Melange No26
Melange No26 - das Magazin im Süden Bayerns
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PILGERREISE DURCH NORWEGEN<br />
„Man ist nur ein winziger Pilger<br />
im Nirgendwo und gewinnt<br />
eine neue Vorstellung von sich<br />
in dem ganzen Geschehen.<br />
Während Carola von ihrer Reise erzählt, spürt man, wie sehr sie von<br />
den Erlebnissen und Eindrücken berührt wurde. „Mein Weg führte<br />
mich fünf Tage durch die Berge im Dovrefjell. Man ist nur ein winziger Pilger<br />
im Nirgendwo und erhält eine andere Vorstellung von sich in dem ganzen Geschehen.<br />
Man nimmt nur sich, seinen Atem und den Wind wahr. Ich musste durch<br />
Weizen- und Brennnesselfelder. Wenn mich so ein Brennnesselwald wieder ausgespuckt<br />
hat, war ich ganz demütig. Außerdem säumten Himbeeren meinen Weg<br />
– ich habe noch nie so viele gute Himbeeren gegessen wie in diesen vier Wochen.<br />
An der Landschaft konnte ich mich nicht satt sehen, die Bilder und Stimmungen<br />
bleiben im Kopf. Ebenso das große Vertrauen in die Menschen und das Leben an<br />
sich. Die Leute waren unglaublich hilfsbereit und aufmerksam, sie haben sofort<br />
bemerkt, wenn jemand, der mit Rucksack unterwegs ist, sich nicht auskennt. Sie<br />
sind mir hinterhergelaufen, weil sie merkten, ich komme vom Weg ab. Einmal<br />
habe ich meine Sandalen verloren. Sie wurden mir einige hundert Meter nachgetragen.<br />
Auch in manchen Herbergen wurde ich liebevoll empfangen und nicht als<br />
‚klassischer Tourist‘ behandelt. Ich bekam frische Waffeln und Kaffee und mir<br />
wurden besondere Plätze im Ort gezeigt. Ich lernte sogar einen Mann kennen,<br />
der vor 30 Jahren bei der Nato in Oberammergau war und in Murnau den Zug<br />
gewechselt hat. Die Welt ist klein“, lächelt Carola.<br />
Im eigenen Rhythmus<br />
Ihr Tagesrhythmus folgt einem festen Ablauf. „Ich bin im Schnitt 20<br />
Kilometer pro Tag gelaufen und gegen 17 Uhr an den Herbergen angekommen.<br />
Dort habe ich Tagebuch geschrieben, meine Füße gepflegt, gegessen und bin früh<br />
ins Bett. Meine Füße hatten anfangs Blasen. Ich habe sie auch nachts gespürt<br />
und konnte morgens erst gut laufen, wenn ich Schuhe anhatte. Nach drei Wochen<br />
hatte ich den Wunsch, endlich anzukommen – aber ich wollte nie direkt nach<br />
Hause. Es hat gutgetan, für mich zu gehen und sich nach niemandem richten<br />
zu müssen.“ Nach vier Wochen ist Carola am Ziel in Trondheim. „Ich<br />
wurde von einem jungen Mönch am Dom begrüßt und habe den Olavsbrief erhalten.<br />
Der Dom war unbeschreiblich beeindruckend, riesig und sehr alt. Ich<br />
habe die feierliche Atmosphäre gespürt und war voller Ehrfurcht und unglaublich<br />
stolz“, strahlt die Pilgerin.<br />
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