SMZ Liebenau Info 01_2018
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BUCHVORSTELLUNG: DR. WOLFGANG SCHÜTZ<br />
müsse also unbedingt schneller vorangetrieben<br />
werden, auch wenn die Ärztekammer blockiert. In<br />
Österreich sind bis 2020 75 Primärversorgungszentren<br />
geplant. Für Schütz müssen PVEs folgende<br />
Kriterien erfüllen:<br />
• wohnortnahe Netzwerke mit dem Ziel der<br />
Gesunderhaltung der Bevölkerung und nach<br />
Möglichkeit abschließender Behandlung<br />
• Angebot von Prävention über Kuration und<br />
Rehabilitation bis zur Pflege<br />
• Zusammenarbeit verschiedener Berufsgruppen;<br />
neben Medizin auch Pflege, Therapie,<br />
Geburtshilfe, Sozialarbeit, …<br />
• Der Vertrauensarzt, der die Patient*innen<br />
kennt und so deren Versorgung organisieren<br />
kann, ist dort lokalisiert.<br />
• keine Einzelleistungshonorare (Förderung der<br />
Drei-Minuten-Medizin)<br />
• ausreichende Öffnungszeiten (zumindest<br />
50 Stunden/Woche und Notversorgung rund<br />
um die Uhr)<br />
• Zumindest 30 % der in die Primärversorgung<br />
eingebundenen niedergelassenen Ärzt*innen<br />
müssen Allgemeinärzt*innen sein, um ein flächendeckendes<br />
PVE-Netz zu gewährleisten (in<br />
Österreich sind es nur 20 %!)<br />
• Orientierung an den lokalen Gegebenheiten<br />
(ländlich, städtisch, Berufsgruppen, ...)<br />
Eine zwischenzeitliche Dreiklassenmedizin im<br />
niedergelassenen Bereich<br />
Die „Zweiklassenmedizin“ bei stationären Spitalsaufenthalten<br />
gibt es für Schütz schon lange: Privatversicherte<br />
haben zahlreiche Vorteile (Komfortzimmer, freie<br />
Ärzt*innenwahl, Privatkliniken, einfacherer Zugang<br />
zu Diagnose- und Behandlungsmethoden). Außerhalb<br />
des Spitals sieht Schütz sogar die Gefahr einer<br />
„Dreiklassenmedizin“ aufkommen: Patient*innen der<br />
untersten Klasse suchen Kassenvertragsärzt*innen<br />
auf, die der mittleren Klasse Wahlärzt*innen und die<br />
der höchsten Klasse Ärzt*innen mit Privatordinationen.<br />
Vor allem die Kassenordinationen werden dabei<br />
immer weniger. Und wohin wenden sich Patient*innen<br />
dann, wenn es keine Kassenärzt*innen mehr in<br />
ihrer Nähe gibt oder deren Ordinationen laufen überfüllt<br />
sind? An die Spitalsambulanzen!<br />
Eintritt nur nach<br />
Aufruf: Warum<br />
Österreich die<br />
Ärzte ausgehen:<br />
elf Übel, elf Fakten<br />
von Wolfgang Schütz;<br />
MANZ Verlag Wien,<br />
2<strong>01</strong>7<br />
234 Seiten<br />
Öffentliche Gesundheitsfinanzierung<br />
aus einer Hand<br />
Die Ärztekammer/ÄK habe über Jahre unzureichende<br />
Qualitätskontrollen der Ärzt*innenausbildung<br />
durchgeführt, propagiere eine Ausbildung, die den<br />
Weg zum Allgemeinarzt oder zur Allgemeinärztin<br />
weniger attraktiv macht: Ärzt*innen, die in Allgemeinmedizin<br />
ausgebildet werden wollen, dürfen<br />
nicht das Gefühl haben, gegenüber Fachärzt*innen<br />
Ärzt*innen zweiter Klasse zu sein.<br />
Die ÄK stehe bei Neuerungen, sei es die Einführung<br />
der e-card, der Elektronischen Gesundheitsakte<br />
(ELGA) oder der sogenannten Primary Health Care<br />
Center, so gut wie immer auf der Bremse. An Maßnahmen<br />
fordert Schütz eine Überarbeitung der Arbeitszeitrichtlinien<br />
für Ärzt*innen. Die De-facto-Gehaltserhöhung<br />
im Zuge der 48-Stunden-Arbeitszeit<br />
sollte zugleich genutzt werden, um das „Unwesen“<br />
zu beenden, dass Ärzt*innen ihr Einkommen durch<br />
zusätzliche Einnahmen aus Sonderklassegebühren<br />
und Nebenbeschäftigungen verbessern. Sonderklassegelder<br />
und andere Einnahmen von Spitalsärzt*innen<br />
sollten an die Arbeit gebende Institution<br />
gehen (siehe auch Standard, 26.2.17).<br />
Die Patientenströme müssten von den Spitalsambulanzen<br />
verstärkt in den niedergelassenen Bereich<br />
umgeleitet werden. Die Errichtung von Erstversorgungszentren<br />
müsse deshalb beschleunigt vorangetrieben<br />
werden, „notfalls auch gegen den Willen<br />
der Ärztekammer“, so der Ex-MedUni-Rektor. Dazu<br />
sei auch ein bundesweiter Gesundheitsstrukturplan<br />
erforderlich, für den laut Schütz nur gelten kann:<br />
„Alle Macht dem Bund.“<br />
Autor Dr. Wolfgang Schütz<br />
1948 in Wien geboren, seit 10/2<strong>01</strong>6 als Universitätsprofessor<br />
für Pharmakologie emeritiert.<br />
Ausbildung:<br />
1973 Promotion zum Doktor der gesamten Heilkunde,<br />
1984 Facharzt für Pharmakologie.<br />
Beruflicher Werdegang:<br />
ab 1973 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für<br />
Pharmakologie der Universität Wien; Forschungsaufenthalte<br />
an der LMU München und der Universität Düsseldorf;<br />
1983 Habilitation in Pharmakologie und Toxikologie;<br />
1993 Berufung als Ordentlicher Universitätsprofessor<br />
Ämter und Funktionen:<br />
1995–2000 Vorstand des Instituts für Pharmakologie der<br />
Universität Wien; 1994–1996 Vorsitzender der Ethikkommission<br />
der Medizinischen Fakultät der Universität Wien<br />
und des Allgemeinen Krankenhauses der Stadt Wien;<br />
1995–2<strong>01</strong>4 Vorsitzender der Heilmittel-Evaluierungskommission<br />
(HEK) im Hauptverband der Österreichischen<br />
Sozialversicherungsträger; 1996–2003 Dekan der<br />
Medizinischen Fakultät der Universität Wien;<br />
2003–2<strong>01</strong>5 Rektor der Medizinischen Universität Wien<br />
<strong>SMZ</strong> INFO FRÜHJAHR 2<strong>01</strong>8<br />
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