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SMZ Liebenau Info 02_2015

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ISSN: 2222-2308<br />

<strong>SMZ</strong> INFO DEZEMBER <strong>2015</strong>


IN DIESER AUSGABE<br />

MITARBEITERiNNEN<br />

DES <strong>SMZ</strong> LIEBENAU<br />

DR. RAINER POSSERT<br />

ARZT FÜR ALLGEMEINMEDIZIN<br />

PSYCHOTHERAPEUT<br />

DR. GUSTAV MITTELBACH<br />

ARZT FÜR ALLGEMEINMEDIZIN<br />

PSYCHOTHERAPEUT<br />

DSA<br />

CHRISTOPH PAMMER, MPH, MA<br />

GESCHÄFTSFÜHRER<br />

SABRINA KRENN, BSc<br />

ASSISTENTIN<br />

EDITORIAL 1<br />

SANDRA HOFER<br />

PRAXISASSISTENTIN<br />

VICTORIA FUCHS, MSc., BSc<br />

MUSIKTHERAPEUTIN<br />

MARTINA FREI, MPH, BSc.<br />

GESUNDHEITSFÖRDERUNG<br />

UND GEMEINWESENARBEIT<br />

ALENA STRAUSS, BSc.<br />

GESUNDHEITSFÖRDERUNG<br />

UND GEMEINWESENARBEIT<br />

ANAHITA SHARIFGERAMI, BA<br />

SOZIALARBEITERIN<br />

DR. MICHAEL SCHLAGER<br />

TURNUSARZT<br />

KRISTA MITTELBACH<br />

PSYCHOTHERAPEUTIN<br />

DSA THERESA AUGUSTIN<br />

PSYCHOTHERAPEUTIN<br />

DR. KATARINA PUNGERCIC<br />

ASSISTENZÄRZTIN FÜR PSYCHIATRIE,<br />

PSYCHOTHERAPEUTIN FÜR SYSTEMISCHE<br />

FAMILIENTHERAPIE IN AUSBILDUNG<br />

UNTER SUPERVISION<br />

GESUNDHEITSPOLITIK<br />

DAS <strong>SMZ</strong> IM KONTEXT DER AKTUELLEN GESUNDHEITSPOLITIK 2<br />

UMCARE – KONFERENZ IN BERLIN 3<br />

FESTAKT ZUM 30JÄHRIGEN JUBILÄUM DES <strong>SMZ</strong> 4<br />

LEITARTIKEL: JENSEITS DER MEDIZINISCHEN UND SOZIALEN AMNESIE 6<br />

GESUNDHEITSPOLITISCHE ÜBERLEGUNGEN ZUM FLÜCHTLINGSTHEMA 10<br />

GEDENKARBEIT<br />

<strong>SMZ</strong> GEDENKFEIER <strong>2015</strong> 14<br />

HELLO AND GOODBYE, GOODBYE GARDEN 16<br />

HELLO AND GOODBYE, FIZIASTRASSE 13 18<br />

GESUNDHEITSFÖRDERUNG<br />

DIE GESUNDHEITSFÖRDERNDEN POTENTIALE<br />

VON HEIMTIEREN AUF DEN MENSCHEN 21<br />

GESUNDHEITSPLATTFORM: „WIE GESUND ISST (MAN IN) LIEBENAU?“ 23<br />

VALIDATION UND DER WÜRDIGE UMGANG MIT DESORIENTIERTEN, ALTEN MENSCHEN 24<br />

SOZIALARBEIT<br />

SOZIALE ARBEIT IN SCHOTTLAND IM BEREICH KIND, JUGEND UND FAMILIE 26<br />

AUS DER STADTTEILARBEIT<br />

ERFOLGE <strong>2015</strong> – EIN ZWISCHENRESÜMEE 28<br />

MUSIK AM GRÜNANGER – EIN STADTTEILPROJEKT 30<br />

GEMEINSCHAFTSGARTEN SCHÖNAU 31<br />

BARRIEREFREIE STADTTEILARBEIT 32<br />

STARKE NACHBARSCHAFTEN 34<br />

ERSTER MUSIKTHERAPIE-STAMMTISCH STEIERMARK/KÄRNTEN IM <strong>SMZ</strong> 35<br />

WARUM SICH GESUNDHEIT NICHT VERORDNEN LÄSST 36<br />

AUFGESCHNAPPT! 38<br />

<strong>SMZ</strong> AKTUELL<br />

DAS <strong>SMZ</strong> STELLT SICH VOR 41<br />

HERZLICH WILLKOMMEN, BEN! & ABSCHIED CHRISTOPHER 43<br />

(K)EIN RUHESTAND – KEIN NACHRUF! 44<br />

IMPRESSUM<br />

HERAUSGEBER: <strong>SMZ</strong> <strong>Liebenau</strong>, <strong>Liebenau</strong>er Hauptstraße 141, 8041 Graz | TEL 0699 180 84 375 F (0316) 462340-19<br />

EMAIL smz@smz.at HOMEPAGE www.smz.at VEREINSREGISTER ZVR: 4337<strong>02</strong><strong>02</strong>5<br />

REDAKTION Dr. Rainer Possert, Mag. Uschi Possert, DSA Christoph Pammer, MPH, MA<br />

MITARBEITERINNEN dieser Ausgabe: Das Team des <strong>SMZ</strong> <strong>Liebenau</strong><br />

FOTOS Rainer Possert: Cover, Seiten 1, 9, 11-13, 16f. 18, 20, 28f., 33, 38f. 41, 44f.; Angelika Anna Reicher: S.18f.,<br />

45; Robert Frankl: S31f., restlichen Abbildungen: Team des <strong>SMZ</strong> <strong>Liebenau</strong><br />

LAYOUT + SATZ CUBAliebtdich.at DRUCK Universitätsdruckerei Klampfer, St. Ruprecht/Raab AUFLAGE 1.900 Stk.<br />

DR. WOLFGANG SELLITSCH<br />

JURIST


EDITORIAL<br />

Wenn Sie heuer „nur“ ein <strong>SMZ</strong>-<strong>Info</strong> per Post<br />

erhalten haben, so liegt das daran, dass wir<br />

im Mai eine mit 100 Seiten sehr umfangreiche<br />

Sondernummer anlässlich des 30-jährigen<br />

Bestehens publiziert haben und deshalb die<br />

Auflage und den Versand gering halten mussten.<br />

Restexemplare dieses einzigartigen historischen<br />

Dokuments über die Entwicklung der<br />

„Kritischen Medizin“ von den 70er Jahren bis<br />

heute können Sie um Euro 15.- erhalten oder<br />

auf unserer Webseite lesen.<br />

Der Mai, an sich ein Monat des Aufblühens,<br />

brachte die „Vertreibung“ des <strong>SMZ</strong> durch das<br />

Amt für Jugend und Familie aus dem Garten<br />

am Grünanger mit sich, jenes Amt, welches das<br />

mysteriöse Auffinden von NS-Mordopfern in<br />

den 90er Jahren im Areal des Kindergartens gegenüber<br />

unseres Gartens in keiner Weise aufgeklärt<br />

hat: ein Schelm, wer Böses dabei denkt.<br />

Wenngleich wir keine „Rechenschaftsberichte“<br />

zum Ende des Jahres publizieren, so können<br />

Sie diese Ausgabe als solche lesen. Nicht alle<br />

Aktivitäten haben Platz gefunden, insbesondere<br />

nicht jene außerordentlich zeitraubenden Besprechungen<br />

und notwendigen Vorbereitungsarbeiten<br />

mit BeamtInnen des Wohnungsamtes<br />

der Stadt Graz in Zusammenhang mit Subventionen<br />

für das Stadteilzentrum.<br />

Die Verhandlungen mit GKK und Ärztekammer<br />

für die Umwandlung unserer Einrichtung in ein<br />

PHC waren ebenso zeitintensiv. Obwohl wir bereits<br />

in der Öffentlichkeit als erstes Grazer PHC<br />

genannt werden – Landesrat Mag. Christopher<br />

Drexler unterstützt dieses Projekt – ist die „Suppe<br />

noch nicht gegessen“, es stehen noch einige<br />

Verhandlungsrunden bevor. DSA Christoph<br />

Pammer, unser neuer Geschäftsführer, steht<br />

uns dabei mit seinem Wissen als Soziologe und<br />

Gesundheitswissenschaftler seit Juni zur Seite.<br />

Hunderttausende auf dem Weg nach einem<br />

besseren Leben ins Zentrum Europas, Massenmorde<br />

in Paris, das „Leben-müssen“ mit<br />

der Angst vor Terror, Rechtsradikale auf der<br />

Straße und einigen europäischen Regierungen<br />

auf dem Vormarsch, das Säbelrasseln<br />

von USA und Russland in der Ukraine und in<br />

Syrien – die Kriege sind näher an die europäische<br />

Provinz Österreich gerückt – die „Insel der<br />

Seligen“ gehört der Vergangenheit an. Bei der<br />

Fertigstellung des <strong>Info</strong>s wurden wir von diesen<br />

Ereignissen überrollt, wir können keine Antworten<br />

geben, die Geschehnisse sind zu komplex.<br />

Die fotografierten Kinderzeichnungen wurden<br />

auf eine direkt am Meer gelegene Stützmauer<br />

in Savudrija (Kroatien) gemalt. In unmittelbarer<br />

Nähe befindet sich neben Ferienlagern<br />

für Kinder, ein großer Campingplatz inmitten<br />

eines Pinienwaldes: Hier waren während des<br />

Jugoslawienkrieges fünftausend Flüchtlinge<br />

aus Bosnien untergebracht. Diese Zeichnungen<br />

symbolisieren die Sehnsucht nach Frieden<br />

und bringen die Hoffnung auf eine bessere Welt<br />

zum Ausdruck.<br />

Rainer Possert<br />

<strong>SMZ</strong> INFO DEZEMBER <strong>2015</strong><br />

1


GESUNDHEITSPOLITIK<br />

DAS <strong>SMZ</strong> IM KONTEXT DER AKTUELLEN<br />

GESUNDHEITSPOLITIK<br />

VON GUSTAV MITTELBACH, CHRISTOPH PAMMER UND RAINER POSSERT<br />

VIELE PATIENTiNNEN FRAGEN UNS DIESER<br />

TAGE – NUN, NACHDEM DR. RAINER POSSERT<br />

ENDE JUNI PENSIONSBEDINGT SEINEN KASSEN-<br />

VERTRAG GEKÜNDIGT HAT, WIE ES MIT UNSERER<br />

LIEBENAUER PRAXISGEMEINSCHAFT WEITER-<br />

GEHEN KÖNNTE.<br />

Gleich vorweg, Dr. Gustav Mittelbach und seit<br />

kurzem auch Dr. Michael Schlager, der 30. Turnusarzt<br />

in der Praxisgemeinschaft sowie alle anderen<br />

MitarbeiterInnen stehen für Sie weiterhin<br />

täglich zu Ihrer Verfügung. Und das vielfältige<br />

Angebot des <strong>SMZ</strong> bleibt aufrecht, da Dr. Possert,<br />

sowohl als Obmann, als auch als Wahlarzt und<br />

Psychotherapeut in der Familienberatung weiterhin<br />

zu Ihrer Verfügung steht, zunehmend mit<br />

Schwerpunkt auf eine umfassende Versorgung<br />

von Männern mit sexuellen Problemstellungen.<br />

PHC-ZENTREN – NEU IN ÖSTERREICH<br />

2014 wurde ein Konzept für eine multiprofessionelle<br />

und interdisziplinäre Primärversorgung<br />

in Österreich namens „Das Team rund um den<br />

Hausarzt“ verabschiedet, das die gesetzliche<br />

Grundlage für die flächendeckende Einführung<br />

der so genannten PHC-Zentren (Primary Health<br />

Care-Zentren) bildet.<br />

Die beabsichtigten Veränderungen bestehen<br />

hauptsächlich darin, dass verschiedene ambulante<br />

Gesundheitsdienste, jedenfalls aber<br />

Krankenschwestern- oder Pfleger in allgemeinmedizinischen<br />

Gemeinschaftspraxen tätig sind,<br />

die auch an den Tagesrandzeiten (7 bis 19 Uhr)<br />

geöffnet haben. In städtischen Regionen sollen<br />

multiprofessionelle Teams unter einem Dach als<br />

„PHC-Zentren“ entstehen, in ländlichen Regionen<br />

als „PHC-Netzwerke“ auf vertraglicher Basis,<br />

ohne eine zentrale Anlaufstelle.<br />

DAS <strong>SMZ</strong> ALS KÜNFTIGES PHC-ZENTRUM?<br />

Wir sehen uns bestätigt, dass wir mit unserer Arbeit<br />

bereits seit fast 31 Jahren sämtliche „jetzt<br />

modernen“ Kriterien eines künftigen PHC-Zentrums<br />

erfüllen und mit unserem breit gefächerten<br />

psychosozialen Angebot und den Gesundheitsförderungsaktivitäten<br />

inklusive Gemeinwesenund<br />

Stadtteilarbeit, weit über die geforderten<br />

Kriterien hinausragen. Dementsprechend wird<br />

das <strong>SMZ</strong> in einem Artikel in der Kleinen Zeitung<br />

vom 18. Oktober <strong>2015</strong> als „erstes PHC-Zentrum“<br />

der Steiermark sowie als „Paradebeispiel“ und<br />

„Best-practice-Unternehmen“ charakterisiert, das<br />

„für die neue Rolle in der Basisversorgung adaptiert<br />

und für Österreich beispielhaft aufgestellt<br />

werden soll.“ Das sei übrigens „die beste Nachricht<br />

seit langem, die wir aus dem Gesundheitssystem<br />

hören.“ (Didi Hubmann)<br />

2<br />

<strong>SMZ</strong> INFO DEZEMBER <strong>2015</strong><br />

WIR SEHEN UNS BESTÄTIGT, DASS WIR MIT<br />

UNSERER ARBEIT BEREITS SEIT FAST 31 JAHREN<br />

SÄMTLICHE „JETZT MODERNEN“ KRITERIEN EINES<br />

KÜNFTIGEN PHC-ZENTRUMS ERFÜLLEN UND MIT<br />

UNSEREM BREIT GEFÄCHERTEN PSYCHOSOZIALEN<br />

ANGEBOT UND DEN GESUNDHEITSFÖRDERUNGS-<br />

AKTIVITÄTEN INKLUSIVE GEMEINWESEN- UND<br />

STADTTEILARBEIT, WEIT ÜBER DIE GEFORDERTEN<br />

KRITERIEN HINAUSRAGEN.


GESUNDHEITSPOLITIK<br />

<strong>SMZ</strong> GOES INTERNATIONAL<br />

„UMCARE“ – KONFERENZ IN BERLIN<br />

VON CHRISTOPH PAMMER<br />

Pflege und Gesundheitsversorgung sind in<br />

Deutschland (und in Österreich) vom neoliberalen<br />

Umbau des Sozialstaates massiv betroffen.<br />

Wer es sich nicht leisten kann, ist von einer bedarfsgerechten<br />

Versorgung zunehmend ausgeschlossen.<br />

Die Beschäftigten im Gesundheitswesen<br />

inkl. Pflege leiden unter Stress, niedrigen<br />

Löhnen und prekären Arbeitsverhältnissen. Auch<br />

für pflegende Angehörige steigt der Druck.<br />

Von 15. Bis 18. Oktober nahm das Team des<br />

<strong>SMZ</strong> <strong>Liebenau</strong> an einer Konferenz der Rosa<br />

Luxemburg Stiftung in Berlin teil. In zahlreichen<br />

Workshops wurden Strategien für einen grundlegenden<br />

Perspektivenwechsel – eine „UmCare“<br />

– ausgetauscht.<br />

Auf der Konferenz nahmen Angehörige und<br />

Menschen mit Pflegebedarf, Beschäftigte in<br />

Gesundheits- und Sozialeinrichtungen, Gewerkschaften<br />

und Verbände teil, die folgende Fragen<br />

beschäftigten:<br />

■■<br />

■■<br />

■■<br />

■■<br />

„Im Gesundheitswesen kommt die Absurdität<br />

unserer Wachstumsökonomie in besonderer<br />

Weise auf den Punkt. Wenn es<br />

um menschliches Leiden geht, um Pflege<br />

und Sorgearbeit, ist vielen unverständlich,<br />

warum so elementare gesellschaftliche<br />

Arbeiten in privaten Unternehmen, nach<br />

Profitkriterien organisiert werden sollten.“<br />

Barbara Fried und Hannah Schurian,<br />

Rosa-Luxemburg-Stiftung, Oktober, <strong>2015</strong><br />

Wie lässt sich der Abbau des Sozialstaates<br />

aufhalten oder umkehren?<br />

Wie schaffen wir eine bedarfsgerechte Infrastruktur,<br />

die solidarisch finanziert und demokratisch<br />

gestaltet ist?<br />

Wie wehren wir uns gegen die Prekarisierung<br />

von Lebens- und Arbeitsbedingungen?<br />

Wie verbinden wir gewerkschaftliche Arbeitskämpfe<br />

mit den Anliegen derer, die auf<br />

Pflege und Unterstützung angewiesen sind?<br />

Das Interesse der Kolleginnen und Kollegen<br />

aus Deutschland am <strong>SMZ</strong> <strong>Liebenau</strong> als wohn-<br />

ortnahe und soziale Gesundheitsversorgung war<br />

enorm. Dazu trug wesentlich ein Forschungsprojekt<br />

des Vereins demokratischer Ärztinnen und<br />

Ärzte bei, in dessen Rahmen das <strong>SMZ</strong> mit zwei<br />

weiteren ambulanten Gesundheitseinrichtungen<br />

in Belgien sowie Griechenland verglichen wurde.<br />

Die interdisziplinäre und multiprofessionelle<br />

Versorgung im <strong>SMZ</strong>, kombiniert mit den Arbeitsbereichen<br />

Gesundheitsförderung, Gemeinwesenarbeit<br />

und Stadtteilarbeit, wirkten auf viele<br />

KonferenzteilnehmerInnen überzeugend. Dass<br />

das <strong>SMZ</strong> im Zuge seiner Gedenkarbeit zudem<br />

auch antifaschistische Ziele verfolgt, wurde in<br />

vielen Wortmeldungen der Anwesenden äußerst<br />

positiv aufgefasst.<br />

Wir sind guter Hoffnung, die Diskussion über die<br />

Möglichkeiten der Primärversorgung in Deutschland<br />

inhaltlich erweitert zu haben.<br />

In meinem Konferenzbeitrag, in Vertretung von<br />

Rainer Possert, nahm ich Bezug zu den Plänen<br />

für PHC-Zentren in Österreich, die Arztpraxen<br />

hierzulande zunehmend ersetzen sollen.<br />

Während dieser Plan zahlreiche Vorteile bieten<br />

kann, ist die Einführung von PHC-Zentren auch<br />

mit Gefahren und Risiken verbunden. Nämlich<br />

dann, wenn Macht- und Profitinteressen auch<br />

in Primärversorgungseinrichtungen überwiegen<br />

und wenn diese auf dem Rücken der Patientinnen<br />

und Patienten, etwa in Form hoher<br />

Selbstbehalte, bürokratischer Kontrolle oder<br />

rigider Therapieschemata ausgetragen werden<br />

sollen.<br />

Folgerichtig wurde in Berlin darüber gesprochen,<br />

welche Gegenstrategien zur Aufrechterhaltung<br />

einer sozialen und kritischen Medizin- und Gesundheitsversorgung<br />

im <strong>SMZ</strong> <strong>Liebenau</strong><br />

beitragen können, ohne auf die Vorteile durch<br />

die anstehenden Veränderungen zu verzichten.<br />

<strong>SMZ</strong> INFO DEZEMBER <strong>2015</strong><br />

3


GESUNDHEITSPOLITIK: 30JÄHRIGES JUBILÄUM<br />

FESTAKT ZUM 30JÄHRIGEN<br />

JUBILÄUM DES <strong>SMZ</strong><br />

4<br />

<strong>SMZ</strong> INFO DEZEMBER <strong>2015</strong><br />

AM 29. MAI <strong>2015</strong> FEIERTE DAS SOZIALMEDIZI-<br />

NISCHE ZENTRUM LIEBENAU SEIN MITTLERWEI-<br />

LE 30JÄHRIGES BESTEHEN. LANDESRAT MAG.<br />

CHRISTOPHER DREXLER UND UNIV.-PROF. DR.<br />

JOSEF SMOLLE, REKTOR DER MEDIZINISCHEN<br />

UNIVERSITÄT GRAZ, ERÖFFNETEN GEMEINSAM<br />

MIT OBMANN DR. RAINER POSSERT DEN ABEND.<br />

ALS FESTREDNER WAR PROF. EM. HEINER KEUPP<br />

VON DER JOSEF-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT<br />

MÜNCHEN GELADEN.<br />

Rainer Possert begrüßte die zahlreichen Gäste<br />

und fasste die Geschichte des <strong>SMZ</strong> zusammen.<br />

Vor drei Jahrzehnten wurde mit der Gründung des<br />

Sozialmedizinischen Zentrums in <strong>Liebenau</strong> eine<br />

neue Art der Kooperation im Gesundheitswesen<br />

geschaffen, die heute noch immer ein Pilotprojekt<br />

darstellt und für ganz Österreich vorbildhaft<br />

ist. Mehr als 30 Jahre lang hat das <strong>SMZ</strong> versucht,<br />

Ideen einer kritischen und solidarischen Medizin<br />

mit Beispielen und Experimenten in der ärztlichen<br />

Praxisgemeinschaft und dem Verein für praktische<br />

Sozialmedizin in <strong>Liebenau</strong> und in Graz in die<br />

Realität umzusetzen, ohne in die realpolitischen<br />

Fallstricke der Gesundheitsarbeit zu tappen.<br />

Christopher Drexler zollte unserer Arbeit allein<br />

durch seine Anwesenheit am Vorabend der<br />

Landtagswahl großen Respekt. In seiner Rede<br />

kam der für seine rhetorische Gewandtheit bekannte<br />

Politiker nicht umhin, amüsierte Nachfragen<br />

zu dem in der Einladung zur Jubiläumsfeier<br />

hervorgehobenen roten Stern zu stellen: Wenn<br />

dieser so gut sichtbar ist, dürfe man sich nicht<br />

wirklich wundern, dass der Weg bis hierher nicht<br />

konfliktfrei verlaufen wäre. Rektor Josef Smolle<br />

sprach über die Pionierleistung des <strong>SMZ</strong> für die<br />

Allgemeinmedizin in Graz und darüber hinausreichend<br />

und hob das Wirken der Medizinalräte<br />

Dr. Mittelbach und Dr. Possert in der Praxis, der<br />

Politik und im Bereich Forschung und Lehre an<br />

der Mediznischen Universität Graz hervor.<br />

Dr. Kirsten Schubert und Dr. Renia Vagkopoulov<br />

vom Verein demokratischer Ärztinnen und Ärzte,<br />

die extra aus Berlin angereist waren, bedankten<br />

sich beim <strong>SMZ</strong> für den guten <strong>Info</strong>rmationsaustausch<br />

über die Grenzen hinweg. Schubert<br />

betonte in ihrer Ansprache, dass der Erfolg des<br />

<strong>SMZ</strong> nur zu verstehen ist, wenn man die politische<br />

Haltung der Gründungszeit mitdenkt: Kapitalismuskritik,<br />

Soldidarität mit der Arbeiterschaft,<br />

Antifaschismus und kritische Medizin.“<br />

Als Gastreferent für den Jubiläumsabend konnte<br />

Univ.-Prof. em. DDr. Heiner Keupp aus Münschen<br />

gewonnen werden. Keupp studierte Psychologie<br />

und Soziologie, bevor er aufgrund seiner Forschungsarbeiten<br />

über die soziale Entstehung<br />

psychischer Erkrankungen an der Ludwig-Maximilians-Universtät<br />

München habilitierte. Er gilt als<br />

Vordenker und Pionier der Gemeindepsychiatrie,<br />

hat zahlreiche Fachbegriffe der Sozialpsychologie<br />

geprägt und die Erforschung und aktive Veränderung<br />

sozialer Ursachen von Gesundheit und<br />

Krankheit bis heute beibehalten. Als Prof. Emeritus<br />

ist er in unterschiedlichen Ausbildungslehrgängen,<br />

wie etwa für Klinische- und Gesundheitspsychologie<br />

auch österreichweit tätig.


