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GEDENKARBEIT<br />
<strong>SMZ</strong> GEDENKFEIER <strong>2015</strong> – 70 JAHRE HOLOCAUST<br />
IN LIEBENAU / 70 JAHRE BEFREIUNG AUSCHWITZ<br />
VON USCHI POSSERT<br />
14<br />
<strong>SMZ</strong> INFO DEZEMBER <strong>2015</strong><br />
Es war eine berührende Veranstaltung am 16.<br />
April <strong>2015</strong> anlässlich der Gedenkfeier am Yom<br />
Ha Shoa-Tag: 70 Jahre Holocaust in <strong>Liebenau</strong><br />
und 70 Jahre Befreiung von Auschwitz.<br />
An die 130 Gäste kamen in die Neue Mittelschule<br />
Dr. Renner in <strong>Liebenau</strong>, nahmen von den SchülerInnen<br />
der NMS und der Volksschule Schönau<br />
kleine brennende Kerzen entgegen und lauschten<br />
ihren Friedensliedern, persönlichen Gedanken<br />
und Gedichten zum Holocaust. „Vergesst<br />
nur nicht, wenn wir auch nie mehr wiederkehren,<br />
wenn auch die Tage wandern und Jahre,...“ zitiert<br />
ein Schüler Peter David im KZ Auschwitz.<br />
In seiner Begrüßung richtet der Obmann des Sozialmedizinischen<br />
Zentrums, Dr. Rainer Possert,<br />
an die Stadt Graz nach wie vor die Forderung<br />
nach einer angemessenen Gedenkstätte. „Außergewöhnliche<br />
Ereignisse in der Geschichte<br />
brauchen ein außergewöhnliches Gedenken!“<br />
In den neuesten Luftbild-Gutachten zum Lager<br />
<strong>Liebenau</strong>, die das <strong>SMZ</strong> besitzt, ist genau ersichtlich,<br />
wo sich – metergenau vermessen – im<br />
Tatzeitraum zugeschüttete Bombentrichter und<br />
Gruben aus dem Jahr 1945 befinden, in denen<br />
weitere Opfer des Holocaust vermutet werden.<br />
Auch der Vorsitzende im <strong>Liebenau</strong>er Prozess<br />
von 1947, Sir Douglas Young, wurde in damaligen<br />
Zeitungsberichten mit folgenden Worten<br />
zitiert: „Die Zahl der <strong>Liebenau</strong>er Todesopfer ist<br />
weit höher als 53, es liegen dort noch viele unter<br />
der Erde.“<br />
„Zivilcourage liegt in der Verantwortung jedes<br />
einzelnen Menschen. Ihre Anwesenheit hier und<br />
heute ist ein starkes Zeichen gegen das Vergessen<br />
und für ein Nie-wieder der Gräueltaten des<br />
Nationalsozialismus, und ich hoffe, auch gegen<br />
jede Form von Antisemitismus und Rassismus,“<br />
lautet die Grußbotschaft von Zvi Heifetz, Botschafter<br />
des Staates Israel.<br />
GRAZ ALS NS-DREHSCHEIBE<br />
Der bekannte österreichische Pianist und Vorsitzende<br />
von RE.F.U.G.I.U.S. Rechnitz, Paul<br />
Gulda, weist in seiner Rede sehr eindringlich<br />
darauf hin, dass Graz oberster Sitz der nationalsozialistischen<br />
Befehlszentrale war:<br />
„Vergessen Sie niemals, dass Graz die Drehscheibe<br />
und Befehlszentrale jener fürchterlichen<br />
Geschehnisse war! Von hier aus wurden die Befehle<br />
zur Exekution der unzähligen arbeitsunfähigen,<br />
ausgemergelten und kranken Zwangsarbeiter<br />
gegeben, vertreten durch Gauleiter Sigfried<br />
Überreiter und seinem Stellvertreter Tobias Portschy<br />
bis ins burgenländische Rechnitz. Grausamen<br />
Verbrechen muss zwangsläufig „Sühne“<br />
folgen, um mit Dostojewski zu sprechen,“ betont<br />
Gulda und weiter:<br />
„Nachdem sich Graz „Stadt der Menschenrechte“<br />
nennt, muss Graz auch die kollektive Verantwortung<br />
der Opfer gegenüber wahrnehmen. Das<br />
heißt: Die angemessene Reaktion kann nur die<br />
Errichtung einer Gedenkstätte sein. Unter dem Boden<br />
hier in <strong>Liebenau</strong> befinden sich „Giftstoffe unserer<br />
Zeitgeschichte“ – ich berufe mich damit auf den<br />
im Burgenland ansässigen Autor Martin Pollack<br />
und sein Buch „Kontaminierte Landschaften.“<br />
KONTAMINIERUNG MUSS<br />
DEKONTAMINIERT WERDEN.<br />
„Denn das Gift ist ein schleichendes Gift, und<br />
schleichendes Gift hindert eine Gesellschaft an<br />
ihrer gedeihlichen Entwicklung. Also schaffen<br />
Sie Klarheit, bearbeiten Sie diese Tabus! In den<br />
mehr als zwanzig Jahren meines Engagements<br />
an der Aufklärung der Verbrechen in Rechnitz<br />
habe ich eines gelernt: Wir müssen der Geschichte<br />
offensiv statt passiv begegnen, damit<br />
eine neue Generation heranwachsen kann, die<br />
über ihre eigene Geschichte Bescheid weiß und<br />
somit immun gegen die Bedrohungen der Gegenwart<br />
werden kann!“<br />
In Vertretung des Grazer Bürgermeisters verspricht<br />
GR Andreas Molnár und Obmann des<br />
Grazer Ungarischen Vereins, alles zu versuchen,<br />
den <strong>Liebenau</strong>er Holocaust-Opfern einen<br />
Namen zu geben. Auch ein Teil seiner Vorfahren<br />
wurde Ende 1944 durch NS-Schergen ermordet.<br />
„Nach 70 Jahren,“ so Molnar, „ist es endlich<br />
Zeit, dieses tragische Kapitel der Geschichte in<br />
Graz-<strong>Liebenau</strong> emotionsfrei aufzuarbeiten, um<br />
den Nachkommen mehr berichten zu können<br />
und die schrecklichen Ereignisse in Erinnerung<br />
zu behalten.“<br />
Wie wichtig es ist, den Holocaust bereits mit den<br />
Kindern aufzuarbeiten, zeigt das Geschichtsprojekt<br />
der VS Schönau, das Direktorin Angela<br />
Kaltenböck-Luef mit den SchülerInnen anhand<br />
von großen Schautafeln präsentierte.