SMZ Liebenau Info 01_2018
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GESUNDHEITSFÖRDERUNG<br />
Das Geschäft mit der Intoleranz und Allergie<br />
VON GUSTAV MITTELBACH<br />
18<br />
<strong>SMZ</strong> INFO FRÜHJAHR 2<strong>01</strong>8<br />
Was passiert, wenn Sie einen vegetarischen<br />
Döner oder einen Käferbohnensalat essen oder<br />
einen viertel Liter frisch gepressten Orangensaft<br />
oder Milch trinken?<br />
Wahrscheinlich gar nichts ... oder Sie bekommen<br />
Blähungen, leichte Bauchkrämpfe oder einmal dünnen<br />
Stuhl.<br />
Sind Sie deswegen schon krank oder müssen Sie<br />
zum Arzt?<br />
Meist reicht ein Gespräch mit den Küchenexpertinnen<br />
der alten Schule, Großmüttern z. B., die<br />
darüber noch selbstverständlich erzählen würden.<br />
Zwiebel, Bohnen und Co können eben bestimmte<br />
Folgen haben. Dieses Wissen scheint verlorengegangen<br />
zu sein. Eine ganze Industrie von „Beratungsexpert*innen”<br />
und selbst ernannten Diagnostiker*innen<br />
verunsichert viele Menschen im Internet.<br />
Und sie machen gute Geschäfte mit nutzlosen<br />
Untersuchungen und Ratschlägen. Ihre Hauptzielgruppe<br />
sind Gesunde, deren normale Reaktionen<br />
auf bestimmte Nahrungsmittel zunächst Sorgen<br />
machen und dann als Krankheiten umgedeutet<br />
werden!<br />
In der Folge geben immer mehr Menschen Geld<br />
für Spezial-Nahrungs(ergänzungs)mittel aus, weil<br />
sie glauben, dass Essen sie krank macht. Normale<br />
Verdauungsreaktionen, Blähungen, wechselnde<br />
Stuhlqualitäten, Müdigkeit werden nicht als Reaktionen<br />
auf ganz normale, aber schwer verdauliche<br />
Nahrungsmittel zurückgeführt, sondern zu „Krankheiten”<br />
umgedeutet. Dagegen werden als „Behandlung”<br />
teure Lebensmittel angeboten, die dann<br />
bestimmte Inhaltsstoffe nicht mehr enthalten (z. B.<br />
laktose- oder fruktose-frei). Nach einer Umfrage der<br />
Berliner Charité gaben 35 % der Befragten an, unter<br />
„allergischen” Symptomen aufgrund von Nahrungsmitteln<br />
zu leiden. Aber nur 3 % hatten tatsächlich<br />
eine Allergie. Eine Analyse von 50 europäischen<br />
Studien ergab ein ähnliches Bild: Während 17 % der<br />
Befragten berichteten, an nahrungsmittelbedingten<br />
Beschwerden zu leiden, konnte eine Allergie nur in<br />
1-3 % nachgewiesen werden.<br />
Die Unverträglichkeiten:<br />
Die häufigsten Probleme werden als Intoleranzen<br />
(Laktose) oder Malabsorptionen (Fruktose) bezeichnet.<br />
Diese Namen sind eigentlich schon irreführend,<br />
weil sie für die meisten Betroffenen einen<br />
Normalzustand beschreiben:<br />
Laktose/Milchzucker:<br />
Unser Körper ist vor allem in der Säuglingszeit mit<br />
dem Enzym Laktase gut in der Lage, Milchzucker<br />
zu verdauen. In Zeiten des enormen Wachstums am<br />
Beginn des Lebens ist das sinnvoll, im Erwachsenenalter<br />
entwicklungsmäßig aber nicht mehr nötig.<br />
Bei den meisten Erwachsenen ist daher eine Laktoseintoleranz<br />
bei Konsum zu großer Mengen Milch<br />
oder Milchprodukten normal!<br />
Zur <strong>Info</strong>: Käse, Joghurt, Buttermilch und Butter enthalten<br />
weniger Laktose als reine Milch! Laktose ist<br />
auch in Molke, Eis, Schokolade, Wurstprodukten,<br />
Brot, Süßigkeiten und Fertiggerichten enthalten.<br />
Fruktose/Fruchtzucker:<br />
Sie ist nicht nur in Obst und Gemüse, sondern auch<br />
in Säften, Bier, Honig und Süßigkeiten vorhanden.<br />
(Haushaltszucker besteht aus Traubenzucker und<br />
Fruktose und wird im Allgemeinen bei Fruktoseunverträglichkeit<br />
gut vertragen!) Fruktose wird auch<br />
zunehmend als billiger Süßstoff vielen Lebensmitteln<br />
und Fertiggerichten zugesetzt (siehe Artikel „Aufgeschnappt”).<br />
Smoothies sind gesund, aber überreich<br />
an Fruchtzucker. Ein Liter Orangensaft besteht aus<br />
dem Saft von mindestens 12-15 Orangen, die wir<br />
maximal in einer Woche essen könnten, trinken<br />
lässt sich diese Menge aber locker an einem Tag.<br />
Unser Körper ist in der Lage, 20g Fruktose pro<br />
Tag zu verdauen. Im Schnitt führen wir aber täglich<br />
80g Fruktose zu uns. Die nicht verdaute Fruktose<br />
führt durch Verarbeitung in Darmbakterien zu enormer<br />
Gasbildung und Blähungen, Übelkeit, Bauchschmerzen,<br />
Durchfällen oder Verstopfung.<br />
Die angeborene Fruktose-Intoleranz ist eine sehr<br />
seltene Erkrankung, braucht lebenslange Vermeidung<br />
von Fruktose und ist hier nicht angesprochen.