GESUNDHEITSPOLITIK<br />

WENN DU EIN SCHIFF BAUEN WILLST,<br />

SO TROMMLE NICHT MENSCHEN ZUSAMMEN,<br />

UM HOLZ ZU BESCHAFFEN, WERKZEUGE<br />

VORZUBEREITEN, AUFGABEN ZU VERGEBEN<br />

UND DIE ARBEIT EINZUTEILEN, SONDERN LEHRE<br />

DEN MENSCHEN DIE SEHNSUCHT NACH<br />

DEM WEITEN ENDLOSEN MEER.<br />

(ANTOINE DE SAINT-EXUPÉRY)<br />

<strong>SMZ</strong> INFO DEZEMBER <strong>2015</strong><br />

5


GESUNDHEITSPOLITIK: LEITARTIKEL<br />

JENSEITS DER MEDIZINISCHEN<br />

UND SOZIALEN AMNESIE –<br />

DAS VERGESSEN DER SOZIALEN FRAGE<br />

FESTREDNER PROF. HAINER KEUPP – ZUSAMMENGEFASST VON CHRISTOPH PAMMER<br />

6<br />

<strong>SMZ</strong> INFO DEZEMBER <strong>2015</strong><br />

HAINER KEUPP STELLTE ALS<br />

FESTREDNER FOLGENDE FRAGEN:<br />

Warum ist in der Welt der Medizin und der<br />

psychosozialen Berufe die Bedeutung des eigenen<br />

Tuns in der Gesellschaft immer weiter<br />

in den Hintergrund getreten? Haben Gesundheitsberufe<br />

überhaupt noch eine Sprache, in<br />

der formuliert werden kann, was die Befindlichkeit<br />

von Menschen mit ihrem gesellschaftlichen<br />

Sein zu tun hat? Benützen Medizin,<br />

Psychologie, Psychotherapie, Soziale Arbeit<br />

eine Fachsprache, die Wörter dafür findet, wie<br />

gesellschaftliche Strukturen mit Gesundheit<br />

und Krankheit zusammenhängen?<br />

Zum Einstieg findet Keupp selbst deutliche Formulierungen,<br />

um strukturelle, krankmachende<br />

Ursachen ins Blickfeld zu nehmen:<br />

„Der globalisierte Kapitalismus hat zu einer<br />

spürbaren Beschleunigung und Verdichtung<br />

der Abläufe in den beruflichen und privaten<br />

Lebenswelten geführt. Die deutlichen<br />

Belege für eine Zunahme von Burnout und<br />

Depressionen lassen sich als Hinweise auf<br />

diese Entwicklung verstehen. Sie führen bei<br />

zunehmend mehr Menschen zu dem Gefühl<br />

der Erschöpfung. Die Antworten auf diese<br />

Probleme dürfen nicht in individualisierenden<br />

Strategien gesucht werden, sondern<br />

erfordern kollektive Aktionen.“<br />

Die gesellschaftliche Antwort erstrecke sich,<br />

so Keupp, auf die Individualisierung des Leids,<br />

was durch eine Verdopplung der Antidepressiva-Verschreibungen<br />

innerhalb von zehn Jahren<br />

erkennbar sei. Die Medikalisierung anderer psychosozialer<br />

Problemlagen wie u. a. von ADHS<br />

bei Kindern seien schwerwiegende Fehlentwicklungen,<br />

die gesundheitspolitisch nicht verhindert<br />

worden sind. Und entgegen den PR-Versprechungen<br />

der Pharmaindustrie handle es sich bei<br />

den krankmachenden Verschreibungen nicht um<br />

echte Lösungen, da sie bestenfalls die Symptome<br />

lindern, während die Ursachen für den dramatischen<br />

Anstieg psychischer und psychiatrischer<br />

Erkrankungen in allen Altersgruppen in den<br />

gesellschaftlichen Veränderungen zu suchen<br />

seien.<br />

„GESELLSCHAFTSDIAGNOSTIK“<br />

STATT IMMER MEHR „KLINIFIZIERUNG“<br />

Es sind also gesellschaftliche Veränderungen,<br />

die die immer häufiger werdenden Anpassungsschwierigkeiten<br />

und psychischen Probleme<br />

hervorrufen. Keupp sieht die Gesundheitsberufe<br />

eindeutig in die Pflicht genommen, auf diese<br />

gesellschaftliche Verursachung stärker als bisher<br />

hinzuweisen, gegen die Individualisierung<br />

gesellschaftlicher Problemlagen anzukämpfen<br />

und eine geeignete Fachsprache für eine Gesellschaftsdiagnostik<br />

zu entwickeln. Und die zu-


DAS VERGESSEN DER SOZALEN FRAGE<br />

Albrecht Dürer, Melancolia I (1514):<br />

Man sieht eine engelhafte Figur, die mit<br />

allen zur Verfügung stehenden Mitteln<br />

herausfinden möchte, was es ist, das<br />

die Welt im Innersten zusammen hält<br />

und zur Einschätzung gelangt, es ist die<br />

Melancholie.<br />

Eine Gegendarstellung von Lukas von<br />

Cranach (Die Melancholie, 1532), der<br />

18 Jahre später ein gleichbenanntes<br />

Bild malte, zeigt bereits den Beginn der<br />

Neuzeit, in der der frühe Kapitalismus,<br />

begleitet von protestantischer<br />

Werteethik (Luther: „Die Traurigkeit<br />

kommt vom Satan!“) dazu führte,<br />

dass ein Gefühl für die Bedeutung der<br />

Melancholie verloren geht: Die Engelsfigur<br />

bei Cranach sitzt ohne sinnvolle<br />

Betätigung da, hinter ihr ein Ausblick<br />

auf die Probleme in der Welt.<br />

nehmende Geschwindigkeit in allen Lebensbereichen,<br />

die höhere Mobilität und Verstädterung,<br />

die Wissens-, Arbeits-, <strong>Info</strong>rmations- und nicht<br />

zuletzt die Gesundheitsgesellschaft führt tatsächlich<br />

immer häufiger dazu, dass die Bewältigungsmöglichkeiten<br />

des einzelnen Menschen<br />

zur Integration der ansteigenden Herausforderungen<br />

im eigenen Lebensentwurf nicht immer<br />

oder nicht mehr ausreichen. Die „Klinifizierung“,<br />

also die Herausbildung immer ausdifferenzierterer<br />

medizinischer Behandlungsmethoden der<br />

Folgeschäden der gesellschaftlichen Verhältnisse,<br />

kann nicht die einzige Antwort darstellen.<br />

DIE ERSCHÖPFTE GESELLSCHAFT –<br />

VON DER MELANCHOLIE ZUR DEPRESSION<br />

Die inflationäre Verwendung der Diagnose „Depression“<br />

muss also kritisch reflektiert werden.<br />

Prof. Keupp verfolgt, ausgehend von Theophrasts<br />

Frage, Wieso die meisten Männer, die<br />

sich in der Philosophie, der Politik und in Künsten<br />

ausgezeichnet hatten, Melancholiker sind?“ die<br />

Entstehungsgeschichte der Depression mit bedeutsamen<br />

kulturhistorischen Veränderungen in<br />

Europa am Beginn der Neuzeit (16. Jhdt.).<br />

Die entstehende kapitalistische Gesellschaft hat<br />

eine Norm durchgesetzt, nach der ein melancholischer<br />

Habitus seine Wertschätzung verliert.<br />

Das neue Menschenbild, das in Frage gestellt<br />

werden muss, zeichnet sich durch viel mehr<br />

Möglichkeiten als bisher zur Selbstentfaltung<br />

und Identitätsfindung – und damit mehr Möglichkeiten<br />

für das Scheitern – aus. Siegmund<br />

Baumann meinte über die Anforderungen an<br />

das postmoderne Menschenbild nicht ohne ironischen<br />

Unterton:<br />

„Man muss sich heutzutage freuen können<br />

über die Chance, Identitäten anzunehmen<br />

und wieder abzulegen und sein Leben auf<br />

der endlosen Jagd nach immer intensiveren<br />

Glücksgefühlen und immer aufregenderen<br />

Erfahrungen zu verbringen.“<br />

Nicht jeder entspricht diesen von der Gesellschaft<br />

sehr wohl an jeden herangetragenen Anforderungen.<br />

Jene, die es nicht schaffen, sind<br />

dann der „Schmutz der postmodernen Reinheit“.<br />

Robert J. Lifton beschreibt das „proteische<br />

Selbst“ sowie den Verlust von persönlicher Widerstandskraft<br />

in einer immer stärker fragmentierten<br />

Gesellschaft. Das „proteische Selbst“<br />

steht in stark wechselwirkender Beziehung mit<br />

dem zunehmenden Verlust von sozialem Zusammenhalt.<br />

Der proteische Mensch wird deshalb<br />

als Gefahr beschrieben, weil er sich permanent<br />

neu erfinden konnte.<br />

Diese Fähigkeit wird heutzutage jedoch positiv<br />

gesehen, insbesondere in der Arbeitswelt, die<br />

sich ebenfalls schnell wandelt. Der früheren Disziplinargesellschaft<br />

(Foucault) wurde ein Modell<br />

<strong>SMZ</strong> INFO DEZEMBER <strong>2015</strong><br />

7


GESUNDHEITSPOLITIK: LEITARTIKEL<br />

IN SUMME SIND WIR ALLE DEN<br />

LEBENSBEDINGUNGEN GEWISSERMASSEN<br />

„AUSGELIEFERT“ UND MÜSSEN UNS<br />

DIE AUFGEZWÄNGTE SELBSTOPTIMIERUNG<br />

SELBST AUSGESUCHT HABEN<br />

8<br />

<strong>SMZ</strong> INFO DEZEMBER <strong>2015</strong><br />

der Betonung der Eigenmotivation (Han) gegenübergestellt.<br />

In Summe sind wir also alle den Lebensbedingungen<br />

gewissermaßen „ausgeliefert“ und<br />

müssen uns sogar die aufgezwängte Selbstoptimierung<br />

selbst ausgesucht haben. „Gerade<br />

damit hat die depressive Erschöpfung aber auf<br />

der individuellen Ebene ursächlich zu tun,“ sagt<br />

Keupp. „Das vorgegebene und selbstgesteckte<br />

Ziel der Optimierung kann nicht erreicht werden.<br />

Und mehr noch: Auch die Gesellschaft selbst<br />

scheint erschöpft und bietet kaum motivierende,<br />

positive Entwürfe für das gesellschaftliche<br />

Zusammenleben.“<br />

HOFNARR ODER HOFRAT?<br />

DIE ROLLE DER GESUNDHEITSBERUFE<br />

„Am Kaiserhof des Kapitalismus mag der<br />

Psychologe die bunteste Mütze tragen, aber<br />

er bleibt doch eher Hofnarr als Hofrat. Vielleicht<br />

ist das auch gut so, denn der Hofnarr<br />

hat einen Abstand zu den Anpassungsforderungen<br />

zu Hofe, der dem Hofrat mangelt.“<br />

(Wolfgang Schmidbauer, 20<strong>02</strong>)<br />

Trotz seines erst kurzen Aufenthaltes in Graz erkennt<br />

Prof. Keupp in den Vorreden unserer Jubiläumsveranstaltung,<br />

dass auch das <strong>SMZ</strong> <strong>Liebenau</strong><br />

„eher beim Hofnarr als beim Hofrat“ steht,<br />

und „das ist gut so!“<br />

Keupps Thesen zur heutigen Rolle der Gesundheitsberufe:<br />

1.) Die Gesundheitsberufe können als seismographische<br />

Voranzeiger gesellschaftlicher Probleme<br />

wirken, weil sie deren Auswirkungen am Individuum<br />

sehen und dabei wahrnehmen, welche<br />

Ressourcen fehlen. Neben der psychodiagnostischen<br />

muss auch eine gesellschaftsdiagnostische<br />

Einordnung vorgenommen werden.<br />

2.) Russel Jacoby begründete den Begriff der<br />

Sozialen Amnesie – „Gesellschaftsvergessenheit“<br />

und meinte, dass gerade die Gesundheitsberufe<br />

stark betroffen seien. Nachgefragt,<br />

fanden aber alle an einer Studie teilnehmenden<br />

PsychologInnen, dass sie in ihrer privaten Lebenswelt<br />

für Probleme sensibilisiert werden, die<br />

sie auch an KlientInnen wahrnehmen können,<br />

welche gesellschaftliche Strukturveränderungen<br />

thematisierten.<br />

3.) Gesundheitsberufe müssen sich zur Lösung<br />

gesellschaftlicher Problemstellungen positionieren<br />

und dabei die Interessen der Betroffenen<br />

anwaltschaftlich vertreten und besonders das<br />

Gesundheitsinteresse und die Menschenrechte<br />

schützen. Da es an Sprache mangelt, mangelt<br />

es vermutlich auch an einer Stimme der psychosozialen<br />

Berufe in den Protestbewegungen, was<br />

Heiner Keupp anhand von PEGIDA vs. REFU-<br />

GEES WELCOME thematisiert.<br />

WIR DANKEN PROF. HEINER KEUPP FÜR SEINEN<br />

TIEFGREIFENDEN VORTRAG UND DEN BESUCH<br />

IM <strong>SMZ</strong> LIEBENAU ANLÄSSLICH UNSERES<br />

30JÄHRIGEN JUBLIÄUMS.


DAS VERGESSEN DER SOZALEN FRAGE<br />

<strong>SMZ</strong> INFO DEZEMBER <strong>2015</strong><br />

7


GESUNDHEITSPOLITIK<br />

GESUNDHEITSPOLITISCHE ÜBERLEGUNGEN<br />

ZUM FLÜCHTLINGSTHEMA<br />

VON GUSTAV MITTELBACH<br />

10<br />

<strong>SMZ</strong> INFO DEZEMBER <strong>2015</strong><br />

WESENTLICHE GESUNDHEITSRELEVANTE FRAGEN<br />

ERSCHEINEN UNS DERZEIT VÖLLIG UNGEKLÄRT:<br />

▪ Wer kümmert sich um wichtige sanitätspolizeiliche<br />

und präventive Maßnahmen im Umgang<br />

mit den Flüchtlingen? Werden von den<br />

Gesundheitsbehörden (Amtsärzte, Landes-Sanitätsdirektion,<br />

Gesundheitsämter) als Vertreter<br />

der „öffentlichen Gesundheit“ akute und chronische<br />

Erkrankungen und bestimmte wesentliche<br />

Infektionserkrankungen erfasst, wird der<br />

Impfstatus der Flüchtlinge überprüft, werden<br />

nötige Impfungen (für Kinder und Erwachsene)<br />

ergänzt, bestimmte Screening-Funktionen<br />

durchgeführt oder ist z.B. der Röntgenbus an<br />

der Grenze im Einsatz? Gibt es bereits koordinierte<br />

Einsätze und Krisenstäbe der Gesundheitsbehörden?<br />

Wenn ja, warum wird das in der<br />

Öffentlichkeit nicht kommuniziert?<br />

▪ Laut UN-Menschenrechtskonvention Art. 21<br />

besteht für Flüchtlinge das Recht auf ärztliche<br />

Versorgung und notwendige soziale Leistungen.<br />

▪ 1999 hat es eine vorbildliche steirische Aktion<br />

zur Erst-Versorgung von 900 bosnischen<br />

Flüchtlingen gegeben, an der alle vorhandenen<br />

staatlichen Organisationen, einschließlich Katastrophenschutz,<br />

Rotes Kreuz, Kinderklinik, Gesundheitsämter,<br />

etc. gemeinsam mit freiwilligen<br />

HelferInnen (u.a. geschulte bosnische Grazer<br />

StudentInnen als Dolmetscher von Omega) beteiligt<br />

waren.<br />

Zitat von Ex-Spitzendiplomat Wolfgang Petrisch<br />

im Standard vom 31.10.<strong>2015</strong>: …“aus Bosnien<br />

und Herzegowina kamen …in den Neunzigern<br />

binnen kurzer Zeit 160.000 Flüchtlinge nach Österreich,<br />

aber im Rückblick gibt es nur Positives<br />

über das Management zu sagen. Damals hat die<br />

Regierung Leadership bewiesen, heute tun das<br />

nur die Hilfsorganisationen. Die Zivilgesellschaft<br />

hat den Ruf Österreichs gerettet. Die Regierenden<br />

hingegen stehen ziemlich daneben – von den<br />

G e m e i n d e n b i s h i n a u f z u r B u n d e s r e g i e r u n g … “<br />

„ ... Statt Asylanträge zu ignorieren, bewusst langsam<br />

zu bearbeiten oder Lager zu schließen, tat<br />

Österreich damals genau das Gegenteil: Man<br />

rüstete sich für weitere 60.000 Flüchtlinge und<br />

machte kein Geheimnis daraus, dass man sie<br />

aufnehmen werde. Das Ergebnis war die „De<br />

Facto“ – Aktion zwischen 1992 und 98. „De Facto“<br />

bezog sich dabei auf die faktische Gleichstellung<br />

der Kriegs-Flüchtlinge mit Flüchtlingen<br />

gemäß der Genfer Konvention.<br />

Krieg macht keinen Unterschied<br />

zwischen einzelnen Personen und ist<br />

damit gemäß der Genfer Konvention<br />

kein Asylgrund im engeren Sinn.<br />

„Zu schützen sind Kriegsflüchtlinge aber trotzdem<br />

für jedes Land, das die Europäische Menschenrechtskonvention<br />

mitträgt. Österreich tat<br />

also, was zu tun war... Die Betreuung von Asylwerbern<br />

und Kriegsflüchtlingen sei vor 20 Jahren<br />

von Beamten gemacht worden, die keine Welle<br />

und keinen Ansturm vor sich sahen, sondern<br />

eine Aufgabe , die es zu lösen galt“<br />

(orf.at 10.8.<strong>2015</strong><br />

http://orf.at/stories/2292981/2292970/ )<br />

▪ Derzeit organisieren rund um Spielfeld niedergelassene<br />

AllgemeinmedizinerInnen – aus<br />

Eigeninitiative, neben ihrer normalen Arbeit, gemeinsam<br />

mit dem Roten Kreuz einen ärztlichen<br />

Bereitschaftsdienst an der Grenze, für den sich<br />

weitere freiwillige Ärzte zur Verfügung stellen.<br />

Wenigstens wird diese Arbeit von der öffentlichen<br />

Hand mit 50,00 €/Stunde unterstützt – das<br />

gilt aber nicht für die anderen psychosozialen<br />

Gesundheitsberufe! Werden diese Einsätze von<br />

öffentlichen Stellen koordiniert? Ist ein ähnlicher<br />

Einsatz in Graz, Leoben etc. geplant…? Dazu ist<br />

uns derzeit nichts bekannt.


GESUNDHEITSPOLITIK<br />

▪ Das Kriseninterventionsteam (KIT), eine freiwillige,<br />

sehr aktive und bewährte Einsatzgruppe<br />

des Landes, könnte für Einsätze auf bis zu 400<br />

HelferInnen zurückgreifen. Laut Primaria Dr.<br />

Purtscher hat es jedoch an dieses Team bis heute<br />

keinerlei offizielle Aufträge zur Flüchtlingsbetreuung<br />

gegeben.<br />

▪ Auch die langjährig erfahrenen Organisationen<br />

Zebra und Omega mit reicher fremdsprachiger<br />

und Krisenbewältigungs-Kompetenz im Umgang<br />

mit traumatisierten Menschen wurden nicht in<br />

ein Krisenmanagement einbezogen.<br />

▪ Konkretes Detail: Warum gibt es keine warmen<br />

Mahlzeiten für die Flüchtlinge an der<br />

Grenze von offizieller Seite, sondern nur von<br />

Freiwilligen? Wo sind die Gulaschkanonen des<br />

Bundesheeres?<br />

▪ In den letzten Jahren ist es üblich geworden,<br />

dass viele öffentliche Aufgaben (auch im gesundheitlichen<br />

und psychosozialen Bereich)<br />

aus den Behörden ausgelagert, quasi privatisiert,<br />

wurden. Daraus ist eine reiche Landschaft<br />

verschiedenster Organisationen entstanden,<br />

die wert- und qualitätsvolle Arbeit, jedoch zum<br />

Teil auch in Konkurrenz zueinander, verrichten.<br />

Diese Vereine erhalten Subventionen der öffentlichen<br />

Hand und könnten daher selbstverständlich<br />

entsprechende Aufträge für Kriseneinsätze<br />

erhalten. Wenn es entsprechende Pläne<br />

gäbe!<br />

▪ Vorerst bleibt nur der freiwillige Einsatz, der<br />

von der Koordinationsstelle für Notfall- und Katastrophenmedizin<br />

des Landes organisiert wird<br />

(Tel. 0316/ 877-3518). Weitere Organisationen,<br />

bei denen Sie Ihre Mitarbeit anmelden können,<br />

finden Sie auf der Ärztekammerseite www.aekstmk.or.at/568.<br />

▪ Hervorzuheben ist die Aktion MEDeinander der<br />

Gynäkologin Dr. Vesna Bjelic-Radisic, die sich<br />

aus eigener Betroffenheit engagiert<br />

(http://fluechtlinge.kinderwunsch.institut.at)<br />

▪ In Wien hat sich eine interessante Initiative von<br />

ÄrztInnen gebildet: Sie bietet medizinische Hilfe<br />

für Flüchtlinge, organisiert seit August Einsätze<br />

vieler freiwilliger ÄrztInnen und hat Pläne, auch<br />

im Süden Österreichs aufzutreten.<br />

www.medicalaidforrefugees.at<br />

<strong>SMZ</strong> INFO DEZEMBER <strong>2015</strong><br />

11


GESUNDHEITSPOLITIK<br />

10<br />

<strong>SMZ</strong> INFO DEZEMBER <strong>2015</strong>


<strong>SMZ</strong> GEDENKFEIER <strong>2015</strong><br />

<strong>SMZ</strong> INFO DEZEMBER <strong>2015</strong><br />

11


GEDENKARBEIT<br />

<strong>SMZ</strong> GEDENKFEIER <strong>2015</strong> – 70 JAHRE HOLOCAUST<br />

IN LIEBENAU / 70 JAHRE BEFREIUNG AUSCHWITZ<br />

VON USCHI POSSERT<br />

14<br />

<strong>SMZ</strong> INFO DEZEMBER <strong>2015</strong><br />

Es war eine berührende Veranstaltung am 16.<br />

April <strong>2015</strong> anlässlich der Gedenkfeier am Yom<br />

Ha Shoa-Tag: 70 Jahre Holocaust in <strong>Liebenau</strong><br />

und 70 Jahre Befreiung von Auschwitz.<br />

An die 130 Gäste kamen in die Neue Mittelschule<br />

Dr. Renner in <strong>Liebenau</strong>, nahmen von den SchülerInnen<br />

der NMS und der Volksschule Schönau<br />

kleine brennende Kerzen entgegen und lauschten<br />

ihren Friedensliedern, persönlichen Gedanken<br />

und Gedichten zum Holocaust. „Vergesst<br />

nur nicht, wenn wir auch nie mehr wiederkehren,<br />

wenn auch die Tage wandern und Jahre,...“ zitiert<br />

ein Schüler Peter David im KZ Auschwitz.<br />

In seiner Begrüßung richtet der Obmann des Sozialmedizinischen<br />

Zentrums, Dr. Rainer Possert,<br />

an die Stadt Graz nach wie vor die Forderung<br />

nach einer angemessenen Gedenkstätte. „Außergewöhnliche<br />

Ereignisse in der Geschichte<br />

brauchen ein außergewöhnliches Gedenken!“<br />

In den neuesten Luftbild-Gutachten zum Lager<br />

<strong>Liebenau</strong>, die das <strong>SMZ</strong> besitzt, ist genau ersichtlich,<br />

wo sich – metergenau vermessen – im<br />

Tatzeitraum zugeschüttete Bombentrichter und<br />

Gruben aus dem Jahr 1945 befinden, in denen<br />

weitere Opfer des Holocaust vermutet werden.<br />

Auch der Vorsitzende im <strong>Liebenau</strong>er Prozess<br />

von 1947, Sir Douglas Young, wurde in damaligen<br />

Zeitungsberichten mit folgenden Worten<br />

zitiert: „Die Zahl der <strong>Liebenau</strong>er Todesopfer ist<br />

weit höher als 53, es liegen dort noch viele unter<br />

der Erde.“<br />

„Zivilcourage liegt in der Verantwortung jedes<br />

einzelnen Menschen. Ihre Anwesenheit hier und<br />

heute ist ein starkes Zeichen gegen das Vergessen<br />

und für ein Nie-wieder der Gräueltaten des<br />

Nationalsozialismus, und ich hoffe, auch gegen<br />

jede Form von Antisemitismus und Rassismus,“<br />

lautet die Grußbotschaft von Zvi Heifetz, Botschafter<br />

des Staates Israel.<br />

GRAZ ALS NS-DREHSCHEIBE<br />

Der bekannte österreichische Pianist und Vorsitzende<br />

von RE.F.U.G.I.U.S. Rechnitz, Paul<br />

Gulda, weist in seiner Rede sehr eindringlich<br />

darauf hin, dass Graz oberster Sitz der nationalsozialistischen<br />

Befehlszentrale war:<br />

„Vergessen Sie niemals, dass Graz die Drehscheibe<br />

und Befehlszentrale jener fürchterlichen<br />

Geschehnisse war! Von hier aus wurden die Befehle<br />

zur Exekution der unzähligen arbeitsunfähigen,<br />

ausgemergelten und kranken Zwangsarbeiter<br />

gegeben, vertreten durch Gauleiter Sigfried<br />

Überreiter und seinem Stellvertreter Tobias Portschy<br />

bis ins burgenländische Rechnitz. Grausamen<br />

Verbrechen muss zwangsläufig „Sühne“<br />

folgen, um mit Dostojewski zu sprechen,“ betont<br />

Gulda und weiter:<br />

„Nachdem sich Graz „Stadt der Menschenrechte“<br />

nennt, muss Graz auch die kollektive Verantwortung<br />

der Opfer gegenüber wahrnehmen. Das<br />

heißt: Die angemessene Reaktion kann nur die<br />

Errichtung einer Gedenkstätte sein. Unter dem Boden<br />

hier in <strong>Liebenau</strong> befinden sich „Giftstoffe unserer<br />

Zeitgeschichte“ – ich berufe mich damit auf den<br />

im Burgenland ansässigen Autor Martin Pollack<br />

und sein Buch „Kontaminierte Landschaften.“<br />

KONTAMINIERUNG MUSS<br />

DEKONTAMINIERT WERDEN.<br />

„Denn das Gift ist ein schleichendes Gift, und<br />

schleichendes Gift hindert eine Gesellschaft an<br />

ihrer gedeihlichen Entwicklung. Also schaffen<br />

Sie Klarheit, bearbeiten Sie diese Tabus! In den<br />

mehr als zwanzig Jahren meines Engagements<br />

an der Aufklärung der Verbrechen in Rechnitz<br />

habe ich eines gelernt: Wir müssen der Geschichte<br />

offensiv statt passiv begegnen, damit<br />

eine neue Generation heranwachsen kann, die<br />

über ihre eigene Geschichte Bescheid weiß und<br />

somit immun gegen die Bedrohungen der Gegenwart<br />

werden kann!“<br />

In Vertretung des Grazer Bürgermeisters verspricht<br />

GR Andreas Molnár und Obmann des<br />

Grazer Ungarischen Vereins, alles zu versuchen,<br />

den <strong>Liebenau</strong>er Holocaust-Opfern einen<br />

Namen zu geben. Auch ein Teil seiner Vorfahren<br />

wurde Ende 1944 durch NS-Schergen ermordet.<br />

„Nach 70 Jahren,“ so Molnar, „ist es endlich<br />

Zeit, dieses tragische Kapitel der Geschichte in<br />

Graz-<strong>Liebenau</strong> emotionsfrei aufzuarbeiten, um<br />

den Nachkommen mehr berichten zu können<br />

und die schrecklichen Ereignisse in Erinnerung<br />

zu behalten.“<br />

Wie wichtig es ist, den Holocaust bereits mit den<br />

Kindern aufzuarbeiten, zeigt das Geschichtsprojekt<br />

der VS Schönau, das Direktorin Angela<br />

Kaltenböck-Luef mit den SchülerInnen anhand<br />

von großen Schautafeln präsentierte.


