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STADTTEILARBEIT<br />
WARUM SICH GESUNDHEIT<br />
NICHT VERORDNEN LÄSST<br />
VON USCHI POSSERT<br />
MENSCHEN HABEN EIN FEINES GESPÜR DAFÜR,<br />
OB IHRE MEINUNG LEDIGLICH GEFRAGT IST<br />
ODER OB SIE AUCH WIRKLICH<br />
MITENTSCHEIDEN DÜRFEN.<br />
40<br />
<strong>SMZ</strong> INFO DEZEMBER <strong>2015</strong><br />
„Mythos Vorbeugung“ ist der Titel des neuen Buches<br />
von Matthias Becker, Medizinjournalist und<br />
Publizist in Berlin, das er persönlich im <strong>SMZ</strong> vorgestellt<br />
hat.<br />
Gesund m u s s man bleiben – mit Fettsteuern,<br />
verpflichtenden Vorsorgeuntersuchungen,<br />
Rauch- und Alkoholverboten, regelmäßigem<br />
Sport, Vorsorgeuntersuchungen, etc. sollen wir<br />
zu einem gesunden Leben angehalten werden,<br />
und vielleicht erhalten wir dafür von den Versicherungen<br />
auch finanzielle Vergünstigungen.<br />
Aber weder Früherkennungsuntersuchungen,<br />
individuelle gesunde Ernährung noch regelmäßige<br />
Bewegung ändern Gesundheitschancen in<br />
der Bevölkerung. Denn den größten Einfluss auf<br />
Krankheit und Gesundheit üben die Lebensverhältnisse<br />
und die gesellschaftliche Ungleichheit<br />
aus, beweist Becker in seinem Buch. Solange<br />
der Fokus auf Ernährungsgewohnheiten und andere<br />
Verhaltensweisen gelegt wird, jedoch ökologische<br />
und soziale Verhältnisse weitgehend<br />
außer Acht bleiben, bleibt auch die Krankheitsvorbeugung<br />
ein Mythos.<br />
„Es ist an der Zeit, die Verhältnisse wieder<br />
gesund zu machen,“<br />
so Matthias Becker in seinem Kurzvortrag. Die<br />
Diskussion mit dem Publikum verläuft sehr angeregt:<br />
■ ■ „Inwiefern lässt sich die Zahl der gesunden<br />
Jahre eines Menschenlebens vergrößern?“<br />
fragt ein Diskussionsteilnehmer.<br />
Becker: Indem unser Gesundheitsbewusstsein<br />
gestärkt wird und wir überhaupt verstehen, was<br />
„gesund“ bedeutet. Wichtig ist, möglichst selbstbestimmt<br />
leben zu können, also Einfluss darauf<br />
zu haben, was und wie wir arbeiten. Machtlosigkeit<br />
– also die Dinge nicht ändern zu können –<br />
macht genauso krank wie Stress, Rauchen oder<br />
ungesunde Ernährung.<br />
■ ■<br />
„Rollt nicht die Präventionsmaschine viel<br />
zu oft über uns drüber?“ fragt ein anderer.<br />
„Werden dabei nicht Gesunde krank gemacht?“<br />
Becker: Ich sehe zwei Antriebe der Prävention:<br />
Erstens das Kapitalinteresse, z.B. bei den Pharmafirmen,<br />
aber auch bei vielen Gesundheitsbetrieben<br />
und zweitens ein bevölkerungspolitisches<br />
Interesse – darunter verstehe ich z. B.<br />
Behandlungskosten vermeiden, in dem wir uns<br />
gesund ernähren, uns mehr bewegen, abnehmen,<br />
etc. Wenn Sie mich fragen, würde ich nicht<br />
so viel Geld in Aufklärungskampagnen stecken.<br />
Wir wissen ja alle, dass Rauchen schädlich ist,<br />
Zucker und zuviel Fett ungesund sind. Und?<br />
Was hilft´s?<br />
Geld gehört dort investiert, wo Krankheiten entstehen!<br />
Gerade Leute aus armen Verhältnissen<br />
brauchen das Geld: Diese Menschen rauchen<br />
mehr und ernähren sich schlecht, schlafen weniger,<br />
weil sie in prekären Jobs oft gar nicht anders<br />
können. Sagen Sie einer übergewichtigen<br />
Person, die Nachtdienste machen und tagsüber<br />
ihre Kinder versorgen muss, sie soll mehr joggen<br />
gehen,...