu verbessern und abzustimmen.