DAS VERGESSEN DER SOZALEN FRAGE<br />

BLEIBEN WIR WACHSAM!<br />

LEIDER GIBT ES VIEL ZU VIELE ORTE DES GRAUENS.<br />

DER SCHRECKEN LIEGT VIEL NÄHER ALS MAN ERWARTET!<br />

KNOCHENFUNDE BEIM KINDERGARTENBAU 1991<br />

Nach einem Gebet von Kantor Alexander Lerner<br />

begeben sich die Gäste zum Kindergarten in<br />

die Andersengasse 49, wo am 5. April 1991 bei<br />

Grabungsarbeiten zum Neubau des Gebäudes<br />

die sterblichen Überreste zweier mutmaßlicher<br />

Opfer gefunden und still und leise entsorgt wurden,<br />

statt Nachforschungen zu betreiben.<br />

Luftbildaufnahmen von 1945 zufolge, wurde dieser<br />

Kindergarten auf einem riesigen, verfüllten<br />

Bombentrichter errichtet. „Den Rand des Trichters<br />

haben wir nach Vermessungsangaben mit<br />

Kreide markiert,“ sagt Dr. Possert. „Ob in diesem<br />

Bombentrichter weitere Opfer verscharrt sind,<br />

wissen wir nicht, es könnte aber durchaus sein,...“<br />

In Vertretung des Landeshauptmannes, betont<br />

Klaus Zenz, Abgeordneter zum steirischen<br />

Landtag, dass die weiße Kreidemarkierung des<br />

Bombentrichters ruhig noch viel dicker hätte ausfallen<br />

können – „als Zeichen der Erinnerung an<br />

die dunkelsten Stunden der Grazer und steirischen<br />

Geschichte, aber auch an die Befreiung<br />

von der Nazidiktatur vor 70 Jahren! Auch ich<br />

habe einen Großteil meiner Familie aus besagten<br />

politischen Gründen verloren.“<br />

DIE STIMMEN DER JUNGEN<br />

POLITISCHEN GENERATION<br />

Jakob Fahrner von den jungen Grünen: „Für<br />

mich ist eine Gedenkstätte mit Bildungsschwerpunkt<br />

hier am Grünanger ein wichtiges Anliegen,<br />

sie soll Kinder und Jugendliche in Schulen ansprechen,<br />

es müssten auch Führungen organisiert<br />

werden. In diesem Sinne werde ich Ihre<br />

Forderungen unterstützen!“<br />

Der Gedenkmarsch bewegt sich weiter zur ehemaligen<br />

„Kommandantur“, Andersengasse 34,<br />

dem einzigen Ziegelgebäude im ehemaligen<br />

Lagerareal, das bis heute erhalten geblieben ist.<br />

Darin befinden sich das <strong>SMZ</strong>-Stadtteilzentrum,<br />

ein Jugendzentrum und Sozialwohnungen.<br />

Robert Krotzer von der kommunistischen Jugend<br />

erinnert an die vielen Opfer vor allem in<br />

den letzten Kriegstagen 1945, die die Befreiung<br />

vom Faschismus nicht mehr erleben durften.<br />

Er erzählt die ihn prägenden Worte des Widerstandskämpfers<br />

Rudi Haunschmid, der den<br />

NS-Terror im KZ überlebt hat: „ Robert, du bist<br />

jung und ich möchte dir das mit auf den Weg geben:<br />

Wenn die Leute sagen, hört´s doch auf mit diesen<br />

alten G`schichten und zieht´s endlich einen<br />

Schlussstrich – dann sag ja! Aber nicht wir Jungen<br />

müssen aufhören, sondern alle die müssen<br />

aufhören mit den alten Geschichten von Antisemitismus,<br />

von Kriegstreiberei, Rassismus und<br />

Nationalismus!“<br />

Als letzter Redner betont Joachim Hainzl vom<br />

Mauthausen Komitee Österreich noch einmal:<br />

„Bleiben wir wachsam! Leider gibt es viel zu viele<br />

Orte des Grauens. Der Schrecken liegt viel näher<br />

als man erwartet!“<br />

Der Holocaust vor der Haustüre. Die dritte<br />

Gedenkfeier in <strong>Liebenau</strong> seit 2013 klingt mit<br />

„Hymn,“ einem Akkordeonstück von Aron Jay<br />

Kernis, interpretiert von Stefan Mancic und<br />

dem Abschlussgebet von Kantor Alexander<br />

Lerner aus.<br />

<strong>SMZ</strong> INFO DEZEMBER <strong>2015</strong><br />

15


GRÜNANGER<br />

HELLO AND GOODBYE, GOODBYE GARDEN<br />

VON CHRISTOPH PAMMER<br />

16<br />

<strong>SMZ</strong> INFO DEZEMBER <strong>2015</strong><br />

DER SOMMER <strong>2015</strong> IN LIEBENAU WAR HEISS,<br />

DER <strong>SMZ</strong>-SOMMER BEWEGT UND AUCH IM<br />

HERBST WAR AM GRÜNANGER EINIGES LOS.<br />

EINE CHRONOLOGIE DER EREIGNISSE RUND UM<br />

DEN GARTEN VOR UNSEREM STADTTEILZENT-<br />

RUM AM GRÜNANGER UND DEN EHEMALIGEN<br />

„SCHLECKER“ IN DER FIZIASTRASSE 13.<br />

Kein anderer Ort hat im Sommer <strong>2015</strong> im <strong>SMZ</strong><br />

mehr Aufmerksamkeit erregt wie der Garten in<br />

der Andersengasse 32-34 und das leerstehende,<br />

zum Abriss bestimmte Nachbargebäude Fiziastrasse<br />

13.<br />

Der Garten selbst stellt sich auf Luftbildern von<br />

1945 als möglicher Exerzierplatz vor dem einzigen<br />

befestigten Gebäude (Kommandantur?) im<br />

damaligen Zwangsarbeiterlager <strong>Liebenau</strong> dar.<br />

Heute befinden sich in diesem geschichtsträchtigen,<br />

langgezogenen Gebäude u.a. die Räumlichkeiten<br />

des <strong>SMZ</strong>-Stadtteilzentrums Grünanger.<br />

Gleich gegenüber, auf der anderen Straßenseite,<br />

liegt der städtische Kindergarten, bei dessen Bau<br />

1991 sterbliche Überreste zweier NS-Opfer entdeckt<br />

wurden.<br />

Seit 2011, damals eine so genannte „Gstettn“,<br />

wurde der Garten vom <strong>SMZ</strong> <strong>Liebenau</strong> genutzt.<br />

Nach der Schließung der Außenstelle des Jugendamts<br />

hielten wir ein sozialarbeiterisches<br />

Beratungsangebot in der Andersengasse 32-34<br />

aufrecht, so lag auch die Bestellung des Gartens<br />

mit dem Einverständnis der Stadt auf der Hand.<br />

Eine gemeinsame Nutzung der Räumlichkeiten<br />

(<strong>SMZ</strong>-Veranstaltungsmöglichkeit) mit WIKI,<br />

das dort ein Jugendzentrum betreibt, kam hinzu,<br />

was sich jedoch als äußerst schwierig und<br />

konfliktsträchtig gestaltete. Außerdem teilen wir<br />

unser Büro mit INPUT, einem Anbieter von Unterstützungsmaßnahmen<br />

für Kinder. Mittlerweile<br />

war der Garten in mühevoller Kleinarbeit mit Bewohnern<br />

gestaltet und ausgestattet, Kräuter- und<br />

Blumenbeete kamen hinzu und wir zäunten ihn<br />

ein. „Kunst im öffentlichen Raum“ stellte dem<br />

<strong>SMZ</strong> eine stattliche Sitzgruppe aus Stein zur Verfügung.<br />

Wir errichteten eine Gerätehütte und zwei<br />

Hochbeete im Rahmen des gemeinschaftlichen<br />

Gartelns.<br />

STADT GRAZ KÜNDIGT „BITTLEIHVERTRAG“<br />

Am 28. Mai erhielt das <strong>SMZ</strong> ein unangekündigtes<br />

Schreiben des Jugendamtes, in dem der<br />

Garten-Prekariatsvertrag („Bittleihe“) des <strong>SMZ</strong><br />

aufgekündigt und die Nutzung des Gartens mit<br />

einer Räumungsfrist von zwei Wochen untersagt<br />

wurde. Auf Nachfrage war zu erfahren, dass<br />

den Expansionswünschen der dem Jugendamt<br />

nahestehenden Organisationen Wiki und Input<br />

noch vor einem längeren Urlaub des zuständigen<br />

Beamten entsprochen werden sollte.<br />

Wir <strong>SMZ</strong>-MitarbeiterInnen in der Gemeinwesen-<br />

und Stadtteilarbeit vor Ort waren empört,<br />

der Treffpunkt der offenen Band „Amazing Grünanger“<br />

gefährdet, auch die Bewegungsangebote<br />

des <strong>SMZ</strong>, die im Garten mit Aufwärm- und<br />

Dehnübungen starten, würden fortan wohl auf<br />

dem Gehsteig durchgeführt werden müssen. Wir<br />

sammelten vor Ort 200 Unterschriften gegen die<br />

Kündigung des Gartens durch die Stadt Graz.<br />

KUNST IN DER FIZIASTRASSE 13<br />

Etwa zeitgleich kontaktierte Edith Draxl von UniT<br />

– Kunstlabor Graz das <strong>SMZ</strong> <strong>Liebenau</strong>, um im<br />

Rahmen des LaStrada-Festivals über mögliche<br />

Kooperationen in einem Sommer-Kunstprojekt


HELLO AND GOODBYE<br />

im Bezirk <strong>Liebenau</strong> zu beraten. Es gelang, das<br />

ehemalige „Schlecker-Gebäude“ in der Fiziastrasse<br />

13 als Zentrum des Kunstprojekts „Hello &<br />

goodbye“ zu nutzen. Von dort aus starteten über<br />

eine Woche lang 24 geführte Fahrradtouren zu<br />

mehr als 20 Standorten in <strong>Liebenau</strong>. Das <strong>SMZ</strong> organisierte<br />

dabei auch historische Spaziergänge<br />

durch das ehemalige Zwangsarbeiter-Lagerareal.<br />

Dr. Rainer Possert war mit einer temporären Gedenkstätte<br />

vertreten: Sie bezeichnete einen zwischen<br />

dem 20. April und 2. Mai 1945 verfüllten<br />

Bombentrichter vor und im Schlecker-Gebäude.<br />

Dabei schrieb der syrisch-orthodoxe Theologe<br />

Ephrem Isaak in großen, braunroten Lettern ein<br />

Gebet an die Wand. Daneben ein Triptychon<br />

von Rainer Possert, das 16 seiner Fotografien,<br />

aufgenommen im – nach Jahrzehnten wieder<br />

geöffneten – Keller der ehemaligen „Lager-Kommandantur,“<br />

zeigte. Die Fotos wurden flankiert<br />

von Luftbildern der alliierten Streitkräfte aus dem<br />

Frühjahr 1945.<br />

WHERE MARTYRS HAVE BEEN KILLED, AND HAVE<br />

THEIR LIMBS SEVERED, THAT IS WHERE THE HOLY<br />

SPIRIT DWELL SAND SPREADS IN THE WILDERNESS.<br />

WO MÄRTYRER VERSTÜMMELT UND<br />

ERMORDET WURDEN, DORT VERWEILT<br />

DER HEILIGE GEIST UND BREITET SICH<br />

IN DER WILDNIS AUS.<br />

„Die Presse“ berichtete in der Printausgabe vom<br />

08.08.<strong>2015</strong> ausführlich über Posserts Kunstprojekt<br />

in <strong>Liebenau</strong>. Unter dem Titel „Es ist heute<br />

so, weil´s gestern so gewesen“ – eine Anspielung<br />

auf die Fortschreibung des ehemaligen<br />

Lagerareals als stigmatisiertes Wohngebiet und<br />

den heutigen Umgang mit den NS-Verbrechen in<br />

Graz. Am Grazer Grünanger würde „ein gegenwärtiges<br />

Elend vom Elend der Vergangenheit<br />

profitieren, die Stigmatisierung zu billigen Mieten<br />

führen und die Stadt Graz bei alldem quasi noch<br />

als edler Spender dagestanden sein,“ schreibt<br />

Wolfgang Freitag von „Die Presse.“<br />

Link zum Presse-Artikel, „Spektrum“,<br />

online vom 7.8.<strong>2015</strong>:<br />

http://diepresse.com/home/spectrum/zeichenderzeit/4795451/Es-ist-heut-so-weils-gesternso-gewesen<br />

Durch die Kooperation mit UniT und die Fahrradtouren<br />

durch <strong>Liebenau</strong> im Rahmen von „Hello<br />

und goodbye“ entdeckten auch wir <strong>SMZ</strong>ler Neues<br />

und Inspirierendes in „unserem“ Bezirk. Und<br />

nicht zuletzt sagten auch wir unserem Garten<br />

„goodbye.“ Erzwungenermaßen.<br />

VOM GARTEN ZU NEUEN „GSTETTN“<br />

In der Nutzung des <strong>SMZ</strong>-Gartens setzten sich<br />

also die Interessen der Parteiorganisationen<br />

durch. Als Ersatz erhielten wir statt des verloren<br />

gegangenen, schön hergerichteten und<br />

gut ausgestatteten Gartens zwei angrenzende<br />

Grünflächen, die wir nun wiederum als „Gstettn“<br />

übernehmen und wieder unter Mithilfe der BewohnerInnen<br />

nutzbar machen und gemeinsam<br />

gestalten wollen. „Sisyphus-Arbeit“ nennen wir<br />

das und meinen daher, um mit Albert Camus zu<br />

sprechen, „dass das Absurde nur insofern einen<br />

Sinn hat, als man sich nicht mit ihm abfindet.“<br />

<strong>SMZ</strong> INFO DEZEMBER <strong>2015</strong><br />

17


GRÜNANGER<br />

HELLO AND GOODBYE, FIZIASTRASSE 13<br />

VON RAINER POSSERT<br />

18<br />

<strong>SMZ</strong> INFO DEZEMBER <strong>2015</strong><br />

Mit dem Abriss des ehemaligen „Schlecker“-Gebäudes<br />

in der Fiziastrasse 13 wollten das Wohnungsamt<br />

der Stadt Graz und „Wohnen Graz“<br />

(als Wirtschaftsbetrieb der Stadt Graz) ein klares<br />

Zeichen setzen. Obwohl die nutzbare Fläche von<br />

400m 2 im „Zentrum“ des Grünanger einen idealen<br />

Veranstaltungsort und Raum für Kommunikation<br />

abgegeben hätte, wurde diesem Bedürfnis der<br />

BewohnerInnen nicht Rechnung getragen.<br />

Jetzt ist eine mit Felsbrocken eingegrenzte Erdfläche<br />

sichtbar, die sich ab dem kommenden<br />

Frühjahr zu einer am Grünanger nicht unüblichen<br />

„Gstettn“ auswachsen wird. Unkraut statt<br />

Kommunikation.<br />

Womit das Amt in einer anderen Sache nicht<br />

gerechnet hatte: Das Gebäude wurde einst<br />

über einem, im April 1945, verfüllten Bombentrichter<br />

errichtet, dessen genaue Lage ich auf<br />

Grund zweier Fachgutachten genau lokalisieren<br />

konnte und im Rahmen einer Veranstaltung von<br />

LaStrada/Kunstlabor Graz sichtbar gemacht habe.<br />

Der ca. 7 Meter große und ca. 3-4 Meter tiefe<br />

Bombentrichter wurde bei Schalungsarbeiten für<br />

den Keller in den 1970er Jahren geöffnet. Ob damals<br />

Opfer geborgen wurden, ist nicht bekannt.<br />

Auf jeden Fall wurden 1992, in einer Entfernung<br />

von 100 Metern – am Gelände des Kindergartens,<br />

Skelette zweier mutmaßlicher NS-Opfer bei<br />

Bauarbeiten gefunden. In 50 Meter Entfernung<br />

befindet sich eine noch nicht geöffnete Grube, in<br />

der Opfer verscharrt sein könnten.<br />

Auf Grund der sehr öffentlichkeitswirksamen<br />

Gedenkarbeit des <strong>SMZ</strong> wurde das gesamte<br />

ehemalige Lagergebiet bereits im Frühjahr <strong>2015</strong><br />

als „archäologische Bodenfundstelle“ durch<br />

das Bundesdenkmalamt (BDA) im Flächenwidmungsplan<br />

ausgewiesen. Das bedeutet, dass<br />

ab diesem Zeitpunkt, Bauarbeiten am gesamten<br />

Grünanger dem BDA hätten gemeldet werden<br />

müssen, was beim Abriss der abgebrannten Baracke<br />

Andersengasse 38 im Mai <strong>2015</strong> nicht beachtet<br />

wurde.<br />

Durch die farbliche Kennzeichnung des Bombentrichters<br />

und die Errichtung einer temporären<br />

Gedenkstätte vor und im ehemaligen Schleckergebäude<br />

im Rahmen von La Strada/Kunstlabor<br />

Graz, (mehr als 150 Personen haben die Kunstinstallation<br />

gesehen) ist es mir gelungen, öffentlich<br />

eindringlich darauf hinzuweisen, dass<br />

beim Aufgraben „verdächtiger“ Strukturen am<br />

Grünanger sehr wohl auf die Geschichte des Ortes<br />

Rücksicht genommen werden muss.<br />

Obwohl ursprünglich von Seiten des Wohnungsamtes<br />

davon gesprochen wurde, beim Abriss<br />

des Schleckergebäudes dessen Keller ohne


GRÜNANGER: HELLO AND GOODBYE<br />

Freitagsgebet in aramäischer Schrift der syrisch-orthodoxen Kirche (12. JH).:<br />

WO MÄRTYRER VERSTÜMMELT UND ERMORDET WURDEN, DORT VERWEILT DER HEILIGE<br />

GEIST UND BREITET SICH IN DER WILDNIS AUS.<br />

genauere Nachschau „zuzuschütten“, wurden,<br />

unter Aufsicht eines Archäologen des Bundesdenkmalamtes<br />

und MitarbeiterInnen des <strong>SMZ</strong>,<br />

die Kellerwände und das Fundament des Kellers<br />

am 8. Oktober abgetragen. Es konnten keine<br />

Opfer gefunden werden.<br />

HIERMIT KÖNNEN FOLGENDE SCHLÜSSE<br />

GEZOGEN WERDEN:<br />

1.) Es befanden sich nie Opfer in dem zugeschütteten<br />

Trichter.<br />

2.) Opfer wurden noch in der Kriegszeit ausgegraben<br />

und an einen anderen Ort verbracht (so<br />

geschehen in der SS-Kaserne Wetzelsdorf)<br />

3.) Opfer wurden beim Bau des Kellers in den<br />

60er Jahren aufgefunden und wie es häufig üblich<br />

war, mit dem Aushub weggebracht.<br />

(Bauakt nicht auffindbar, Polizeiakten aus dieser<br />

Zeit nicht auffindbar, Gerichtsmedizinische Akten<br />

nicht zugänglich)<br />

4.) Für die zukünftigen BewohnerInnen des<br />

Wohnhauses Fiziastrasse 13 besteht lt. BDA<br />

jedoch keine Sicherheit, dass sich im nicht unterkellerten<br />

Bereich (ca. 50% der Fläche) keine<br />

Opfer befinden.<br />

Zum ersten Mal seit Kriegsende musste die<br />

Stadt Graz bei der Errichtung eines Gebäudes<br />

im ehemaligen Lagerbereich auf mögliche Opferfunde<br />

achten, was bei früheren Grabungen –<br />

auch bei der Errichtung von Kanälen, beim Bau<br />

des Kindergartens und auch der Hochhäuser in<br />

der Kasernstrasse – nicht der Fall war.<br />

„Der ganze Grünanger ist ein Friedhof“, so die<br />

Archäologin Univ.-Prof. Dr. Claudia Theune-Vogt<br />

am 28. April <strong>2015</strong> bei einer wissenschaftlichen<br />

Tagung zum Lager <strong>Liebenau</strong> in Graz.<br />

Die zahlreichen, auf Luftbildern gut erkennbaren<br />

„verfüllten“ Bombentrichter und „Gruben“ sind<br />

zum Teil noch für archäologische Untersuchungen<br />

zugänglich (z.B. Kindergarten und bestimmte<br />

Brachflächen), andere wurden überbaut.<br />

Wie bei Redaktionsschluss bekannt wurde, soll<br />

das Murkraftwerk Puntigam doch noch errichtet<br />

werden. Nach der Rodung des Baumbestandes<br />

entlang der Mur, werden großräumige Grabungen<br />

im Lagerbereich entlang der Mur notwendig.<br />

Wir gehen davon aus, dass diese mit äußerster<br />

Sorgfalt stattfinden, und dass mögliche sterbliche<br />

Überreste von NS-Opfern nicht auf der Stelle<br />

mit der Baggerschaufel zerstört werden, um<br />

die Bauarbeiten nicht zu verzögern.<br />

<strong>SMZ</strong> INFO DEZEMBER <strong>2015</strong><br />

19


GRÜNANGER<br />

18<br />

<strong>SMZ</strong> INFO DEZEMBER <strong>2015</strong>


GESUNDHEITSFÖRDERUNG<br />

DIE GESUNDHEITSFÖRDERNDEN POTENTIALE<br />

VON HEIMTIEREN AUF DEN MENSCHEN<br />

VON MARTINA FREI<br />

Seit meiner Kindheit werde ich von unterschiedlichen<br />

Haustieren begleitet. Aus eigener Erfahrung<br />

weiß ich, was es heißt, ein Tier an der Seite zu<br />

haben, und ich bin der festen Überzeugung, dass<br />

ich in Bezug auf meine Gesundheit und in meinem<br />

Wohlbefinden von seiner Anwesenheit profitieren<br />

konnte.<br />

Im Rahmen meines Public Health Studiums beschäftigte<br />

ich mich intensiv mit den so genannten<br />

„Tiergestützten Interventionen“ und stellte<br />

diese in meinem Lehrgang vor. Mein Lehrgangsleiter<br />

bestärkte mich, weiter an diesem Thema<br />

zu arbeiten, und so war das Thema meiner Masterarbeit<br />

gefunden: „Die gesundheitsfördernden<br />

Potentiale von Heimtieren auf den Menschen.“<br />

Hauptaugenmerk dieser Masterarbeit liegt nicht<br />

auf den Tiergestützten Interventionen, sondern<br />

auf den gesundheitsfördernden Effekten von<br />

Heimtieren, unserem, wie Boris M. Levinson<br />

sie nannte, „therapeutischen Element im Alltag“<br />

(Greiffenhagen und Buck-Werner 2011:45).<br />

Seit Beginn der Menschheit gibt es eine Beziehung<br />

zwischen Mensch und Tier. Zu allen Zeiten<br />

der Geschichte des Menschen waren Tiere ein<br />

wichtiger Bestandteil im menschlichen Leben.<br />

Diese Beziehung war stets ambivalent, kulturabhängig<br />

und von einem unterschiedlichen Werteund<br />

Bedeutungswandel geprägt, mit dem sich<br />

auch Respekt und Wertschätzung gegenüber<br />

Tieren immer wieder veränderten.<br />

Menschen sind seit jeher von Tieren abhängig:<br />

Sie dienten als Nahrungs- und Kleidungslieferanten,<br />

Nutz- und Lastentiere, Haus- und Hofhüter,<br />

waren teilweise sogar religiös und mythisch<br />

verehrte Wesen und stellten treue Begleiter dar.<br />

Heute ist die Beziehung Mensch und Tier kontrovers<br />

geprägt. Einerseits werden Tiere ausgenutzt<br />

wie noch nie zuvor, zum Beispiel in Form von<br />

Massentierhaltungen, andererseits werden sie<br />

vermehrt als wichtige Lebenspartner anerkannt<br />

und ihre positiven Effekte auch zur Förderung von<br />

Gesundheit eingesetzt. Trotz des technischen<br />

Fortschritts haben Tiere auf der Welt noch verschiedenste<br />

Funktionen für Menschen und tragen<br />

mit ihren Fähigkeiten zur Erhöhung der Lebensqualität<br />

und einer besseren Lebensgestaltung bei<br />

(vgl. Otterstedt 2003: 15ff.).<br />

In Österreich gibt es rund 1,5 Millionen Katzen<br />

und 580.000 Hunde. In 17% der österreichischen<br />

Haushalte leben Hunde, Hunde und Katzen<br />

gemeinsam in 6,4% und Katzen in 26% der<br />

Haushalte (vgl. Petcom <strong>2015</strong>).<br />

Die Anzahl an Heimtieren in unserer Gesellschaft<br />

steigt stetig, wodurch auch das Interesse<br />

an ihren gesundheitsfördernden Potentialen<br />

stark zunimmt.<br />

Erste Aufzeichnungen über die heilenden Effekte<br />

von Tieren stammen aus dem achten Jahrhundert<br />

und erscheinen im Laufe der Zeit immer wieder.<br />

Bereits im 18. Jahrhundert gab es in England<br />

eine Einrichtung für psychisch Kranke, die es PatientInnen<br />

erlaubte, Kleintiere zu halten und zu<br />

versorgen. Mönche des Klosters York wussten<br />

schon vor 200 Jahren, dass Gebete und Tiere<br />

dem Menschen helfen, auch ein Epileptikerzentrum<br />

in Deutschland setzte von Anfang an auf<br />

die heilenden Effekte von Tieren. Leider wurden<br />

solche Pionierprojekte immer wieder vergessen<br />

oder mangelhaft dokumentiert und waren somit<br />

für die moderne Naturwissenschaft wertlos (vgl.<br />

Greiffenhagen und Buck-Werner 2011: 13f.).<br />

TIERE ALS CO-THERAPEUTEN<br />

Ein Meilenstein in der Erforschung der<br />

Mensch-Tier-Beziehung war die Publikation<br />

des amerikanischen Kinderpsychiaters Boris<br />

M. Levinson über seine Erfahrungen mit Tieren<br />

als Co-Therapeuten im Jahr 1969. Er entdeckte<br />

die so genannte „Eisbrecherfunktion“ von<br />

Tieren und nutzte seine Erkenntnisse, um Tiere<br />

in seiner Arbeit einzusetzen. Gerade durch<br />

Levinsons Publikation wurde das Interesse am<br />

Forschungsfeld der Mensch-Tier-Beziehung<br />

geweckt.<br />

Heute werden Tiere in der „Tiergestützten Therapie“<br />

ganz gezielt eingesetzt, um ein Dreieck<br />

aus TherapeutIn, Tier und PatientIn zu schaffen<br />

und um über das Tier eine gemeinsame Kommunikations-<br />

und Vertrauensbasis herzustellen.<br />

TIERISCHE EINFLÜSSE<br />

Haustiere haben Forschungen zufolge gesundheitsfördernden<br />

Einfluss auf uns Menschen. Die<br />

wichtigsten Punkte möchte ich kurz zusammenfassen,<br />

weil sie Körper, Seele, aber auch unser<br />

soziales Handeln, positiv beeinflussen.<br />

<strong>SMZ</strong> INFO DEZEMBER <strong>2015</strong><br />

21


GESUNDHEITSFÖRDERUNG<br />

TIERE GEBEN VIELE POSITIVE GEFÜHLE ZURÜCK:<br />

SIE KÖNNEN TROST SPENDEN,<br />

KUSCHELN GERNE UND VERRINGERN<br />

EINSAMKEITSGEFÜHLE UND ÄNGSTE.<br />

22<br />

<strong>SMZ</strong> INFO DEZEMBER <strong>2015</strong><br />

• Wer z.B. regelmäßig mit seinem Hund spazieren<br />

geht, verändert seine Tagesstruktur,<br />

weil man regelmäßig Auslauf für das Tier<br />

bieten muss – „bei jedem Wind und Wetter.“<br />

Damit senken wir nachweislich unseren Blutdruck<br />

und stabilisieren durch die regelmäßige<br />

Bewegung Puls- und Herzfrequenz und<br />

somit den Kreislauf.<br />

• Auch der Muskeltonus entspannt sich durch<br />

den Körperkontakt und die Interaktion mit<br />

dem Tier, Glückshormone werden ausgeschüttet.<br />

• Unser Bewegungsradius erweitert sich allmählich,<br />

und die Bewegungsfreude wird größer<br />

(auch bei Kindern).<br />

• Heimtiere haben einen positiven Einfluss auf<br />

die soziale Entwicklung von Kindern, insbesondere<br />

auf das Einfühlungsvermögen. Der<br />

Umgang mit einem Tier lehrt Kinder, die Gefühle<br />

und Bedürfnisse eines anderen Lebewesens<br />

wahrzunehmen und diese Fähigkeit<br />

auf Interaktionen mit anderen Menschen zu<br />

übertragen.<br />

• Jeder, der ein Haustier besitzt, wird bestätigen,<br />

dass sich auch die Kommunikation zu<br />

anderen Menschen verändert: Wir knüpfen<br />

leichter Kontakte, sind offener und finden<br />

schneller eine gemeinsame Gesprächsbasis.<br />

• Tiere fördern das Erlernen und Anwenden<br />

einer nicht-sprachlichen (analogen) Kommunikation,<br />

eine Fähigkeit, die für eine erfolgreiche<br />

Interaktion mit anderen Menschen von<br />

großer Bedeutung ist.<br />

• Die intensive Beziehung zu einem Heimtier<br />

fördert den Leistungswillen, die Kreativität,<br />

die Konzentrationsfähigkeit und die Motivation<br />

zu selbstgesteuertem Lernen und<br />

Arbeiten.<br />

• Haustiere haben eine beruhigende Wirkung<br />

und fördern auch unser emotionales Wohlbefinden,<br />

weil sie Zuwendung, Beschäftigung<br />

und Pflege brauchen.<br />

• Tiere geben aber auch viele positive Gefühle<br />

zurück: Sie können Trost spenden, kuscheln<br />

gerne und verringern Einsamkeitsgefühle<br />

und Ängste.<br />

• Wir erfahren zudem Wertschätzung, weil uns<br />

ein Haustier das Gefühl des Gebrauchtwerdens<br />

vermittelt, wir übernehmen Verantwortung<br />

(das trifft besonders für Kinder zu) und<br />

erlernen dabei verschiedenste Bewältigungsstrategien<br />

im Umgang mit dem Tier.<br />

Einige Menschengruppen scheinen besonders<br />

vom Kontakt mit Tieren zu profitieren, darunter<br />

auch (ältere) Kinder und ältere Menschen. Daher<br />

ist es in diesem Zusammenhang erfreulich,<br />

dass bereits einige Alters- und Pflegeheime ihren<br />

BewohnerInnen Kontakt zu Tieren ermöglichen,<br />

indem die Mitnahme der eigenen Tiere ins Heim<br />

erlaubt wird, es beispielsweise eine Stationskatze<br />

gibt oder eigene Streichelzoos eingerichtet<br />

werden. Das Zusammenleben mit Tieren und die<br />

Übernahme kleiner Aufgaben in der Versorgung<br />

dieser bereichern das Leben von HeimbewohnerInnen<br />

und bringen Abwechslung in den Alltag.<br />

Tiere verbessern weiters die Stimmung im Heim<br />

und haben einen positiven Einfluss auf die Lebensqualität.<br />

Interessierten LeserInnen kann die vollständige<br />

Masterarbeit sehr gerne zur Verfügung gestellt<br />

werden.<br />

Quellen:<br />

Greiffenhagen, S. und Buck-Werner, O. (2011): Tiere als Therapie:<br />

Neue Wege in Erziehung und Heilung, 3. Auflage, Nerdlen: Kynos<br />

Verlag.<br />

Otterstedt, C. (2003): Kultur- und religionsphilosophische Gedanken<br />

zur Mensch-Tier-Beziehung, in: Olbrich, E. und C. Otterstedt (Hg.):<br />

Menschen brauchen Tiere. Grundlagen und Praxis der tiergestützten<br />

Pädagogik und Therapie, Stuttgart: Franckh-Kosmos-Verlag, S. 15-31.<br />

PETCOM (<strong>2015</strong>): Heimtierpopulation in Österreich, [online] http://www.<br />

petcom.at/index/marktdaten/heimtier-population.html [25.5.<strong>2015</strong>].<br />

Verein gegen Tierfabriken (1996-<strong>2015</strong>a): Heimtierpopulation, [online]<br />

http://vgt.at/projekte/tierheime/fakten.php#markt [19.2.<strong>2015</strong>].


GESUNDHEITSFÖRDERUNG<br />

GESUNDHEITSPLATTFORM<br />

„WIE GESUND ISST (MAN IN) LIEBENAU?“<br />

VON MARTINA FREI<br />

JEDEN SAMSTAG KÖNNEN IN LIEBENAU<br />

LEBENSMITTEL ABGEHOLT WERDEN,<br />

DIE QUALITATIV IN ORDNUNG SIND,<br />

SONST JEDOCH AUFGRUND DES<br />

NAHENDEN ABLAUFDATUMS<br />

IM MÜLL LANDEN WÜRDEN.<br />

Rund 60 Gäste folgten unserer Einladung im Oktober<br />

zur Gesundheitsplattform „Wie gesund isst<br />

(man in) <strong>Liebenau</strong>“ in die Pfarre St. Paul. VertreterInnen<br />

von Gemeinschafts- und Betriebsküchen,<br />

von belieferten Schulen, Kindergärten und<br />

-krippen, aus Politik und Verwaltung, BäurInnen<br />

und interessierte BürgerInnen waren anwesend.<br />

Marktsprecher Johann Hierzer stellte im ersten<br />

Impulsvortrag den <strong>Liebenau</strong>er Bauernmarkt vor.<br />

Über 20 Jahre fand dieser in seiner Gärtnerei<br />

statt, ehe er aufgrund des Baus des Südgürtels<br />

vor etwa drei Jahren auf den Hof der Familie<br />

Hammer in die Engelsdorfer Straße umsiedeln<br />

musste. Der Bauernmarkt in <strong>Liebenau</strong> bietet jeden<br />

Freitag ab 13 Uhr ein vielfältiges regionales<br />

und saisonales Angebot von Gemüse, Brot,<br />

Mehlspeisen, Obst, Säften, frischem Fisch,<br />

Fleisch, Aufstrichen oder Milchprodukten. Die<br />

sorgfältig renovierte Markthalle mit dem Ziegelgewölbe<br />

aus dem Jahr 1898 ist mittlerweile zum<br />

sozialen Treffpunkt geworden.<br />

Mag. Christine Gelbmann von Styria Vitalis<br />

präsentierte gesunde Gemeinschaftsverpflegungs-Projekte<br />

und beweist damit, dass es durchaus<br />

möglich ist, Gemeinschaftsverpflegungen bei<br />

gleichen Preisen auf eine „gesunde Küche“ umzustellen,<br />

regionale und saisonale Lebensmittel<br />

spielen dabei eine wichtige Rolle. Ein wichtiger<br />

Erfolg von Styria Vitalis ist auch die Zusammenarbeit<br />

mit der Grazer Zentralküche, in der täglich<br />

7000 Portionen Essen zubereitet und ausgegeben<br />

werden, unter anderem auch an Kindergärten,<br />

Schulen und Betriebe in <strong>Liebenau</strong>.<br />

Mirjam Riener, BA, von der Team Österreich Tafel,<br />

wies im dritten Vortrag darauf hin, wie schwierig<br />

es gerade für armutsgefährdete Menschen sei,<br />

ausreichend und vor allem gesunde Lebensmittel<br />

einzukaufen.<br />

Sie stellte die „Team Österreich Tafel“ und deren<br />

Ausgabestelle in <strong>Liebenau</strong> vor. Jeden Samstag<br />

können dort Lebensmittel abgeholt werden, die<br />

qualitativ in Ordnung sind, sonst jedoch aufgrund<br />

des nahenden Ablaufdatums im Müll landen würden.<br />

Dank engagierter HandelsparterInnen und<br />

freiwilliger HelferInnen werden damit in <strong>Liebenau</strong><br />

etwa 400 armutsgefährdete Grazer einmal die<br />

Woche mit kostenlosen Lebensmitteln versorgt,<br />

steiermarkweit sind es 1000 Familien.<br />

In der abschließenden Diskussion wurde über<br />

Sinn und Unsinn von Bio-Produkten, die Bedeutung<br />

regionaler und saisonaler Lebensmittel<br />

und über die schonende Zubereitung von Nahrungsmitteln<br />

gesprochen. Wieder einmal hat<br />

sich gezeigt, dass es genug Ideen gibt, wie das<br />

Bewusstsein für eine gesunde Ernährung in unserem<br />

Bezirk gesteigert werden und diese auch<br />

weiterhin in Schulen und Kindergärten in <strong>Liebenau</strong><br />

umgesetzt werden könnte.<br />

<strong>SMZ</strong> INFO DEZEMBER <strong>2015</strong><br />

23


GESUNDHEITSFÖRDERUNG<br />

VONEINANDER LERNEN FÄNGT MIT STAUNEN UND WERTSCHÄTZUNG AN,...<br />

VALIDATION UND DER WÜRDIGE UMGANG<br />

MIT DESORIENTIERTEN, ALTEN MENSCHEN<br />

VON USCHI POSSERT<br />

24<br />

<strong>SMZ</strong> INFO DEZEMBER <strong>2015</strong><br />

„Schlüpfen wir in die Schuhe demenzkranker Personen<br />

und versuchen wir sie mit i h r e n Augen<br />

zu sehen!“ ist der Leitsatz von Maria Hoppes<br />

Vortrag im <strong>SMZ</strong> über wertschätzende Kommunikation<br />

im Alter.<br />

Die Vortragende ist diplomierte Ergotherapeutin,<br />

Projektleiterin von „Entwirrt Alzheimer“ und Validationstrainerin<br />

nach Naomi Feil. In ihren 17 Jahren<br />

als Therapeutin im Rahmen des Kuratoriums<br />

Wiener Pensionisten-Wohnhäuser und Trainerin<br />

hat sie einen tiefen Einblick in Pflege- und Familiensituationen<br />

rund ums Altern erfahren und schildert<br />

in einem sehr persönlichen Vortrag anhand<br />

unzähliger Beispiele, wie Validation den Umgang<br />

mit Demenzkranken erleichtern kann.<br />

VALIDATION – DER WEGWEISER ZU EINER<br />

WERTSCHÄTZENDEN HALTUNG<br />

Diese – in der Altenarbeit anerkannte Arbeitsmethode<br />

– wurde von Naomi Feil, einer US-amerikanischen<br />

Gerontologin, geprägt.<br />

„Bringen wir in der Betreuung den alten, verwirrten<br />

Menschen Wertschätzung entgegen, seien<br />

wir ehrlich zu ihnen und greifen wir das auf, was<br />

da ist!“ betont Hoppe in ihrem Vortrag. „Die Validations-Theorie<br />

hilft zu verstehen, dass viele<br />

desorientierte Menschen mit der Diagnose Demenz<br />

sich im Endstadium ihres Lebens befinden.<br />

Wir können sie in ihrem inneren Rückzug<br />

dabei unterstützen, sich verbal oder nonverbal<br />

auszudrücken! Urteilen wir nicht über ihre Verwirrtheit,<br />

sondern lassen wir uns Zeit, uns auf die<br />

Person einzuschwingen!“ so die Vortragende.<br />

Wie oft ärgern oder beunruhigen wir uns über<br />

demente Familienmitglieder oder Heimbewohner,<br />

weil wir ihr Verhalten nicht verstehen: Sie<br />

schreien, laufen ständig durch Gänge, sind verwirrt<br />

und wollen nach Hause. Für einen Menschen,<br />

dessen äußere Wirklichkeit unerträ̈ glich<br />

geworden ist, ist ein Rü̈ ckzug in die zeitliche und<br />

örtliche Desorientierung oder in die Vergangenheit,<br />

die schöner war als die gegenwärtige Situation,<br />

immer noch die bessere Alternative.<br />

Hoppe spielt mit den Vortragsgästen typische Situationen<br />

durch:<br />

„Das ist meine Tasche, Du hast sie mir gestohlen!“<br />

nimmt sie die Rolle einer Demenzkranken<br />

ein und demonstriert deren aggressives Verhalten.<br />

Wie darauf reagieren? Nichts persönlich<br />

nehmen, ist ihr Rat: „Spiegeln wir das Verhalten<br />

des Gegenübers, versuchen wir dieselbe Körperspannung<br />

aufzugreifen, mit dieser Situation<br />

zu spielen – schlüpfen wir in die Schuhe des Anderen!<br />

Fragen wir nach – mit fester Stimme und<br />

versuchen mehr zu erfahren, Schlüsselwörter<br />

aufzugreifen, aber es geht nicht um das Warum.<br />

Fördern wir positive Gefühle, statt vieler Erklärungen,<br />

die nicht mehr beim Gegenüber ankommen.<br />

Und: Beenden wir die Konfrontation mit<br />

“Ich muss jetzt gehen! Soll ich wiederkommen?“<br />

„FAHRKARTEN IN DIE VERGANGENHEIT“<br />

„Meistens liegen die Auslöser für uns unverständliche<br />

Aussagen und Handlungen in der<br />

Vergangenheit,“ erklärt Maria Hoppe, „sie sind<br />

sozusagen die „Fahrkarten“ in diese vergangenen<br />

Zeiten.“ Auslöser dafür können bestimmte<br />

Geräusche sein, demonstriert die Vortragende<br />

mit einer Folge von Klangexperimenten, die sich<br />

die Zuhörer mit geschlossenen Augen anhören<br />

und dann darüber berichten, welch unterschiedliche<br />

Bilder diese Klänge in ihren Köpfen auslösen.<br />

„Und so schwirren unzählige Bilder auch<br />

in den Köpfen der verwirrten Menschen herum,<br />

ganz schnell und in unterschiedlichen Zeitdimensionen.<br />

Nur – dass diese Menschen sie


GESUNDHEITSFÖRDERUNG<br />

MIT DIESEN BÜCHERN LERNEN ANGEHÖRIGE,<br />

NACHBARN UND FREUNDE, DIE EINEN<br />

NAHESTEHENDEN MENSCHEN MIT DEMENZ<br />

BETREUEN, DIE METHODE „VALIDATION“ KENNEN.<br />

nicht mehr einordnen oder artikulieren können.<br />

Sie äußern sich oft nur in Merkwürdigkeiten: in<br />

einem Zusammensinken des Körpers, in einem<br />

Aufschrei oder in immer wiederkehrenden Bewegungsmustern<br />

wie Klopfen, ständigem Wischen,<br />

Auf- und Abgehen oder stundenlangem Stehen.<br />

Mit Blickkontakten, leisem Singen, Berührungen<br />

(z. B. beim Gehen den Arm anbieten, Streicheln)<br />

oder spiegelnden Bewegungen,“ so die Validationstrainerin,<br />

„könnten wir solche Verhaltensweisen<br />

unterbrechen. Aber das braucht alles Zeit<br />

und viel Geduld!“<br />

Die anschließende Diskussion befasst sich mit<br />

weiteren Aspekten:<br />

• Verhindern nicht die Strukturen unserer<br />

Pflegeheime so zeitaufwendige Methoden<br />

der Validation? Was nützt eine Schulung,<br />

wenn man im Alltag eines Pflegeheims<br />

kaum mit den Routine- Pflegearbeiten<br />

zurande kommt, weil ständiger Personalmangel<br />

herrscht und leider häufig der<br />

Profit der Heimbetreiber im Vordergrund<br />

steht? Muss daher nicht gleichermaßen<br />

an der Verbesserung der Pflege- und Betreuungsstrukturen<br />

sowohl in materieller,<br />

als auch in personeller Hinsicht gearbeitet<br />

werden?<br />

• Wie sieht es mit der wissenschaftlichen<br />

Evaluierung der Validationsmethode aus?<br />

Werden Erfolge in Heimen oder in Seniorengruppen<br />

auch dokumentiert und wissenschaftlich<br />

begleitet? Oder ist Validation ein<br />

riesiges Konglomerat an Erfahrungsschätzen<br />

aus verschiedensten Techniken und<br />

Konstrukten, das x-beliebig angewendet<br />

wird?<br />

• Wissen wir eigentlich, was Demenz wirklich<br />

ist – wie geht die Zerstörung des Gehirns<br />

tatsächlich vor sich? Eine Impfung gegen<br />

Alzheimer hat sich als wirkungslos herausgestellt.<br />

Alles in Allem eine interessante <strong>SMZ</strong> Veranstaltung,<br />

die zum Nachdenken, Nachlesen und einer<br />

Neuorientierung in der Altenarbeit angeregt hat.<br />

<strong>Info</strong>s:<br />

Österreichisches Institut für Validation<br />

Linsengase 4, 9<strong>02</strong>0 Klagenfurt<br />

Tel. 04229-3844<br />

www.OEI-Validation.at<br />

Buchtipps:<br />

Vicki de Klerk-Rubin:<br />

Mit dementen Menschen richtig<br />

umgehen<br />

Reinhardt Verlag<br />

Naomi Feil, V. de Klerk-Rubin:<br />

Valdidation in Anwendung und<br />

Beispielen<br />

Reinhardt Verlag<br />

<strong>SMZ</strong> INFO DEZEMBER <strong>2015</strong><br />

25


SOZIALARBEIT<br />

SOZIALE ARBEIT IN SCHOTTLAND IM BEREICH<br />

KIND, JUGEND UND FAMILIE<br />

VON ANAHITA SHARIFGERAMI<br />

26<br />

<strong>SMZ</strong> INFO DEZEMBER <strong>2015</strong><br />

Lange Zeit schon hat mich Schottland fasziniert<br />

– die Landschaft, die Leute und die Kultur. Seit<br />

meinem 18. Lebensjahr war ich mindestens einmal<br />

im Jahr mehrere Wochen dort. Ich habe u.a.<br />

auch zwei Praktika absolviert: Das Erste bei einer<br />

„Nichtregierungsorganisation“ (NGO), welches<br />

ich mir aus Eigeninteresse organisiert habe und<br />

das Zweite beim schottischen Äquivalent zur<br />

Kinder- und Jugendhilfe als Teil meiner Ausbildung<br />

zur Sozialarbeiterin. Sie verschafften mir<br />

einen Einblick in die Arbeitsweisen im Bereich<br />

Kindheit, Jugend und Familie und mir wurde klar,<br />

wie wichtig interdisziplinäre und multiprofessionelle<br />

Zusammenarbeit im sozialen Bereich war.<br />

Nach meinem erfolgreichen Studienabschluss<br />

beschloss ich, für einige Jahre nach Schottland<br />

auszuwandern.<br />

EINBLICKE IN DIE FAMILIEN-UND JUGENDARBEIT<br />

Meine erste Arbeit fand ich in derselben NGO, in<br />

der ich einige Jahre zuvor mein Praktikum absolvierte.<br />

Es handelt sich dabei um eine stationäre<br />

Einrichtung für Eltern und Familien, die bereits<br />

Unterstützung von der Kinder- und Jugendhilfe<br />

erhält, wobei jedoch weiterhin Sorge um das Wohl<br />

und die Sicherheit der Kinder bzw. Jugendlichen<br />

zu Hause besteht. Für viele Familien ist diese<br />

Einrichtung die „letzte Chance“, eine Fremdunterbringung<br />

ihrer Kinder zu vermeiden. In anderen<br />

Fällen waren die Kinder bereits fremduntergebracht<br />

und ihr Aufenthalt in der NGO war Teil des<br />

Rehabilitationsplans. Bis zu 12 Wochen lebt die<br />

ganze Familie in der ländlichen Umgebung von<br />

Stirlingshire und arbeitet an Zielen, die vorher gemeinsam<br />

mit der Organisation, den zuständigen<br />

SozialarbeiterInnen und weiteren HelferInnen<br />

(z.B. LehrerInnen, KindergärtnerInnen, ÄrztInnen,<br />

PsychologInnen, etc.) definiert worden sind.<br />

Generell zählen regelmäßige Vernetzungstreffen<br />

in Großbritannien zum Alltag von SozialarbeiterInnen<br />

und Professionellen im sozialen Arbeitsfeld.<br />

Sie werden eingesetzt, um Hilfepläne für alle Kinder<br />

und Jugendliche, deren Wohl gefährdet ist,<br />

zu erstellen, zu evaluieren und um die nächsten<br />

möglichen Schritte zu besprechen.<br />

Fast alle Familien, die ich dort kennenlernen durfte,<br />

kamen aus sozial schwächeren Schichten.<br />

Die wenigsten Eltern haben (jemals) gearbeitet<br />

und sehr viele stammten selbst aus schwierigen<br />

Familien oder wurden bereits selbst als Kinder<br />

fremduntergebracht. Meine Aufgabe als „Family<br />

Support Worker“ war es, Zeit mit den Familien<br />

zu verbringen und sie in den unterschiedlichen<br />

Situationen des Alltags anzuleiten und zu unterstützen.<br />

Während ihres wochenlangen Aufenthaltes<br />

werden die Familien von 9 – 22 Uhr fast<br />

rund um die Uhr betreut, in besonders kritischen<br />

Fällen (z.B. bei gefährdeten Säuglingen) auch<br />

24-Stunden lang. Im Rahmen dieser intensiven<br />

Betreuung wird unter professioneller Anleitung<br />

vom Kochen eines gesunden Essens angefangen,<br />

altersgerechtem Spielen mit den Kindern,


SCHOTTLAND: KIND, JUGEND & FAMILIE<br />

EINES DER WICHTIGSTEN ZIELE IST,<br />

RESSOURCEN DER ELTERN ZU ERARBEITEN,<br />

DIESE BEWUSST ZU MACHEN UND<br />

IN WEITERER FOLGE ZU FÖRDERN.<br />

Durchsetzen von Regeln und Grenzen bis hin<br />

zu Arztbesuchen und Erledigungen mit den Familienmitgliedern,<br />

alles gemeinsam erledigt, um<br />

sie so bestmöglich zu unterstützten. Das ist natürlich<br />

eine sehr intensive Zeit, und gerade zu<br />

Beginn des Aufenthalts kann dieses Eindringen<br />

in die Privatsphäre der Familie für beide Seiten<br />

unangenehm sein, vor allem, wenn die BetreuerInnen<br />

als „Spione“ angesehen werden und nicht<br />

als Unterstützungssystem.<br />

RESSOURCEN STÄRKEN<br />

Viele Familien fühlten sich in der Vergangenheit<br />

(oft berechtigterweise) dem Wohlwollen<br />

der professionellen HelferInnen ausgeliefert.<br />

Die meisten haben Diskriminierung und Gewalt<br />

unterschiedlichster Formen miterlebt und erfahren.<br />

Für viele ist der Beginn des freiwillig-unfreiwilligen<br />

Aufenthaltes in der Organisation ein<br />

Tiefpunkt im Leben, sie wissen nicht, was noch<br />

alles auf sie zukommen wird und fürchten Kontrollverlust.<br />

Daher wird großer Wert darauf gelegt,<br />

eine stabile und professionelle Beziehung<br />

mit den Familien aufzubauen, die es erlaubt,<br />

gemeinsam an einem Strang zu ziehen. Eines<br />

der wichtigsten Ziele ist, Ressourcen der Eltern<br />

zu erarbeiten, diese bewusst zu machen und in<br />

weiterer Folge zu fördern. So wird einerseits das<br />

elterliche Selbstwertgefühl gesteigert und andererseits<br />

die Eltern-Kind Beziehung gefestigt.<br />

Die BetreuerInnen stammen aus den unterschiedlichsten<br />

Professionen: Sozialarbeiter-<br />

Innen, Hebammen, Psycho- und PhysiotherapeutInnen,<br />

BewährungshelferInnen, Pädagog-<br />

Innen, etc. und können daher auf ein sehr breites<br />

Spektrum an Erfahrungen zurückgreifen.<br />

GEMEINSAME ARBEITSBASIS SCHAFFEN<br />

In den vergangen zehn Jahren hat die schottische<br />

Regierung unter dem Namen „Getting it<br />

right for every child“ Leitlinen entwickelt, die berufsübergreifend<br />

eine konsistente Arbeitsweise<br />

mit Kindern und Jugendlichen gewährleisten soll.<br />

Neue Methoden zur Analyse und Strukturierung<br />

von <strong>Info</strong>rmationen wurden entwickelt, die Organisationen<br />

und Fachleuten nützen sollen, um<br />

die Ressourcen und Schwächen, sowie mögliche<br />

Unterstützungsmöglichkeiten für Kinder und<br />

Jugendliche anzubieten. In einfacher Sprache<br />

und sehr übersichtlich fasst dieses Modell alles<br />

zusammen, was für eine gesunde Entwicklung<br />

notwendig ist und baut auf fundiertem Wissen<br />

auf. Mit sehr viel Aufwand hat die Regierung<br />

dieses Modell in den letzten Jahren flächendeckend<br />

in stationären, ambulanten, staatlichen<br />

und unabhängigen Organisationen, die mit Kindern<br />

und Jugendlichen arbeiten, durchgesetzt.<br />

Diese Grundstruktur ermöglicht Sozialarbeiter-<br />

Innen, LehrerInnen, KindergartenpädagogInnen,<br />

ÄrztInnen oder PolizistInnen eine gemeinsame<br />

Arbeitsbasis und erleichtert die interdisziplinäre<br />

Zusammenarbeit.<br />

<strong>SMZ</strong> INFO DEZEMBER <strong>2015</strong><br />

27


SOZIALARBEIT<br />

28<br />

<strong>SMZ</strong> INFO DEZEMBER <strong>2015</strong><br />

CHILDREN`S HEARINGS<br />

Nach einem Jahr beschloss ich, Erfahrungen im<br />

stationären Bereich zu sammeln. Also arbeitete<br />

ich die nächsten beiden Jahre in zwei unterschiedlichen<br />

Magistraten. Auch dort beschäftigte<br />

ich mich mit Familien in schwierigen Lebenslagen,<br />

wobei Kinder und Jugendliche oft kurz vor<br />

der Fremdunterbringung standen. Ich betreute<br />

bis zu fünf Familien, was mir erlaubte, oft sieben<br />

Stunden pro Woche mit einer Familie zu arbeiten.<br />

Die zeitliche Einteilung war dabei bestmöglich<br />

auf deren Bedürfnisse abgestimmt. Wenn<br />

nötig, habe ich die Familien bis zu fünfmal die<br />

Woche zu Hause besucht, um sie direkt in ihrem<br />

Lebensumfeld zu unterstützen.<br />

Auch nahm ich zum ersten Mal an so genannten<br />

„Children‘s Hearings“ teil. Dieses System ist bislang<br />

einzigartig in Schottland, um Entscheidungen<br />

zum Wohle und zur Sicherheit von Kindern<br />

zu treffen. Ein fundamentales Prinzip dieses<br />

Systems ist, dass Kinder und Jugendliche, deren<br />

Gesundheit und Wohl gefährdet ist, aber auch<br />

minderjährige Straftäter dieselbe Anhörung bekommen,<br />

da es sich dabei oft um dieselben Kinder<br />

und Jugendlichen handelt. Das „Children`s<br />

Hearing“ ist aber keine Gerichtsverhandlung,<br />

sehr wohl kann das Komitee Weisungen erteilen.<br />

Jeder, der Sorge um das Wohl eines Kindes oder<br />

Jugendlichen hat, kann seine Bedenken beim<br />

so genannten „Children’s Reporter“ melden. In<br />

den meisten Fällen nehmen davon Polizei, SozialarbeiterInnen<br />

oder LehrerInnen Gebrauch.<br />

Aber auch Eltern oder Kinder selber können<br />

eine Meldung machen. Der „Children’s Reporter“<br />

sammelt daraufhin <strong>Info</strong>rmationen über das Kind<br />

und dessen Umfeld und entscheidet danach, ob<br />

es zu einem „Children’s Hearing“ kommt. Hierfür<br />

werden alle Schlüsselprofessionen um die Familie<br />

aufgefordert, im Vorhinein einen Bericht abzugeben<br />

und zur Anhörung zu erscheinen. Bei der<br />

Anhörung ist die ganze Familie verpflichtet, vor<br />

einem Komitee und dem „Children‘s Reporter“<br />

zu erscheinen. Das Komitee besteht jeweils aus<br />

drei BürgerInnen, die sich freiwillig und unentgeltlich<br />

dazu bereit erklären und dafür auch eine<br />

spezielle Ausbildung absolviert haben.<br />

Beim Hearing kann jeder seine persönliche Meinung<br />

äußern, das Komitee stellt spezifische Fragen,<br />

spricht mit einer Person auch alleine, und<br />

die anderen verlassen den Raum. Am Ende der<br />

Anhörung entscheidet das Komitee über mögliche<br />

Veränderungen des Hilfeplans oder über die<br />

Beibehaltung bis zu einem weiteren Hearing. Familien<br />

und Kinder können auch dazu verpflichtet<br />

werden, mit bestimmten Fachleuten oder Organisationen<br />

zusammenzuarbeiten. In besonders<br />

gravierenderen Fällen bestimmt das Komitee<br />

auch die Fremdunterbringung bzw. Rehabilitation<br />

von Kindern und Jugendlichen. Binnen 21<br />

Tagen können betroffene Familien gegen die


SCHOTTLAND: KIND, JUGEND & FAMILIE<br />

Entscheidung des Komitees schriftlich Einspruch<br />

erheben, dann kommt es zu einer Anhörung vor<br />

dem Richter.<br />

Meine Erfahrungen haben gezeigt, dass es meist<br />

„good practice“ ist, den schriftlichen Bericht und<br />

weitere Empfehlungen mit der jeweiligen Familie<br />

schon im Vorfeld zu besprechen, bevor alles<br />

dem „Children‘s Reporter“ gemeldet wird. Auch<br />

Vernetzungstreffen haben sich dabei bewährt.<br />

Ich habe erlebt, wieviel Druck dieses Modell von<br />

den SozialarbeiterInnen nimmt, wenn es z.B.<br />

um eine Kindesabnahme geht. Nicht auf einer<br />

Person alleine lastet die Entscheidung, sondern<br />

eine Gruppe von professionellen Helfern teilt<br />

sich die Verantwortung weil sie die Familie kennt<br />

und mit ihr arbeitet.<br />

So ist meiner Meinung nach Schottland in Bezug<br />

auf die soziale Arbeit mit Kindern und Jugendlichen<br />

um einiges fortschrittlicher als Österreich.<br />

Vernetzung und multiprofessionelle Zusammenarbeit<br />

sind selbstverständlich, es werden dabei<br />

gemeinsame Lösungsstrategien erarbeitet, die<br />

langfristig zu positiven Veränderungen führen.<br />

Ich bin überzeugt, dass die Gründung von „Primary<br />

Health Care Centers“ in Österreich auch<br />

für die Sozialarbeit richtungsweisend ist – wir<br />

könnten berufsübergreifend voneinander lernen<br />

und über den Tellerrand hinaus sehen.<br />

BEIM HEARING KANN<br />

JEDER SEINE PERSÖNLICHE<br />

MEINUNG ÄUSSERN,<br />

DAS KOMITEE STELLT<br />

SPEZIFISCHE FRAGEN,<br />

SPRICHT MIT EINER PERSON<br />

AUCH ALLEINE,<br />

UND DIE ANDEREN<br />

VERLASSEN DEN RAUM.<br />

<strong>SMZ</strong> INFO DEZEMBER <strong>2015</strong><br />

29


STADTTEILARBEIT<br />

<strong>SMZ</strong> LIEBENAU – ERFOLGE DER STADTTEILARBEIT<br />

<strong>2015</strong> – EIN ZWISCHENRESÜMEE<br />

30<br />

<strong>SMZ</strong> INFO DEZEMBER <strong>2015</strong><br />

Der folgende Bericht hält stichwortartig 36<br />

sichtbare Erfolge der Stadtteil- und Gemeinwesenarbeit<br />

fest, die vom <strong>SMZ</strong> <strong>Liebenau</strong>, finanziert<br />

von der Stadt Graz (SIBET-Stadtteilarbeit/<br />

Siedlungsbetreuung) und dem Land Steiermark<br />

(Gesundheitsförderung/Gemeinwesenarbeit) im<br />

Zeitraum vom 1.1. bis 30.9.<strong>2015</strong> erreicht wurden.<br />

Am 1.10. beginnt ein Kooperationsprojekt, finanziert<br />

vom Fonds Gesundes Österreich, das von der<br />

Stadt Graz (Amt für Wohnungsangelegenheiten)<br />

gefördert wird.<br />

Das <strong>SMZ</strong> <strong>Liebenau</strong> verfügt in Folge kontinuierlicher<br />

Auf- und Ausbauarbeit, beginnend 1985,<br />

über ein außergewöhnlich großes und stabiles<br />

Netzwerk an lokalen Kooperationspartnern, das<br />

<strong>2015</strong> um regionale und überregionale Akteure<br />

erweitert werden konnte. Darüber hinaus bewirken<br />

die vielfältigen Angebote des <strong>SMZ</strong> <strong>Liebenau</strong><br />

in anderen Arbeitsbereichen (Allgemeinmedizin,<br />

Suchtberatung, Familienberatung, Gesundheitsprojekte)<br />

einen entscheidenden Mehrwert<br />

gegenüber Nachbarschaftszentren, Organisationen<br />

für Konfliktvermittlung, Organisationen für<br />

Bürgerbeteiligung und anderen sozialräumlichen<br />

Strategien sozialer Arbeit in Graz, die zu wichtigen<br />

Kooperationspartnern in der Stadtteilarbeit<br />

zählen.<br />

SOZIALE VERNETZUNG IN STADTTEILEN<br />

■■<br />

Stadtteilfest am Grünanger<br />

■■<br />

In der Jauerburggasse werden Haussprecher-<br />

Innen ernannt, in weiteren Siedlungen sind<br />

die MultiplikatorInnen bekannt und ein regelmäßiger<br />

Austausch zur Förderung der<br />

sozialen Vernetzung und Selbstvertretung<br />

in Wohnanlagen findet statt<br />

■■<br />

regelmäßige Siedlungstreffen in vier Siedlungen<br />

■■<br />

Für die Siedlung am Schönaugürtel liegen<br />

ein partizipativ erarbeitetes Projektkonzept<br />

für die Neugestaltung des Innenhofs, sowie<br />

ein detaillierter Bericht unserer Beobachtungen<br />

und Erfahrungen der Probleme vor<br />

■■<br />

Ort vor.<br />

Die Teilnahme der Ärzte in Projekten der<br />

Stadtteilarbeit ermöglicht Menschen niederschwelligen<br />

Zugang zu konkreten Gesundheitsinformationen<br />

und Beratung zu<br />

den Themen Risikofaktoren und chronische<br />

Erkrankungen, schädliche Umwelteinflüsse<br />

(Feinstaub, Murkraftwerk, Lärm,<br />

Verkehrsbelastungen, etc.), Umgang mit<br />

Sucht und Drogen bei Kontakten mit Jugendlichen<br />

und allgemeine <strong>Info</strong>s (für MultiplikatorInnen<br />

und BewohnerInnen) im<br />

Zusammenhang mit erhöhten Krankheitsrisiken<br />

und vorzeitigem Tod bei Menschen<br />

mit sozialer Benachteiligung


ERFOLG DER STADTTEILARBEIT <strong>2015</strong><br />

■■<br />

■■<br />

■■<br />

Gemeinsame Sperrmüllaktion in der Pomisgasse<br />

(5 Tonnen Sperrmüll wurden gemeinsam<br />

mit insg. 15 BewohnerInnen entfernt)<br />

Herausgabe des Seniorenfolders <strong>Liebenau</strong><br />

und erstmals auch für Jakomini – überparteiliche<br />

und interkonfessionelle <strong>Info</strong>rmation<br />

über alle Aktivitäten als Treffpunkte für ältere<br />

Menschen<br />

Errichtung eines offenen Bücherschranks<br />

am Grünanger<br />

■■<br />

Sommerprogramm mit verschiedenen<br />

Workshops (Hip Hop, Teilnahme an Yoga im<br />

Augarten, Ernährungsworkshop, Brunch im<br />

Garten, Musik und Spiel, Ausflug zu Ludovico,<br />

Spieleabend, Karaoke-Singen, Grillen<br />

im Garten, Kaffee- und Kuchenplausch, Büchertausch)<br />

■■<br />

■■<br />

Projekte wie Musik am Grünanger und der<br />

Brunch werden von TeilnehmerInnen weiter<br />

empfohlen, FreundInnen und NachbarInnen<br />

mitgebracht.<br />

Kerstin Nestelberger präsentiert ihre Masterarbeit<br />

über den „Brunch am Grünanger“ und<br />

dokumentiert nachhaltige Empowermentprozesse<br />

in benachteiligten Zielgruppen am<br />

Grünanger.<br />

SOCIAL GARDENING<br />

■■<br />

Aufbau und Eröffnung des Gemeinschaftsgartens<br />

Schönau in Kooperation mit Caritas<br />

■■<br />

Graz – Schlupfhaus: 12 Beete, die von Einzelpersonen<br />

und Familien bewirtschaftet werden,<br />

Gemeinschaftsfläche, Gerätehütte, Gartengemeinschaft:<br />

generationenübergreifende<br />

Kontakte zu den Jugendlichen vom angrenzenden<br />

Pavillon<br />

Verdoppelung der Gartenflächen am Grünanger:<br />

BewohnerInnen helfen bei der Instandsetzung<br />

und Pflege der neuen Gartenflächen<br />

MUSIK UND MUSIKARBEIT IN STADTTEILEN<br />

■■<br />

Musik am Grünanger: Vorstellung und Auftritt<br />

beim Abschlussfest des Projektfonds<br />

Steiermark „Miteinander. Füreinander“<br />

■■<br />

Musik am Grünanger nimmt am steirischen<br />

Songcontest „Bruck’n bau’n“ <strong>2015</strong> im Mai<br />

teil und erhält alle Punkte von Jury Nadine<br />

Beiler, Herwig Rüdisser (OPUS) und Leo<br />

■■<br />

Aberer<br />

Musik am Grünanger: Teilnahme am steirischen<br />

herbst <strong>2015</strong> – Workshop „Spielimpulse“<br />

mit Simon Mayer (ImPulsTanz-Gewinner/Vienna<br />

<strong>2015</strong>)<br />

■■<br />

Musik am Grünanger Gruppe bestreitet 1.<br />

Konzert „Glück am Grünanger“ im März<br />

<strong>2015</strong> in der VS Schönau<br />

■■<br />

MUSI: Zwei Volksschulkinder schaffen die<br />

Aufnahmeprüfung für Zupfinstrumente im<br />

Hauptfach Gitarre im Johann-Joseph-Fux<br />

Konservatorium Graz<br />

<strong>SMZ</strong> INFO DEZEMBER <strong>2015</strong><br />

31


STADTTEILARBEIT<br />

32<br />

<strong>SMZ</strong> INFO DEZEMBER <strong>2015</strong><br />

■■<br />

■■<br />

■■<br />

■■<br />

MUSI: Zwei Volksschulkinder schaffen die<br />

Musik-Aufnahmeprüfung an der NMS Ferdinandeum<br />

mit Musikschwerpunkt<br />

VS Schönau nominiert MUSI als Modellprojekt<br />

bei einem Wettbewerb<br />

Erster Musiktherapie-Stammtisch Steiermark/Kärnten<br />

findet im <strong>SMZ</strong> <strong>Liebenau</strong> im<br />

September <strong>2015</strong> statt.<br />

<strong>SMZ</strong>-TeilnehmerInnen besuchen „Maibaumschneiden“<br />

im Hof Hammer (<strong>Liebenau</strong>er<br />

Bauernmarkt) und das BeGS-Cafe<br />

KOOPERATIONEN<br />

■■<br />

Projektstart „Starke Nachbarschaften – Gesunde<br />

Stadt“, ein zweijähriges Kooperationsprojekt<br />

mit Diversity Consult. Zielgruppen:<br />

Babys, Kleinkinder und ihre Familien,<br />

auf arbeitslose Alleinerziehende in den betreuten<br />

Siedlugen zugehen, Weiterentwicklung<br />

der Stadtteilarbeit als Gesundheitsförderung<br />

im Schönauviertel, finanziert von<br />

der Stadt Graz und dem Fonds Gesundes<br />

Österreich.<br />

■■<br />

Zusammenarbeit mit UniT/LaStrada im<br />

Zuge von „Hello and Goodbye:“ Vernetzung<br />

mit der Kunstszene (Link zum Presse-Artikel,<br />

„Spektrum“ vom 7.8.<strong>2015</strong>: http://<br />

diepresse.com/home/spectrum/zeichenderzeit/4795451/Es-ist-heut-so-weils-gesternso-gewesen)<br />

■■<br />

Drei Radiosendungen „Stadtteilradio“ (Radio<br />

Helsinki) über Musik am Grünanger,<br />

das Sommer- bzw. Nachbarschaftsfest der<br />

NMS Renner und die Gedenkfeier werden<br />

ausgestrahlt<br />

■■<br />

■■<br />

■■<br />

Gemeinsam mit der NMS Renner veranstaltetes<br />

Sommerfest der Schule als Nachbarschaftsfest<br />

mit Konzert<br />

VS Engelsdorf engagiert im Rahmen des<br />

Sommerfestes <strong>SMZ</strong> für Gesundheitscheck<br />

Zusammenarbeit mit dem Verein JUKUS<br />

(Arbeitsmarktintegration) in der Siedlung<br />

am Schönaugürtel<br />

■■<br />

Weiterführende Kooperationsanfragen<br />

mehrerer Institutionen (Begegnungszentrum,<br />

Schulen, Bezirksrat, Lebenshilfe)<br />

■■<br />

■■<br />

Zusammenarbeit mit dem Referat für Barrierefreies<br />

Bauen auf der Suche nach einem<br />

Stadtteilzentrum in Jakomini<br />

Vernetzung mit Bezirksrat, Pfarren, Gesundheits-<br />

und Sozialeinrichtungen, Vereinen<br />

und Initiativen in <strong>Liebenau</strong> und Jakomini<br />

HISTORISCHE AUFARBEITUNG DER GESCHICHTE<br />

DES GRÜNANGERS UND GEDENKARBEIT<br />

■■<br />

Eine Gedenkfeier mit rund 130 TeilnehmerInnen<br />

in der NMS Renner, unterstützt<br />

vom Land Steiermark und Führungen mit<br />

Schülerinnen finden statt.<br />

■■<br />

Ankauf des Triptychon von Dr. Rainer Possert<br />

durch die Stadt Graz<br />

■■<br />

Areal des Grünangers wird zu archäologischer<br />

Bodenfundstelle<br />

■■<br />

■■<br />

Bundesdenkmalamt begutachtet Andersengasse<br />

32-34, die vermutete eh. Kommandantur<br />

des Lagers <strong>Liebenau</strong><br />

beim Abriss des Objekts Fiziastraße 13 wird<br />

das Bundesdenkmalamt hinzugezogen


ERFOLG DER STADTTEILARBEIT <strong>2015</strong><br />

<strong>SMZ</strong> INFO DEZEMBER <strong>2015</strong><br />

33


STADTTEILARBEIT<br />

MUSIK AM GRÜNANGER –<br />

EIN STADTTEILPROJEKT<br />

VON VICTORIA FUCHS<br />

Unsere <strong>SMZ</strong>-Gruppe „Musik am Grünanger“ war<br />

in diesem Jahr besonders aktiv. Nicht zuletzt<br />

durch das schöne Wetter konnte das wöchentliche<br />

Singen am Freitag nicht nur im stillen Kämmerchen<br />

im Stadtteilzentrum Grünanger stattfinden,<br />

sondern draußen im Garten.<br />

Bei mehreren Veranstaltungen konnte die Gruppe,<br />

die sich mittlerweile „The Amazing Grünanger“<br />

nennt, ihr Können unter Beweis stellen. Mit<br />

der Unterstützung von MusikerInnen wie Maria<br />

und Georg Fuchs, Andrea Machhammer, Irene<br />

Fank und dem musikalischen Turnusarzt Krisitijan<br />

Filic wurden verschiedene bekannte Lieder gecovert<br />

bzw. umgeschrieben. Die Choreographien zu<br />

den Liedern wie „Hakuna Matata“, „Freiheit“ von<br />

den Söhnen Mannheims oder die deutsche Version<br />

von „Lemon Tree“ wurden von den Kindern im<br />

Alter von vier bis zehn Jahren und den Erwachsenen<br />

selber erdacht und teilweise in Eigenregie<br />

erprobt.<br />

Ein besonderes Highlight war das Konzert „Glück<br />

am Grünanger“ am 31.03.<strong>2015</strong>. Das Publikum<br />

sang begeistert mit Hilfe des selbst erstellten<br />

Liederheftes mit und verbreitete gute Stimmung<br />

in der VS Schönau. Soloeinlagen von Markus<br />

Brandstätter, Elivs-Nummern von Thomas L. und<br />

Lieder von der Liedermacherin Andrea Machhammer<br />

(Hammerklang) rundeten das Programm der<br />

Gruppe ab. Auch dass uns Landtagspräsidentin<br />

Dr. Bettina Vollath besuchte, war uns eine Ehre.<br />

Im Mai wurde die „Musik am Grünanger“-Gruppe<br />

zum Grazer Song Contest „Bruck’n’bau’n“ eingeladen.<br />

Trotz Regenschauer traten die Erwachsenen<br />

und die Kinder im Freien auf. Unsere jüngste<br />

Teilnehmerin war vier Jahre alt und sang begeistert<br />

mit den anderen 20 Personen mit. Der Auftritt<br />

wurde von OPUS Sänger Herwig Rüdisser,<br />

Leo Aberer und Nadine Beiler mit drei von drei<br />

Smileys belohnt.<br />

Bei unserem <strong>SMZ</strong>-Sommerfest „Hello and goodbye<br />

Garden“ im Juli eröffnete die Gruppe die Feierlichkeiten.<br />

Berührend war der Beitrag der Kinder,<br />

die ein Lied für den Garten vorbereitet hatten<br />

und sich mit „Die erste Träne fällt“ vom Garten<br />

verabschiedeten.<br />

Der Projektfonds „Miteinander. Füreinander“ lud<br />

Mitte September die Gruppe zum Abschlussfest<br />

ins Joanneumsviertel ein, mit „Könige im Kinderstaat“<br />

und „An Tagen wie diesen“ von den Toten<br />

Hosen wurde ein weiterer Auftritt bestritten.<br />

Die Gruppe wird immer größer, auch unser Fanclub.<br />

So unterstützen uns von der VS Schönau<br />

Direktorin Mag. Angela Kaltenböck-Luef und<br />

Schulwart Helmut Schwarz bei Raum-Engpässen,<br />

die lieben BesucherInnen bei den <strong>SMZ</strong>-Angeboten,<br />

die uns als begeisterte ZuhörerInnen<br />

stärken und uns mit Cupcakes verwöhnen. Auch<br />

den Eltern ein großes Danke für die tolle Mitarbeit<br />

und Unterstützung.<br />

Da das <strong>SMZ</strong>-Projekt nicht nur in der Öffentlichkeit<br />

aktiv ist, sondern auch Gemeinschaft und Inklusion<br />

lebt, können auch Sie uns gerne besuchen<br />

kommen: zum Singen, zum Zuhören oder zum<br />

Kaffeetrinken. Wir freuen uns auf weitere TeilnehmerInnen<br />

und Gäste, die mit uns den Freitagnachmittag<br />

mit Musik und Gesang verbringen.<br />

Das Musikangebot schafft Raum für Begegnung<br />

von Menschen und soll weiterhin für Begeisterung<br />

und Freude sorgen. Wir freuen uns, alle, vom Kindergartenkind<br />

bis zu den SeniorInnen, bei uns begrüßen<br />

zu dürfen.<br />

Ausgehend vom Festival steirischer herbst wird<br />

ein Tanzworkshop „Spielimpulse“ mit dem Performancekünstler<br />

Simon Mayer stattfinden. Für<br />

den Winter sind bereits Projekte wie ein Konzert<br />

im Dezember und weitere Kooperationen geplant.<br />

34<br />

<strong>SMZ</strong> INFO DEZEMBER <strong>2015</strong><br />

Abermals möchten wir einen Instrumenten-Aufruf starten:<br />

Sollten Sie zuhause ein mittlerweile ungespieltes Instrument besitzen,<br />

das keine Verwendung mehr findet – wir würden uns<br />

über dieses sehr freuen!


GEMEINSCHAFTSGARTEN<br />

WEM G‘HÖRT DAS HOCHBEET DA DRÜBEN?<br />

GEMEINSCHAFTSGARTEN SCHÖNAU<br />

VON MARTINA FREI<br />

Eine brachliegende, sonnige Wiese mit einigen<br />

Bäumen, ca. 800m 2 groß, nahe dem Schlupfhaus<br />

der Caritas. BewohnerInnen möchten dort gerne<br />

einen Garten gestalten.<br />

2014 trat das Schlupfhaus der CARITAS Graz<br />

mit der Idee, die Grünfläche am Mühlgang 3 für<br />

ein Gemeinschaftsgarten-Projekt zu nutzen, an<br />

uns heran. Der Garten soll dabei zu einem Ort<br />

der Begegnung und Veranstaltungsort werden.<br />

Wir organisierten <strong>Info</strong>rmationstreffen für die BewohnerInnen<br />

in Schönau, erste Anmeldungen<br />

erfolgten und zäunten die Gartenfläche gemeinsam<br />

mit den Interessenten ein. Der Vertrag für<br />

den neuen <strong>SMZ</strong>-Gemeinschaftsgarten mit der<br />

Caritas konnte auf drei Jahre, mit Option auf Verlängerung,<br />

gesichert werden.<br />

Der Aufbau des „Gemeinschaftsgartens Schönau“<br />

startete im heurigen Frühling mit einem Workshop<br />

zum Thema Hochbeetebau. Unter der Anleitung<br />

eines Tischlers schraubten und steckten wir das<br />

erste Hochbeet gemeinsam zusammen. Mit Bagger<br />

und Schaufel wurde in den nächsten Tagen<br />

der Untergrund für weitere Beete geebnet und die<br />

künftigen GärtnerInnen setzten die Beeteinfassungen<br />

aus Paletten und Holzstaffeln zusammen.<br />

Nachdem die Beete mit Zweigen, Grünschnitt und<br />

Erde befüllt waren, konnten unsere Hobbygärtner<br />

endlich die ersten Pflanzen setzen. Den ganzen<br />

Sommer über wuchsen Paradeiser, Paprika, Zucchini,<br />

Salat oder verschiedenste Kräuter heran. Mit<br />

dem Gemüse des „<strong>SMZ</strong>-Beets“ konnten wir regelmäßig<br />

unsere TeilnehmerInnen am donnerstäglichen<br />

Brunch am Grünanger“ verköstigen.<br />

BEETE FINDEN GROSSEN ANKLANG<br />

Die unterschiedlichen Aufgaben in der Gartengestaltung<br />

haben sich die interessierten GärtnerInnen<br />

selber aufgeteilt, wodurch jeder aktiv und nach<br />

seinen persönlichen Möglichkeiten im Gemeinschaftsgarten<br />

beteiligt war. Das gemeinsame Grillfest<br />

am 17. Juni war gleichzeitig unser Eröffnungsfest<br />

des Gemeinschaftsgartens Schönau, bei dem<br />

wir Stadträtin Elke Kahr und Bezirksvorsteher-Stellvertreter<br />

Klaus Strobl begrüßen konnten.<br />

Mittlerweile sind 12 Beete im Gemeinschaftsgarten<br />

Schönau bepflanzt, nächstes Jahr sollen weitere<br />

Beete hinzukommen. Durch das Engagement von<br />

Gärtner Toni wurden auch eine große Gerätehütte<br />

errichtet und Waschbetonplatten für eine Sitzecke<br />

verlegt, die im Frühjahr 2016 fertig gestellt werden<br />

soll. Wir laden regelmäßig zu gemeinsamen<br />

Treffen ein, bei denen nicht nur gegärtnert und<br />

getratscht, sondern auch fleißig weitergeplant und<br />

gebaut wird. Klar definierte Gartenregeln schaffen<br />

Verbindlichkeit und Verantwortung für den gemeinsamen<br />

Garten. Die GärtnerInnen übernehmen<br />

selbstständig Aufgaben, haben sich bereits in<br />

Gruppen zusammengefunden und die gegenseitige<br />

Unterstützung bei der Beetpflege ist zur Selbstverständlichkeit<br />

geworden.<br />

Durch die Nähe des Pavillons am Sandplatz, der<br />

als Treffpunkt für Jugendliche gilt, ergeben sich<br />

auch generationsübergreifende Kontakte. Einige<br />

Jugendliche haben bereits beim Aufbau der Beete<br />

mitangepackt und schauten auch bei unseren<br />

Veranstaltungen vorbei. Der Gemeinschaftsgarten<br />

Schönau ist dank der Möglichkeit, die Umgebung<br />

zu verschönern, nicht nur eine Bereicherung<br />

für die Nachbarschaft und die persönliche Kreativität,<br />

er bringt auch die BewohnerInnen über das<br />

Thema Gärtnern als sozialen Treffpunkt näher zusammen<br />

und kann so zu einer nachhaltigen und<br />

sozialen Stadtentwicklung – ganz im Sinne der<br />

Ziele der Stadtteilarbeit – beitragen.<br />

Mittlerweile ist das letzte Obst und Gemüse aus<br />

dem Gemeinschaftsgarten verarbeitet worden.<br />

Das Saisonende wurde mit einem Maronifest abgeschlossen<br />

und vielleicht ergeben sich auch bei<br />

Schnee gemeinsame Aktivitäten im Garten.<br />

Wenn Sie Interesse an einem Hochbeet in unserem Gemeinschaftsgarten<br />

haben oder Ideen für Veranstaltungen, Workshops oder die Gestaltung des<br />

Gartens einbringen möchten – <strong>Info</strong>rmationen bekommen Sie bei Martina Frei<br />

im Sozialmedizinischen Zentrum <strong>Liebenau</strong> unter der Telefonnummer:<br />

Tel: +43 (0)699 18 08 43 75 E-Mail: frei@smz.at<br />

<strong>SMZ</strong> INFO DEZEMBER <strong>2015</strong><br />

35


STADTTEILARBEIT<br />

BARRIEREFREIE STADTTEILARBEIT?<br />

VON MARTINA FREI<br />

36<br />

<strong>SMZ</strong> INFO DEZEMBER <strong>2015</strong><br />

Auf der Suche nach einem Stadtteilzentrum im<br />

Bezirk Jakomini stoßen die MitarbeiterInnen des<br />

<strong>SMZ</strong> <strong>Liebenau</strong> auf ein unerwartet hohes Hindernis:<br />

Das anzumietende Objekt muss barrierefrei<br />

begehbar sein. Unter den gegebenen Rahmenbedingungen<br />

heißt das, dass die meisten<br />

in Frage kommenden Geschäftsflächen diese<br />

Eigenschaft nicht mit sich bringen, auch wenn<br />

sie im Erdgeschoss liegen. Die Räumlichkeiten<br />

unserer Praxisgemeinschaft in der <strong>Liebenau</strong>er<br />

Hauptstrasse sind barrierefrei, obwohl im ersten<br />

Stock gelegen.<br />

Ab 1.1.2016 tritt das Gleichstellungsgesetz in<br />

Kraft, das besagt, dass alle öffentlich zugänglichen<br />

Gebäude barrierefrei sein müssen. Dieses<br />

Gesetz wurde bereits 2006 beschlossen, ließ<br />

aber einen Übergangszeitraum von zehn Jahren<br />

für Umbauten zu.<br />

Bereits im Jahr 1985 hat die Stadt Graz mit dem<br />

„Referat für Barrierefreies Bauen“ im Magistrat<br />

Graz als erste Stadt in Österreich eine öffentliche<br />

Ansprechstelle für Menschen, die sich zum<br />

Thema „Barrierefrei Bauen“ informieren und beraten<br />

lassen möchten, eingerichtet.<br />

1993 wurde die ÖNORM B 1600, eine Planungsgrundlage<br />

für barrierefreies Bauen,<br />

beschlossen.<br />

Mit dem Beschluss der „Barcelona-Erklärung“,<br />

der „Salamanca-Erklärung“ und der „Erklärung<br />

von Graz“ versuchte die Stadt Graz, das Recht<br />

auf Selbstbestimmung und Gleichberechtigung<br />

für Menschen mit Behinderungen anzuerkennen.<br />

Mit der Unterzeichnung der UN-Konvention<br />

über die „Rechte von Menschen mit Behinderung“<br />

im Jahr 2008 wurde ein weiterer wichtiger<br />

Schritt getan und Bund, Länder und Gemeinden<br />

dazu verpflichtet, die Grundsätze dieser Konvention<br />

umzusetzen. In der Konvention werden<br />

Menschen mit Behinderung als „Menschen, die<br />

langfristige körperliche, seelische, geistige oder<br />

Sinnes-Beeinträchtigungen haben, welche sie<br />

in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren<br />

an der vollen, wirksamen und gleichberechtigten<br />

Teilhabe an der Gesellschaft hindern können.“<br />

(Kommunaler Aktionsplan der Stadt Graz<br />

<strong>2015</strong>:135) definiert.<br />

DIE GRUNDSÄTZE DER UN-KONVENTION …<br />

■■<br />

Menschen mit Behinderung müssen die gleichen<br />

Rechte haben wie Alle.<br />

■■<br />

Jeder Mensch ist ein besonderer Mensch und<br />

hat das Recht, in Würde zu leben.<br />

■■<br />

Niemand darf schlechter behandelt werden,<br />

weil er oder sie eine Behinderung hat.<br />

■■<br />

Jeder Mensch soll in der Gesellschaft die gleichen<br />

Chancen haben.<br />

■■<br />

Jeder Mensch soll an der Gesellschaft gleich<br />

teilhaben können.<br />

■■<br />

Jeder Mensch darf für sich selbst entscheiden.<br />

… UND DIE SCHWIERIGKEITEN,<br />

SIE ZU REALISIEREN<br />

Seit Monaten besichtigten wir zahlreiche Objekte<br />

und legten unsere Ansprüche dar. Die potentiellen<br />

VermieterInnen waren durchgehend interessiert<br />

an unseren Tätigkeiten. Als es jedoch<br />

in weiteren Verhandlungen zum Thema Barrierefreiheit<br />

ging, stießen wir schnell auf Grenzen.<br />

Keines der Objekte, darunter auch ehemalige<br />

Geschäfts- und Büroflächen oder Lokale wäre<br />

sofort barrierefrei einsetzbar gewesen. Es hätte<br />

den Umbau des Eingangs, zum Beispiel in<br />

Form einer betonierten Rampe oder eines Hebelifts<br />

sowie ein barrierefreies WC, benötigt.<br />

Unser erstes Wunschobjekt wurde lieber zu<br />

zwei kleinen Wohnungen umgebaut, beim<br />

Zweiten forderte man sogar, dass das <strong>SMZ</strong> auf


BARRIEREFREIE STADTTEILARBEIT<br />

DEFINITION „MENSCH MIT BEHINDERUNG:<br />

LANGFRISTIGE KÖRPERLICHE, SEELISCHE,<br />

GEISTIGE ODER SINNESBEEINTRÄCHTIGUNGEN,<br />

IN WECHSELWIRKUNG MIT VERSCHIEDENEN BARRIEREN<br />

AN DER VOLLEN, WIRKSAMEN UND GLEICHBERECHTIGTEN<br />

TEILHABE AN DER GESELLSCHAFT<br />

eigene Kosten ein barrierefreies WC einbauen<br />

und beim Auszug auch wieder in den Originalzustand<br />

rückbauen sollte, da man keinen Nutzen<br />

in einer adaptierten WC-Anlage sah.<br />

Auch die weiteren VermieterInnen zierten sich<br />

vor den Kosten eines Umbaus und lehnten das<br />

<strong>SMZ</strong> als Mieter aus wirtschaftlichen Gründen<br />

ab oder schlugen uns das Ausnutzen widriger<br />

Gesetzesschlupflöcher vor, woraufhin wir eine<br />

Absage erteilen mussten.<br />

Am Ende einer 10jährigen gesetzlichen Übergangsfrist,<br />

so dachten wir, müsste nicht mehr<br />

über Barrierefreiheit diskutiert werden oder darüber,<br />

ob nicht die Verantwortung – falls überhaupt<br />

jemand kommt und Beschwerde einreicht – über<br />

den Vermieter abgewendet werden könne. Wir<br />

waren bei unserer Suche nach geeigneten<br />

Räumlichkeiten auch immer bereit, ein unternehmerisches<br />

Risiko mitzutragen und einen längeren<br />

Kündigungsverzicht einzugehen.<br />

BARRIEREFREIE STADTTEILARBEIT<br />

Um die Regeln der bereits erwähnten UN-Konvention<br />

umzusetzen, müssen sie von den einzelnen<br />

Ländern angepasst und festgehalten<br />

werden. In Österreich wurde dafür 2012 der „Nationale<br />

Aktionsplan Behinderung 2012 – 2<strong>02</strong>0“<br />

beschlossen, der einen Weg festlegt, wie die<br />

Situation für Menschen mit Behinderung verbessert<br />

werden kann. Im österreichischen Aktionsplan<br />

sind acht Handlungsfelder festgelegt, von<br />

denen zwei eine besondere Rolle im Bezug auf<br />

Stadtteilarbeit spielen:<br />

HANDLUNGSFELD 2 DES AKTIONSPLANS:<br />

BAULICHE BARRIERE-FREIHEIT<br />

In der UN-Konvention wird gefordert, dass es für<br />

Menschen mit Behinderung keine Hindernisse<br />

geben soll und alles so gestaltet sein soll, dass<br />

Menschen mit Behinderung alles ohne Hilfe gut<br />

nützen können, selbstständig leben und überall<br />

dabei sein können. Hier gestaltet sich als Hauptproblem<br />

der Stadt Graz, dass zum Beispiel privaten<br />

Geschäften und Lokalen Barrierefreiheit<br />

nicht vorgeschrieben werden kann.<br />

HANDLUNGSFELD 5 DES AKTIONSPLANS:<br />

IN DER GESELLSCHAFT LEBEN/ KULTUR, FREIZEIT,<br />

WOHNEN:<br />

In der UN-Konvention wird weiters gefordert,<br />

dass Menschen mit Behinderung das Recht haben,<br />

mit anderen Menschen etwas gemeinsam<br />

zu unternehmen. Angebote der Stadt müssen<br />

für alle, also auch für Menschen mit Behinderung,<br />

zugänglich sein. Ihr Umfeld muss so gestaltet<br />

sein, dass sie es einfach benutzen können.<br />

Obwohl im Zuge der Kulturhauptstadt Graz<br />

2003 viele Kulturangebote der Stadt barrierefrei<br />

zugänglich gemacht wurden, fehlt es immer<br />

noch an Freizeitangeboten für Menschen mit<br />

Behinderung.<br />

Für das <strong>SMZ</strong> gestaltet sich die Suche nach einem<br />

Stadtteilzentrum weiterhin als schwierig.<br />

Bezüglich Handlungsfeld 2 des Aktionsplans<br />

ist eines der größten Probleme unserer Suche,<br />

dass sich private VermieterInnen nicht an den<br />

Wunsch der Stadt Graz, eine barrierefrei Stadt<br />

aufzubauen, zu halten haben und nur sehr langsam<br />

beginnen, „auf den Zug aufzuspringen.“<br />

Quellen:<br />

Kommunaler Aktionsplan der Stadt Graz zur Umsetzung der<br />

UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen<br />

(<strong>2015</strong>) Verfügbar unter: http://www.graz.at/cms/dokumente/10<strong>02</strong>5713/70775c47/Kommunaler%20Aktionsplan%20<br />

der%20Stadt%20Graz.pdf<br />

<strong>SMZ</strong> INFO DEZEMBER <strong>2015</strong><br />

37


STADTTEILARBEIT<br />

STARKE NACHBARSCHAFTEN –<br />

GESUNDE STADT, EIN NEUES <strong>SMZ</strong> PROJEKT<br />

VON ALENA STRAUSS<br />

Von 2008 bis 2011 führte das <strong>SMZ</strong> <strong>Liebenau</strong> das<br />

Gesundheitsförderungsprojekt „Sta.ges – Stadtteil-Gesundheit<br />

für alle“ durch, das vom Fonds<br />

Gesundes Österreich und dem Gesundheitsressort<br />

des Landes Steiermark gefördert wurde.<br />

Hauptziel war es, den Menschen in <strong>Liebenau</strong><br />

und Jakomini die Möglichkeit zu geben, gesundheitlich<br />

aktiv zu werden und soziale Netzwerke<br />

aufzubauen.<br />

Mittlerweile ist es in Kooperation mit Michaela<br />

Strapatsas von „Diversity Consult“ gelungen,<br />

ein Nachfolgeprojekt ins Leben zu rufen, das an<br />

die Ergebnisse, sowohl von „Sta.ges“, als auch<br />

an die Erfahrungen der Stadtteilarbeit des <strong>SMZ</strong><br />

und an die Arbeit der Stadt Graz im Rahmen des<br />

„Gesunde Städte“-Netzwerks anknüpft: Seit Juli<br />

<strong>2015</strong> bis Juni 2017 arbeiten wir im Projekt „Starke<br />

Nachbarschaften – Gesunde Stadt“ daran,<br />

die Gesundheit jener Menschen zu fördern, die<br />

im Schönauviertel wohnen.<br />

Besuchen Sie unser dazu passendes<br />

Forum für sozialmedizinische Praxis<br />

am 23. November <strong>2015</strong>, zu dem wir<br />

Grete Melzer, eine Pionierin ambulanter<br />

Kinderpflege aus Korneuburg,<br />

ins Museum der Wahrnehmung<br />

eingeladen haben (18.00 Uhr,<br />

Museum der Wahrnehmung).<br />

38<br />

<strong>SMZ</strong> INFO DEZEMBER <strong>2015</strong><br />

Das Projekt zielt darauf ab, die Gesundheitskompetenz<br />

und die Bildungschancen sozial schwächer<br />

gestellter Menschen zu erhöhen. Zusätzlich<br />

zur Stadtteilarbeit werden deshalb Schwangere<br />

und Eltern von Babys und Kleinkindern zwischen<br />

null und drei Jahren angesprochen, ebenso alleinerziehende<br />

Mütter. Als Projektmitarbeiterin<br />

ist es mir wichtig, in den Siedlungen soziale<br />

Treffpunkte und Angebote für Mütter mit Kindern<br />

zu schaffen, damit sie einander durch eine ganz<br />

spezielle Lebensphase hindurch unterstützen<br />

und begleiten können. Ebenso brauchen alleinerziehende<br />

Mütter in vielen Situationen Ansprechpartner<br />

bei der Organisation des Alltags.<br />

Frauen, die einen beruflichen Wiedereinstieg<br />

planen, werden gezielt darin unterstützt, ihre<br />

eigenen Ressourcen und Kompetenzen wahrzunehmen<br />

und in einem „Kompetenz-Portfolio“<br />

festzuhalten. Damit möglichst viele Mütter an<br />

den Projektaktivitäten teilnehmen können, stellen<br />

wir auch Kinderbetreuung zur Verfügung.<br />

Durch die Etablierung des Projekts, das wiederum<br />

vom Fonds Gesundes Österreich, sowie<br />

aus Mitteln für die Stadtteilarbeit des Amtes für<br />

Wohnungsangelegenheiten finanziert wird, ist es<br />

gelungen, bessere Voraussetzungen für die Förderung<br />

der Gesundheit der BewohnerInnen in<br />

Schönau zu schaffen. Wir werden laufend über<br />

unsere Aktivitäten im Rahmen „starker Nachbarschaften“<br />

berichten.


MUSIKTHERAPIE-STAMMTISCH<br />

ERSTER MUSIKTHERAPIE-STAMMTISCH DER<br />

REGION STEIERMARK/ KÄRNTEN IM <strong>SMZ</strong><br />

VON VICTORIA FUCHS<br />

Aufbruchsstimmung herrschte am 24.9.<strong>2015</strong>,<br />

als sich 13 Musiktherapeutinnen und Musiktherapie-StudentInnen<br />

aus dem Raum Graz und<br />

Umgebung zum ersten Musiktherapiestammtisch<br />

der Region Steiermark/ Kärnten trafen.<br />

Das <strong>SMZ</strong> <strong>Liebenau</strong> und ich als Musiktherapeutin<br />

luden den Österreichischen Berufsverband der<br />

MusiktherapeutInnen (ÖBM) mit den Regionalsprecherinnen<br />

Stmk/Ktn. Judith Baumgartner,<br />

Lisa Tomantschger und Claudia Witzel nach <strong>Liebenau</strong><br />

ein.<br />

Im freundlichen Warteraum der Praxisgemeinschaft<br />

wurde gemeinsam gesungen und improvisiert,<br />

dann wurden nach einer netten Vorstellungsrunde<br />

aktuelle Themen wie z.B. über die drei<br />

verschiedenen Ausbildungseinrichtungen – Universität<br />

für Musik und darstellende Kunst Wien,<br />

IMC Fachhochschule Krems und Kunstuniversität<br />

Graz (Gramuth) – über Fort-und Weiterbildungsmaßnahmen<br />

und die Finanzierung musiktherapeutischer<br />

Leistungen gesprochen.<br />

Musiktherapie ist laut dem österreichischen<br />

Musiktherapie-Gesetz im Jahre 2009 „eine kreativitäts-<br />

und ausdrucksorientierte Therapiemethode,<br />

die gezielt musikalische Mittel in einer<br />

therapeutischen Beziehung einsetzt. Ihr Ziel ist<br />

die Wiederherstellung, Erhaltung und Förderung<br />

seelischer, körperlicher und geistiger Gesundheit“.<br />

Der Blick in der Musiktherapie wird nicht<br />

nur auf die Pathologie von PatientInnen, sondern<br />

auf ihre Möglichkeiten, Bedürfnisse und vorhandenen<br />

Ressourcen gerichtet.<br />

So schrieb z.B. der Musikforscher Hans Günther<br />

Bastian: „Die Chance zur ‚Freude an der<br />

Musik‘ als einer Freude am Leben, zum lustvollen<br />

Umgang beim aktiven Musizieren und beim<br />

Singen als Lebenshilfe, zum Hörgenuss von<br />

Klangsinnlichkeit und Klangsinn als erweiterte<br />

ästhetische Erfahrung, ob in Klassik- oder Rockmusik<br />

[zu nutzen]. Es geht mir – nach Friedrich<br />

Klausmeier – um die Lust, sich musikalisch nach<br />

Belieben auszudrücken.“ Musik, Musizieren und<br />

Musikerziehung können also kognitive, ästhetische,<br />

soziale, emotionale und psychomotorische<br />

Fähigkeiten in ein und demselben Lernprozess<br />

fördern.<br />

In Österreich wird derzeit keine Finanzierung<br />

oder Unterstützung durch Krankenkassen zur<br />

Verfügung gestellt. Die PatientInnen müssen<br />

die Therapiekosten selber tragen. Das <strong>SMZ</strong> <strong>Liebenau</strong><br />

ermöglicht jedoch durch einen geringen<br />

Unkostenbeitrag, dass finanziell benachteilige<br />

Personen die Therapie in Anspruch nehmen<br />

können.<br />

Insgesamt gibt es 340 MusiktherapeutInnen in<br />

Österreich, die in der Musiktherapie-Liste des<br />

Bundesministeriums für Gesundheit (28 in der<br />

Steiermark, 4 in Kärnten) eingetragen sind.<br />

Gemeinsam wurden mit dem Team des ÖBM (Österreichischer<br />

Berufsverband der MusiktherapeutInnen)-<br />

Regionalsprecherinnen Stmk/Ktn. Ideen<br />

geschmiedet, wie das junge Berufsfeld in der Öffentlichkeit<br />

mehr Präsenz erlangen kann und welche<br />

Art der Zusammenarbeit mit BerufskollegInnen<br />

hierfür erforderlich ist. In den Bundesländern<br />

sei noch sehr viel Aufklärungs- und Pionierarbeit<br />

zu leisten! Der von nun an regelmäßig stattfindende<br />

Stammtisch soll Plattform für mehr Austausch<br />

und Zusammenarbeit sein, um die Musiktherapielandschaft<br />

in der Region zu beleben.<br />

Im Rahmen des Stammtisches sollte auch die<br />

Möglichkeit bestehen, Arbeitsgruppen zu spezifischen<br />

Bereichen zu gründen, Fortbildungsveranstaltungen<br />

im Süden Österreichs zu etablieren,<br />

Finanzierungsfragen zu diskutieren und Präsenz<br />

in berufsrelevanten Bereichen zu erlangen.<br />

Mag. Judith Baumgartner betonte beim Stammtisch:<br />

„Gemeinsam wollen wir uns über Aktuelles<br />

austauschen und uns weiter vernetzen!“<br />

Weitere TeilnehmerInnen meinten:<br />

„Ein spannender Abend, organisiert von einem<br />

motivierten, ambitionierten Team, der<br />

hoffentlich Wiederholung findet!“<br />

„Endlich ist es soweit! Es geht los in der Steiermark!“<br />

„Inspirierend! Macht Lust auf weiteres Vernetzen!“<br />

„Aller Anfang ist schwer!“<br />

„Unterschiedliche Interessen und Standpunkte.<br />

Ein ziemlich bunter Haufen in den<br />

Startlöchern.“<br />

„Toll, dass es das jetzt gibt!“<br />

WIR FREUEN UNS ÜBER EINE REGE TEILNAHME<br />

AM MUSIKTHERAPIE-STAMMTISCH STEIERMARK/<br />

KÄRNTEN! INTERESSIERTE WENDEN SICH BITTE AN<br />

musiktherapie.stmk.ktn@gmx.at.<br />

<strong>SMZ</strong> INFO DEZEMBER <strong>2015</strong><br />

39


STADTTEILARBEIT<br />

WARUM SICH GESUNDHEIT<br />

NICHT VERORDNEN LÄSST<br />

VON USCHI POSSERT<br />

MENSCHEN HABEN EIN FEINES GESPÜR DAFÜR,<br />

OB IHRE MEINUNG LEDIGLICH GEFRAGT IST<br />

ODER OB SIE AUCH WIRKLICH<br />

MITENTSCHEIDEN DÜRFEN.<br />

40<br />

<strong>SMZ</strong> INFO DEZEMBER <strong>2015</strong><br />

„Mythos Vorbeugung“ ist der Titel des neuen Buches<br />

von Matthias Becker, Medizinjournalist und<br />

Publizist in Berlin, das er persönlich im <strong>SMZ</strong> vorgestellt<br />

hat.<br />

Gesund m u s s man bleiben – mit Fettsteuern,<br />

verpflichtenden Vorsorgeuntersuchungen,<br />

Rauch- und Alkoholverboten, regelmäßigem<br />

Sport, Vorsorgeuntersuchungen, etc. sollen wir<br />

zu einem gesunden Leben angehalten werden,<br />

und vielleicht erhalten wir dafür von den Versicherungen<br />

auch finanzielle Vergünstigungen.<br />

Aber weder Früherkennungsuntersuchungen,<br />

individuelle gesunde Ernährung noch regelmäßige<br />

Bewegung ändern Gesundheitschancen in<br />

der Bevölkerung. Denn den größten Einfluss auf<br />

Krankheit und Gesundheit üben die Lebensverhältnisse<br />

und die gesellschaftliche Ungleichheit<br />

aus, beweist Becker in seinem Buch. Solange<br />

der Fokus auf Ernährungsgewohnheiten und andere<br />

Verhaltensweisen gelegt wird, jedoch ökologische<br />

und soziale Verhältnisse weitgehend<br />

außer Acht bleiben, bleibt auch die Krankheitsvorbeugung<br />

ein Mythos.<br />

„Es ist an der Zeit, die Verhältnisse wieder<br />

gesund zu machen,“<br />

so Matthias Becker in seinem Kurzvortrag. Die<br />

Diskussion mit dem Publikum verläuft sehr angeregt:<br />

■ ■ „Inwiefern lässt sich die Zahl der gesunden<br />

Jahre eines Menschenlebens vergrößern?“<br />

fragt ein Diskussionsteilnehmer.<br />

Becker: Indem unser Gesundheitsbewusstsein<br />

gestärkt wird und wir überhaupt verstehen, was<br />

„gesund“ bedeutet. Wichtig ist, möglichst selbstbestimmt<br />

leben zu können, also Einfluss darauf<br />

zu haben, was und wie wir arbeiten. Machtlosigkeit<br />

– also die Dinge nicht ändern zu können –<br />

macht genauso krank wie Stress, Rauchen oder<br />

ungesunde Ernährung.<br />

■ ■<br />

„Rollt nicht die Präventionsmaschine viel<br />

zu oft über uns drüber?“ fragt ein anderer.<br />

„Werden dabei nicht Gesunde krank gemacht?“<br />

Becker: Ich sehe zwei Antriebe der Prävention:<br />

Erstens das Kapitalinteresse, z.B. bei den Pharmafirmen,<br />

aber auch bei vielen Gesundheitsbetrieben<br />

und zweitens ein bevölkerungspolitisches<br />

Interesse – darunter verstehe ich z. B.<br />

Behandlungskosten vermeiden, in dem wir uns<br />

gesund ernähren, uns mehr bewegen, abnehmen,<br />

etc. Wenn Sie mich fragen, würde ich nicht<br />

so viel Geld in Aufklärungskampagnen stecken.<br />

Wir wissen ja alle, dass Rauchen schädlich ist,<br />

Zucker und zuviel Fett ungesund sind. Und?<br />

Was hilft´s?<br />

Geld gehört dort investiert, wo Krankheiten entstehen!<br />

Gerade Leute aus armen Verhältnissen<br />

brauchen das Geld: Diese Menschen rauchen<br />

mehr und ernähren sich schlecht, schlafen weniger,<br />

weil sie in prekären Jobs oft gar nicht anders<br />

können. Sagen Sie einer übergewichtigen<br />

Person, die Nachtdienste machen und tagsüber<br />

ihre Kinder versorgen muss, sie soll mehr joggen<br />

gehen,...


GRÜNANGER / SCHÖNAU<br />

„Der allerbeste Gesundheitstipp lautet: Sei<br />

nicht arm! Wenn du doch arm bist, versuch<br />

damit aufzuhören!“ (Sozialmediziner Michael<br />

Marmot 2008 in Berlin)<br />

■ ■<br />

„Wohin führt dann die Reise? Die Einkommensschere<br />

zwischen Arm und Reich geht<br />

ja immer weiter auf!“<br />

Becker: Bei uns in Deutschland geht die Reise<br />

immer mehr in Richtung Verhaltensprävention,<br />

leider! „Ich allein bin für mein Wohlergehen verantwortlich.“<br />

Viele Menschen glauben das auch<br />

noch, bestätigt eine Umfrage der deutschen<br />

Krankenversicherungen. Ich kann das auch gut<br />

nachvollziehen, weil gerade in den sozial schwachen<br />

Einkommensschichten die Leute die Erfahrung<br />

machen, dass ihnen ja kaum jemand hilft<br />

und sie für sich selber sorgen müssen.<br />

Aber: Gesundheitsförderung lege artis nimmt die<br />

Leute ernst, unterstützt sie, hilft dabei, Bedingungen<br />

zu schaffen, d a m i t sie weniger rauchen,<br />

weniger trinken, weniger Stress haben.<br />

■ ■ „Hätten alle ein Grundeinkommen von – sagen<br />

wir 2000 € – wären wir dann gesünder?“<br />

lautet die Frage aus dem Publikum.<br />

Becker: Ich denke schon!<br />

■ ■<br />

„Allein innerhalb von London ändert sich<br />

die Lebenserwartung der Bewohner pro<br />

U-Bahnstation um ein ganzes Lebensjahr!<br />

Das schreiben Sie ja auch in Ihrem Buch.“<br />

Becker: Wir sprechen dabei vom „sozialen<br />

Gradienten.“ Nehmen wir das Londoner Viertel<br />

Tottenham Green im Nordosten. Das Viertel ist<br />

verwahrlost und geprägt von Arbeitslosigkeit.<br />

Etwa ein Drittel der Bewohner ist schwarz. Die<br />

Lebenserwartung in Tottenham Green liegt mit<br />

71,3 Jahren fast ! sieben ! Jahre unter dem britischen<br />

Durchschnitt. Im noblen Kensington, südlich<br />

des Hyde Parks, werden Männer im Schnitt<br />

88 Jahre alt. Soziale Ungleichheit macht also<br />

krank: Einsamkeit, Isolation, Abwertung oder<br />

psychosozialer Stress sind ernstzunehmende<br />

Gesundheitsrisiken! Das heißt also: Prävention<br />

kann nur gesellschaftspolitisch wirken und nicht<br />

individuell. Wichtig ist – gerade in der Gesundheitsförderung<br />

– die Leute ernst zu nehmen und<br />

ihnen zu zeigen, wie wir gemeinsam aktiv werden<br />

können. Man muss ihnen vor Augen führen<br />

„Du bist nicht allein!“<br />

■ ■<br />

„Sollten wir nicht auch den persönlichen<br />

Schuldaspekt in Bezug auf Krankheit herausnehmen?<br />

Prävention und Vorbeugung<br />

helfen nicht zwangsläufig. Wenn eine<br />

Krankheit auftritt, bist du ja nicht persönlich<br />

schuld daran!“<br />

Becker: In Deutschland z.B. wird derzeit die betriebliche<br />

Gesundheitsförderung gestärkt. Das<br />

finde ich positiv: Arbeiter, Vorarbeiter, Angestellte,<br />

Chefs kommen an einem Tisch zusammen,<br />

um den betrieblichen Alltag möglichst gesund zu<br />

gestalten – sei es in Richtung Unfallverhütung,<br />

Arbeitstempo, Stress, etc.<br />

Beckers Conclusio: Menschen haben ein feines<br />

Gespür dafür, ob ihre Meinung lediglich gefragt ist<br />

oder ob sie auch wirklich mitentscheiden dürfen.<br />

Bloße Rituale werden den sozialen Gradienten<br />

ebenso wenig ändern wie die Versuche, mit einer<br />

gesunden Lebensweise unter ungesunden<br />

Lebensverhältnissen Krankheiten zu verhindern!<br />

<strong>SMZ</strong> INFO DEZEMBER <strong>2015</strong><br />

41


AUFGESCHNAPPT<br />

AUFGESCHNAPPT.<br />

VON GUSTAV MITTELBACH UND USCHI POSSERT<br />

MULTI-<br />

MEDIKATION<br />

Viele ältere Menschen haben verschiedene<br />

Krankheiten, die oft jahrelang behandelt werden.<br />

Häufig nehmen sie täglich fünf oder mehr Arzneimittel<br />

ein. Der Nachtei dabei: Medikamente<br />

beeinflussen sich manchmal gegenseitig ungünstig.<br />

Daher sollte mindestens einmal im Jahr der Medikamentenplan,<br />

einschließlich frei verkäuflicher<br />

Präparate, mit dem Hausarzt überprüft werden!<br />

Medikamente können sich gegenseitig verstärken<br />

oder abschwächen. Eine eingeschränkte<br />

Nieren- oder Leberfunktion, z.B., kann die Wirkung<br />

von Medikamenten entscheidend beeinflussen.<br />

Oft ist nach einiger Zeit die Einnahme eines<br />

Medikaments gar nicht mehr nötig: So kann ein<br />

Magenschutzpräparat gegen den Stress im Spital<br />

bald wieder abgesetzt werden. Klären Sie<br />

mit Ihrem Arzt des Vertrauens Ihre Medikamenten-Zusammenstellung<br />

und lassen Sie sich auch<br />

regelmäßig eine aktuelle Liste der festgelegten<br />

Medikamente aushändigen.<br />

ZUR PATIENTENINFORMATION:<br />

www.patienten-information.de/mdb/downloads/<br />

kip/aezq-version-kip-multimedikation.pdf<br />

LEITLINIE FÜR ÄRZTINNEN:<br />

www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/053-0431_S2e_Multimedikation_2014-05.pdf<br />

MUSIK ALS<br />

LEBENSELIXIER<br />

Musik berührt uns in guten und schlechten Zeiten,<br />

beflügelt und tröstet. Aber nicht jeder Musikstil<br />

fasziniert uns in gleicher Weise. Forscher-<br />

Innen der McGill University Montreal haben<br />

mit Hirnscannern ermittelt, wo genau im Hirn<br />

entschieden wird, ob jemand von einem Song<br />

begeistert ist und dafür auch Geld ausgeben<br />

würde – und zwar in einem Hirnareal namens<br />

Nucleus accumbens – einem Teil des so genannten<br />

„Belohnungssystems.“ Es sorgt dafür,<br />

dass wir bestimmte Dinge wie Sex, gutes Essen<br />

oder auch Musik berauschend finden.<br />

Robert Zatorre und seine KollegInnen ermittelten<br />

in ihrer Studie zunächst den Musikgeschmack<br />

der Probanden und suchten dementsprechend<br />

dutzende Titel, die sie den StudienteilnehmerInnen,<br />

im Magnetresonanztomografen (MR) liegend,<br />

jeweils 30 Sekunden lang vorspielten.<br />

Dabei wurde deren Hirnaktivität beim Hören gemessen.<br />

Beim besonderen Genuss eines Liedes<br />

stellten die WissenschafterInnen fest, dass<br />

vor allem der Nucleus accumbens angekurbelt<br />

wurde. Je aktiver die Nervenzellen in dieser<br />

Hirnregion feuerten, desto mehr Geld wollten<br />

die ProbandInnen auch später für den gerade<br />

vorgespielten Titel ausgeben.<br />

Zwar aktiviert Musik auch andere Hirnregionen wie<br />

das Hörzentrum, Regionen für Bewegung, Gefühle<br />

und die Bewertung neuer Eindrücke, doch sagen<br />

diese nur wenig darüber aus, wie sehr ein Mensch<br />

die Musik liebt, die er gerade hört.<br />

(V.N.Salimpoor: Science,340,2013,216-219)<br />

PSEUDO-FEMINISMUS ODER PHARMA-<br />

INDUSTRIE AUF DEM EMANZIPATIONSTRIP<br />

<strong>SMZ</strong> INFO DEZEMBER <strong>2015</strong><br />

Als Viagra für die Frau wird eine neue Pille beworben und gleich eine neue Krankheit dazu erfunden:<br />

„Mangelndes sexuelles Empfinden der Frau“. Dreimal scheiterte Böhringer-Ingelheim an der Zulassung<br />

in den USA. Absurd ist der Vergleich mit Viagra: Hier leiden Männer trotz sexueller Erregung<br />

daran, keine Erektion zu bekommen, und die Tablette wird bei Bedarf eingenommen. Die neue Substanz<br />

für Frauen (deren Zulassung noch völlig offen ist) wirkt aber nicht auf das Genitale, sondern im<br />

Hirn und muss ständig eingenommen werden.<br />

Bei häufigen unerwünschten Nebenwirkungen wie Übelkeit, Schwindel, Schwäche und Schlaflosigkeit<br />

liegt der positive Effekt bei 0,8 zufriedenstellenden sexuellen Kontakten mehr pro Monat als mit<br />

Placebo. Frauen, die keine Lust auf sexuellen Kontakt haben – aus welchen Gründen auch immer,<br />

wird ja gar nicht mehr hinterfragt – schlucken ab jetzt zum „richtigen Funktionieren“ Tabletten?! Auf<br />

die Reaktion unserer Frauen sind wir gespannt!<br />

(Aus „gute Pillen schlechte Pillen“ der unabhängigen Wartezimmerzeitung; Nr 4 <strong>2015</strong>)<br />

42


AUFGESCHNAPPT<br />

FÜR EINE RE-SOZIALI-<br />

SIERUNG DER MEDIZIN<br />

Buchrezension: Klassenmedizin-Plädoyer für<br />

eine soziale Reformation der Heilkunst<br />

(Bernd Kalvelage, Springer-Verlag- auch als e-book)<br />

Der Mitbegründer des VDÄÄ (Verband demokratischer<br />

Ärztinnen und Ärzte) ist Hausarzt,<br />

Internist und Diabetes-Spezialist in einem benachteiligten<br />

Stadtteil von Hamburg. Er kritisiert,<br />

dass der Medizinbetrieb den sozialen Blick auf<br />

die PatientInnen verloren hat und das ärztliche<br />

Handeln durchökonomisiert worden ist.<br />

Bernd Kalvelage plädiert daher, für sozial benachteiligte<br />

PatientInnen Partei zu ergreifen,<br />

ihnen eine besonders gute, integrierte und<br />

psychosoziale Versorgung anzubieten und beschreibt<br />

dabei viele Erfahrungen aus der eigenen<br />

ärztlichen Praxis mit Spezialgebiet Diabetes<br />

und Migration.<br />

„... Wer sich bisher in seinem Leben als Migrant<br />

oder Einheimischer ... als fremd und ausgegrenzt,<br />

isoliert, getrieben und als Opfer der Verhältnisse<br />

erlebt hat, wird im Krankheitsfall nicht<br />

über Nacht plötzlich zum kompetenten Manager<br />

seiner Erkrankung…“ Mit scharfen Worten und<br />

gut belegt kritisiert er Begriffe wie „Selbstverantwortung“<br />

in puncto Gesundheit und die „Erziehung<br />

der Unterschichten mit der intellektuell<br />

beschlagenen Oberschichtbrille.“<br />

Das Buch fordert zu einem Perspektivwechsel auf:<br />

Erst durch den Wechsel von „von oben herab“ zu<br />

„von unten her“ werden soziale Belastungen und<br />

individuelle Ressourcen sichtbar und relevant.<br />

Insbesonders HausärztInnen, die sich über die<br />

Beziehung zu ihren PatientInnen definieren (und<br />

nicht über Politik, Sozialversicherung, Controller<br />

oder das Prinzip der Einkommensmaximierung),<br />

sind hier gefordert. Ein wesentliches Buch.<br />

EINSAMKEIT ALS<br />

GESUNDHEITSRISIKO<br />

Alte Menschen, die sich einsam und alleine fühlen,<br />

leiden häufiger an Bluthochdruck und Diabetes,<br />

ein dichtes Netz an Freundschaften jedoch,<br />

macht das Alleinleben erträglicher. Einsamkeit<br />

ist ein ernst zu nehmendes Gesundheitsrisiko –<br />

in seiner Wirkung vergleichbar mit Rauchen und<br />

Übergewicht, konstatiert der Neuropsychologe<br />

John Cacioppo von der Universität Chicago 1 .<br />

Einsamkeit stresst besonders im Alter den Organismus:<br />

Betroffene schlafen schlechter, ihr<br />

Blut enthält mehr Stresshormone, ihre Abwehrkräfte<br />

verringern sich, sie bewegen sich weniger<br />

und sind anfälliger für Depressionen. In fortgeschrittenen<br />

Jahren haben einsame Menschen,<br />

verglichen mit vernetzten Jahrgangsgenossen,<br />

ein eineinhalbfach erhöhtes Risiko für Bluthochdruck<br />

und Diabetes, samt den damit verbundenen<br />

Gefahren wie Schäden an Blutgefäßen,<br />

Herzinfarkt und Schlaganfall, lautet das Ergebnis<br />

der so genannten ESTHER 2 -Studie 2013 von<br />

der Universität Heidelberg, an der rund 3200<br />

Männer und Frauen im Alter von 57 bis 84 Jahren<br />

teilgenommen haben. Sie zeigte auch, dass<br />

34% der einsamen Teilnehmer Psychopharmaka<br />

einnahmen.<br />

Am Beispiel der ESTHER-Studie sehen wir also,<br />

wie wichtig Gesundheitsförderung und Stadtteilarbeit<br />

sind, wie sie das <strong>SMZ</strong> in <strong>Liebenau</strong> und<br />

Jakomini betreibt: Kontakte innerhalb der Siedlungen<br />

zu fördern oder wieder aufzunehmen, Lebensgeschichten<br />

zu erzählen, sich im Gemeinschaftsgarten<br />

oder beim Grünanger-Brunch zu<br />

engagieren, Seniorentreffs wahrzunehmen, in<br />

der Walkinggruppe mitzumarschieren oder gemeinsam<br />

mit Kindern zu musizieren. Einsamkeit<br />

ist kein unabänderliches Schicksal, oft liegt die<br />

Lösung vor Ihrer Haustüre.<br />

1<br />

vgl.:http://news.uchicago.edu/article/2008/09/03/loneliness-undermines-health-well-mental-well-being,<br />

abgerufen am 21.09.<strong>2015</strong><br />

2<br />

ESTHER = Epidemiologische Studie zu Chancen der Verhütung,<br />

Früherkennung und optimierten Therapie chronischer<br />

Erkrankungen in der älteren Bevölkerung<br />

BEWEGUNG SCHÜTZT AM BESTEN VOR DEMENZ<br />

Körperliche Aktivität, so fanden WissenschaftlerInnen der University of Edinburgh in einer Langzeitstudie<br />

mit über 600 älteren Menschen heraus, ist das beste Mittel gegen Gedächtnisschwäche und<br />

Demenz.<br />

(Neurology,79 ,2013, 18<strong>02</strong>-1808)<br />

<strong>SMZ</strong> INFO DEZEMBER <strong>2015</strong><br />

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38<br />

<strong>SMZ</strong> INFO DEZEMBER <strong>2015</strong>


DAS <strong>SMZ</strong> STELLT SICH VOR<br />

CHRISTOPH<br />

PAMMER<br />

Ich darf mich – seit Juni dieses Jahres – als neuer<br />

Geschäftsführer im <strong>SMZ</strong> vorstellen. Dabei bin<br />

ich gar nicht so neu im Team des <strong>SMZ</strong>, denn ich<br />

arbeitete bereits zwischen 2000 und 2003 als<br />

Sozialarbeiter und seit 2012 im Vorstand des<br />

<strong>SMZ</strong> mit. So hatte ich damals gute Startbedingungen<br />

für eine Public Health Ausbildung in der<br />

Schweiz, war doch das <strong>SMZ</strong> im gesamten deutschen<br />

Sprachraum als Pionierprojekt für eine soziale<br />

und wohnortnahe Gesundheitsversorgung<br />

bekannt. Zwischen 2004 und 2008 war ich dann<br />

im Team von Prof. Horst Noack an der Medizinischen<br />

Universität Graz tätig und bin seither<br />

Lehrbeauftragter und Consultant im Gesundheitswesen.<br />

An der Arbeit im <strong>SMZ</strong> interessiert mich besonders,<br />

wie eine Zusammenarbeit der unterschiedlichen<br />

Gesundheitsberufe funktioniert, die schon<br />

einsetzt, bevor Krankheiten auftreten. Wirksame<br />

Gesundheitsförderung besteht in erster Linie<br />

darin, sich mit den <strong>Liebenau</strong>erinnen und <strong>Liebenau</strong>ern<br />

gemeinsam für gesunde Lebensbedingungen<br />

einzusetzen. Da das <strong>SMZ</strong>-Team dabei<br />

auch noch konsequent der Frage nachgeht, wie<br />

Menschen, denen es finanziell nicht so gut geht,<br />

an einer solchen Gesundheitsarbeit beteiligt<br />

werden können, verfolgt es einen sehr bedürfnisgerechten<br />

wie modernen Ansatz.<br />

Nicht zuletzt ist das <strong>SMZ</strong> heute, weil es über den<br />

Zenit seiner Impulskraft für eine Verbesserung<br />

der Gesundheitsversorgung noch nicht hinweg<br />

scheint, jener Ort, an dem ich meine Haltung<br />

weiterverfolgen kann. In besonderem Maße<br />

überzeugt und motiviert mich auch die antifaschistische<br />

Arbeit zum Gedenken an das „Lager<br />

<strong>Liebenau</strong>“.<br />

<strong>SMZ</strong> INFO DEZEMBER <strong>2015</strong><br />

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DAS <strong>SMZ</strong> STELLT SICH VOR<br />

46<br />

<strong>SMZ</strong> INFO DEZEMBER <strong>2015</strong><br />

ALENA STRAUSS DR. MICHAEL SCHLAGER<br />

Es freut mich sehr, mich hier und jetzt kurz<br />

vorstellen zu dürfen. Geboren und aufgewachsen<br />

im schönen Salzburger Land,<br />

brachte mich das Studium in die steirische<br />

Landeshauptstadt. Seit dem Jahr 2003 ist<br />

mein Lebensmittelpunkt Graz. Nach dem<br />

Abschluss des Studiums 2011 war ich als<br />

Turnusarzt unter anderen im Unfallkrankenhaus<br />

Graz, der Kinderchirurgie LKH Graz<br />

und im LKH Hartberg tätig. In dieser Zeit<br />

entschloss ich mich, die Medizin vorerst<br />

ruhen zu lassen und begann mit der Ausbildung<br />

zum Psychotherapeuten, genauer<br />

mit dem Psychotherapeutischen Propädeutikum<br />

an der Uni Graz. Diverse Praktika,<br />

wie im LSF, an der NMS Dr.Karl-Renner<br />

und dem HPZ in Graz zeigten mir genau,<br />

wo meine Zukunft liegt. Aus diesem Grund,<br />

entschied ich mich auch ganz bewusst für<br />

das <strong>SMZ</strong>-<strong>Liebenau</strong> für meinen Wiedereinstieg<br />

und freue mich auf meine Aufgaben.<br />

Privat bin ich glücklich mit meiner Frau Barbara<br />

verheiratet, die als Physiotherapeutin<br />

im LKH Graz arbeitet. In meiner Freizeit bin<br />

ich ehrenamtlich in der Rot Kreuz-Bezirksstelle<br />

Graz-Stadt tätig und versehe seit Jahren<br />

regelmäßig Dienst. Laufen, Schwimmen<br />

und Tennis sind die Sportarten, die ich gerne<br />

und mit großer Regelmäßigkeit ausübe.<br />

DR. KATARINA PUNGERCIC<br />

Hallo! Mein Name ist Alena Strauss, seit Anfang Oktober gehöre<br />

ich zum Team des <strong>SMZ</strong>s im Bereich Gesundheitsförderung<br />

und Gemeinwesenarbeit. Während meines Bachelorstudiums<br />

Gesundheits- und Pflegewissenschaften an der<br />

Medizinischen Universität Graz war ich an der ÖH für den<br />

Bereich „Studieren mit Kindern“ aktiv. Danach habe ich mit<br />

dem Masterstudium „Interdisziplinäre Geschlechterstudien“<br />

und meinem individuellen Masterstudium „Health Relation<br />

Science“, das sich mit Gesundheit jenseits von Disziplinengrenzen<br />

auseinandersetzt, begonnen. Als wissenschaftliche<br />

Mitarbeiterin war ich auch bei der Planung des Aktionsplans<br />

Alkoholprävention im Auftrag der Suchtkoordination des Landes<br />

Steiermark tätig.<br />

Meine Freizeit verbringe ich am liebsten gemeinsam mit meiner<br />

Familie auf Reisen. Die ganzheitliche Herangehensweise<br />

an Gesundheit ist für mich das Besondere am <strong>SMZ</strong>. Dieses<br />

Verständnis zeigt sich im Zusammenwirken des multiprofessionellen<br />

Teams, und ich freue mich, ein Teil davon sein zu dürfen.<br />

Ich bin Assistenzärztin für Psychiatrie und<br />

momentan in Karenz mit unserem zweiten<br />

Sohn. Außerdem arbeite ich als Psychotherapeutin<br />

für systemische Familientherapie<br />

in Ausbildung unter Supervision.<br />

In der Familienberatungsstelle des <strong>SMZ</strong><br />

stehe ich Ihnen Donnerstags zwischen 13<br />

und 17 Uhr nach Terminvereinbarung zur<br />

Verfügung. In meiner Freizeit lese ich sehr<br />

gerne und interessiere mich für Filme und<br />

Musik.<br />

Als systemische Familientherapeutin verstehe<br />

ich Menschen und ihre Probleme<br />

bezogen auf ihr Lebensumfeld und ihre<br />

zwischenmenschlichen Beziehungen. Als<br />

Psychiaterin ist die interdisziplinäre Zusammenarbeit<br />

mit anderen helfenden Berufsgruppen,<br />

wie sie im <strong>SMZ</strong> geboten wird,<br />

eine Selbstverständlichkeit. Das Spezielle<br />

und Interessante am <strong>SMZ</strong> <strong>Liebenau</strong> ist für<br />

mich die politische Arbeit, die ich in dieser<br />

Form für einzigartig halte.


GRATULATION!<br />

HERZLICH<br />

WILLKOMMEN,<br />

BEN!<br />

Vor 6 Monaten begrüßten wir ein neues <strong>SMZ</strong>-<br />

Baby. Unsere Kerstin brachte am 15.4.<strong>2015</strong> den<br />

kleinen Ben zu Welt. Mutter und Sohn haben alles<br />

gut im Griff und genießen die gemeinsame<br />

Zeit. Wir wünschen Kerstin eine schöne Karenzzeit<br />

und freuen uns auf ihren Wiedereinstieg.<br />

PRAKTIKUM –<br />

TEILZEIT –<br />

VOLLZEIT –<br />

AUFBRUCH!<br />

VON CHRISTOPHER FRÖCH<br />

Mehr als 3 Jahre ist es nun her, dass sich die<br />

Türen des <strong>SMZ</strong> für mich als Praktikanten geöffnet<br />

haben. Kurz darauf wurde ich für eine<br />

Teilzeitstelle übernommen. Später erfüllte sich<br />

mein Wunsch als fast fertiger Gesundheits-und<br />

Pflegewissenschaftsstudent: Ich wurde vollzeitbeschäftigt,<br />

in einer interessanten Gesundheitseinrichtung<br />

mit für mich persönlich wichtigen<br />

Idealen.<br />

In diesen Jahren konnte ich nicht nur viel lernen,<br />

sondern auch mitwirken und mitgestalten: Ich arbeitete<br />

beim Aufbau der Gemeinwesenarbeit im<br />

Bezirk Jakomini und bei der Gestaltung dieser<br />

am Grünanger mit. Ich war in die Planung, Entwicklung<br />

und Durchführung von Projekten und<br />

Veranstaltungen in der Gesundheitsförderung involviert.<br />

Zuletzt konnte ich an der Planung eines<br />

2-jährigen FGÖ-Projektes mitwirken. Ebenfalls<br />

Teil dieser Zeit war der Kampf gegen das Vergessen<br />

der Verbrechen des Nationalsozialismus<br />

am Grünanger.<br />

Im Laufe der Zeit konnte ich mich durch meine<br />

Aufgaben, sowohl beruflich, als auch menschlich,<br />

weiterentwickeln. Nicht nur meinen KollegeInnen<br />

und dem Verein möchte ich meinen<br />

herzlichen Dank aussprechen, sondern auch<br />

den vielen Personen, die ich als BewohnerInnen,<br />

Freundinnen und Freunde des <strong>SMZ</strong> und KooperationspartnerInnen<br />

kennenlernen durfte.<br />

Ich hoffe, auch in Zukunft den Kontakt wahren<br />

zu können, um unser gemeinsames Ziel zu erreichen:<br />

Sozialer Ungleichheit und gesellschaftlicher<br />

Ohnmacht bestimmt entgegenzutreten.<br />

<strong>SMZ</strong> INFO DEZEMBER <strong>2015</strong><br />

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(K)EIN RUHESTAND – KEIN NACHRUF!<br />

(K)EIN RUHESTAND – KEIN NACHRUF!<br />

48<br />

<strong>SMZ</strong> INFO DEZEMBER <strong>2015</strong><br />

RAINER POSSERT LEGT SEINE KRANKENKASSEN-<br />

VERTRÄGE ZURÜCK.<br />

„Der Possert is nimmer da?“ Eine häufige Frage<br />

in den letzten Wochen. „Er ist schon 65?“ Beides<br />

stimmt und stimmt auch wieder nicht:<br />

Ja, er geht als Kassenarzt in Pension, aber die<br />

lapidare Botschaft unterschätzt die vielen Rollen<br />

und Funktionen, die Rainer seit 1982 in Graz ausgefüllt<br />

hat und auch in Zukunft noch erfüllen will.<br />

Eines gleich vorweg für die vielen, die ihn weit<br />

über die <strong>Liebenau</strong>er Grenzen als unbestechlichen<br />

kritischen Grazer Arzt, Verfechter von PatientInnen-Interessen<br />

und Gegner des medizinisch-industriellen<br />

Komplexes, als Hausarzt und politischen<br />

Kopf schätzen:<br />

Er arbeitet weiter in seiner Praxis als Wahlarzt<br />

und Psychotherapeut, betreut weiter eine Reihe<br />

von SubstitutionspatientInnen, arbeitet als Berater<br />

in unserer Familienberatungsstelle und ist vor<br />

allem als Obmann des <strong>SMZ</strong> weiter bei den vielen<br />

Projekten, dem Aufbau von Stadtteilzentren<br />

in <strong>Liebenau</strong> und Jakomini und beim bürokratisch<br />

mühsamen Umstieg der alten Praxisgemeinschaft/<strong>SMZ</strong><br />

in ein zukünftiges „primäres Gesundheitszentrum“<br />

federführend.<br />

Seine umsichtige Vereinsführung als geschäftsführender<br />

Obmann kann man an den immer erfolgreichen<br />

Finanzierungverhandlungen mit Stadt,<br />

Land und Bund erkennen. Das Geschick, bei allen<br />

Parteien (von den wechselnden LandesrätInnen<br />

für Gesundheit der SPÖ und ÖVP, zu Politikern<br />

der FPÖ bis KPÖ) Zustimmung zu unseren Projekten<br />

zu bekommen, gilt schon lange auch bei<br />

vielen Mitbewerbern als strategische Meisterleistung.<br />

Eine kritische und weitsichtige Personalauswahl,<br />

eine verantwortungsvolle Personalführung<br />

und die zukunftsträchtige Installierung des neuen<br />

Geschäftsführers Christoph Pammer sorgt für<br />

konstant hohe Qualität unserer Arbeit.<br />

Quer zu denken, die als üblich geltenden Regeln<br />

und Grenzen des ärztlichen Berufs lustvoll<br />

zu überschreiten, die soziale und politische Verantwortung<br />

von ÄrztInnen (im Kampf für soziale<br />

Gerechtigkeit und Gesundheit und für das „Empowerment“<br />

von besonders benachteiligten BürgerInnen)<br />

durch praktisches Handeln sichtbar zu<br />

machen, ist bis heute seine Devise:<br />

■■<br />

Flugblatt-Verteilen vor den Fabrikstoren des<br />

■■<br />

■■<br />

Puchwerks um 6Uhr morgens<br />

Gründung der Bürgerinitiative zur Rettung<br />

des Puch-2-Rad-Werkes und Organisieren<br />

einer Arbeiterdemonstration vor dem damaligen<br />

Fabrikseigner CA-Bank („gegen die<br />

Nadelstreif-Sanierer“ wie eine Tageszeitung<br />

schrieb) als Konsequenz aus dem ärztlichen<br />

Umgang in der Praxis mit Ängsten und<br />

Krankheiten der von Arbeitslosigkeit bedrohten<br />

ArbeiterInnen<br />

zahlreiche Veranstaltungen zu gesundheitsund<br />

umweltpolitischen Themen (oft war das<br />

■■<br />

■■<br />

■■<br />

<strong>SMZ</strong> der einzige Veranstalter dazu in Graz),<br />

internationale Kontakte nach Slowenien (kooperative<br />

Gesundheitsmodelle nach Prof.<br />

Andrija Stampar, dem 1. Präsidenten der<br />

WHO 1948), in die Schweiz (zur „Sozialen<br />

Medizin“) und nach Deutschland (zum Verein<br />

demokratischer ÄrztInnen VDÄÄ)<br />

Moderation und Förderung des öffentlichen<br />

Auftretens von BürgerInnen-Interessen (von<br />

den zahlreichen <strong>Liebenau</strong>er Bürgerinitiativen<br />

bis zu „Rettet die Mur“) als Konsequenz<br />

der Arbeit unserer Gesundheitsplattform<br />

und nicht zuletzt der unermüdliche Kampf<br />

gegen die Verdrängung eines der letzten<br />

Endphase-Nazi-Verbrechens gegen meist<br />

jüdische MitbürgerInnen in Graz im so genannten<br />

„Lager <strong>Liebenau</strong>,“ sowie der Aufbau<br />

einer würdigen Gedenkkultur – gegen<br />

vielseitigen Widerstand – sind nur wenige<br />

Beispiele dieser Haltung.<br />

Als praktischer Arzt waren und sind ihm wichtig:<br />

die konsequente Parteinahme für die einzelnen<br />

PatientInnen, deren Schutz vor unkritischer Medikation<br />

(und den überbordenden Interessen einer<br />

profitorientierten Pharmaindustrie), klare wissenschaftliche<br />

Diagnosen und Therapien ohne Rücksichtnahme<br />

auf Eminenzen und ökonomische<br />

Interessensgruppen, eine uneingeschränkte gesprächsmedizinische<br />

Orientierung und die Kooperation<br />

mit anderen Berufsgruppen.<br />

Ein vollständiger Rückblick auf 33 Jahre Arbeit für<br />

<strong>Liebenau</strong> und Graz ist natürlich unmöglich.<br />

Ein Blick in die Visitenkarte des <strong>SMZ</strong>, unsere <strong>Info</strong>-Zeitung,<br />

die von beeindruckenden Fotos geprägt<br />

ist, zeigt Rainers weitere Interessen: er wird<br />

sich künftig doch auch mehr um seine Arbeit als<br />

Photokünstler und um sein Atelier in der Mondscheingasse<br />

kümmern. Es könnte auch sein,<br />

dass Sie ihn öfter an der kroatischen Küste Istriens<br />

antreffen. Vielleicht sprechen Sie ihn dann auf<br />

seine Ambitionen mit Cello und Akkordeon an.<br />

Persönliches zum Schluss:<br />

Als alter Mitstreiter von Anfang an, kann ich nur<br />

herzlichen Dank für die jahrzehntelange gemeinsame<br />

Arbeit sagen, ohne Dich wären wir nie so<br />

weit gekommen! Der gemeinsame Aufbau des<br />

<strong>SMZ</strong> in der heutigen Form wäre ohne Deinen Weitblick,<br />

Deine Konsequenz, das Letzte aus Deinen<br />

MitarbeiterInnen herauszuholen, Deine politische<br />

Phantasie und Deine „Sturheit“ nicht möglich. Deine<br />

oftmalige Verzweiflung, dass irgendjemand im<br />

Team schon wieder nicht die weitreichenden Konsequenzen<br />

eines Planes durchschaut hat, was für<br />

Dich längst selbstverständlich war, hast Du als eigentlich<br />

Ungeduldiger sehr geduldig ausgehalten.<br />

Also: Alles Gute für Deine Gesundheit und<br />

Deine Zukunft und auf eine gute weitere erfolgreiche<br />

Zusammenarbeit!<br />

Gustav Mittelbach


ALLGEMEIN-MEDIZINISCHE PRAXISGEMEINSCHAFT<br />

Dr. Gustav Mittelbach, Dr. Rainer Possert (alle Kassen / Wahlarzt)<br />

Hausbesuche, Gesundenuntersuchungen, ärztliche Psychotherapie und Beratung, Behandlung<br />

von Suchterkrankungen, Akupunktur, Sozial-, Arbeits- und Umweltmedizin. Terminvereinbarung<br />

unter 46 23 40.<br />

FAMILIENBERATUNG & RECHTSBERATUNG<br />

Anonyme und kostenlose Beratung durch Ärzte, PsychotherapeutInnen, SozialarbeiterInnen<br />

und JuristInnen. Donnerstag von 18.00 bis 20.00 Uhr im <strong>SMZ</strong>, Tel. Anmeldung unter 46 23 40,<br />

oder 0699 180 84 375.<br />

PSYCHOTHERAPIE<br />

Gestalt- und Familientherapie, NLP, Systemische Therapie, Einzel- und Gruppentherapie sowie<br />

Kinderpsychotherapie. Teilkostenersatz durch die Krankenkassen. Tel. Anmeldung unter 46 23 40.<br />

SOZIALE ARBEIT<br />

Beratung in sozialrechtlichen Fragen, Hilfe bei Kontakten zu Behörden, Hilfestellung bei<br />

Wohnungsproblemen, Arbeitslosigkeit, ... Telefonische Kontaktaufnahme unter 42 81 61,<br />

E-Mail: sharifgerami@smz.at.<br />

GESUNDHEITSFÖRDERUNG<br />

Sozialmedizinische und gesundheitsförderliche Veranstaltungen; Durchführung von Projekten<br />

im Bereich Gesundheitsförderung. Kooperationen im Bezirk und mit anderen Organisationen.<br />

Kontakt unter 0699 180 84 375 / e-mail: smz@smz.at.<br />

MUSIKTHERAPIE<br />

Musiktherapie ist eine kreativitäts- und ausdrucksorientierte Therapiemethode, die gezielt musikalische<br />

Mittel in einer therapeutischen Beziehung einsetzt. Ihr Ziel ist die Wiederherstellung,<br />

Erhaltung und Förderung seelischer, körperlicher und geistiger Gesundheit.<br />

Kontakt: 0664/ 947 3048<br />

SEXUALBERATUNG<br />

<strong>Info</strong>rmation, Beratung, Psychotherapie zu folgenden Bereichen: Beziehungskonflikte, Sexualprobleme,<br />

Schwierigkeiten im Zusammenhang mit Homosexualität, Verhütungsfragen, Sexualaufklärung,<br />

Schwangerschaftskonflikten usw. Tel. Anmeldung (auch anonym) unter 46 23 40.<br />

WALKEN SIE MIT UNS<br />

WALKEN an der Mur – jeden Montag von 15.30 bis 16.30 Uhr, Treffpunkt: Andersengasse 34;<br />

WALKEN IM PARK – jeden Dienstag von 15.00 bis 16.00 Uhr, Treffpunkt im Park; Stöcke zum<br />

Probieren können ausgeborgt werden! Ein Arzt und Teammitglied des <strong>SMZ</strong> begleiten Sie.<br />

<strong>Info</strong>rmationen unter 0699 180 84 375.<br />

STADTTEILZENTREN GRÜNANGER + SCHÖNAU<br />

<strong>Info</strong>rmationen: DSA Christoph Pammer, MPH, MA, E-Mail: pammer@smz.at Tel: 0699 103 41 86 9.<br />

<strong>SMZ</strong>@<strong>SMZ</strong>.AT WWW.<strong>SMZ</strong>.AT<br />

<strong>SMZ</strong> INFO DEZEMBER <strong>2015</strong><br />

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P.b.b. Zulassungsnummer: GZ <strong>02</strong>Z034445M / Verlagspostamt 8041 Graz

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