vsao Journal Nr. 3 - Juni 2023
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<strong>vsao</strong><br />
<strong>vsao</strong>-Rechtsberatung<br />
Arbeitsrechtliche Folgen<br />
der Weiterbildung<br />
Bild: zvg<br />
Das Verhältnis zwischen<br />
Assistenzarzt und Arbeitgeber<br />
weist arbeitsrechtliche<br />
Besonderheiten auf,<br />
da das Vertragsverhältnis angestellte<br />
Ärzte betrifft, die eine Weiterbildung<br />
zur Erlangung eines Facharzttitels<br />
FMH absolvieren.<br />
Der Tätigkeitsbereich des Assistenzarztes<br />
ist zweigeteilt. Der Arbeitsvertrag muss<br />
dem Arzt ermöglichen, seine Pflichten als<br />
Angestellter zu erfüllen und gleichzeitig<br />
die Lernziele im Rahmen seiner Weiterbildung<br />
zu erreichen, was aber mit<br />
einigen Schwierigkeiten verbunden sein<br />
kann. So muss der Arbeitsvertrag zwei<br />
Bereiche abdecken. Ein erster Teil regelt<br />
die Arbeitsleistung, ein zweiter die Fragen<br />
der Weiterbildung. Diese können auch<br />
in einem Zusatz zum Vertrag geregelt<br />
werden. Der Vertrag muss schriftlich<br />
abgeschlossen werden und bestimmte<br />
Einzelheiten beinhalten (Art. 41 Abs. 3<br />
der Weiterbildungsordnung, WBO).<br />
Es gibt entsprechende Dokumentvorlagen<br />
auf der Website des SIWF.<br />
Die Weiterbildungsaktivität ist ein<br />
Recht des Arztes, das er bei seinem<br />
Arbeitgeber einfordern kann.<br />
Art. 41 WBO verlangt, dass jede Weiterbildungsstätte<br />
ein Weiterbildungskonzept<br />
erarbeiten muss. Dieses Weiterbildungskonzept<br />
bestätigt, dass die<br />
Weiterbildungsstätte eine strukturierte<br />
Weiterbildung von mindestens vier<br />
Stunden pro Woche anbietet (oder<br />
ermöglicht). Im April 2022 hat das SIWF<br />
das Merkblatt «Was ist unter strukturierter<br />
Weiterbildung zu verstehen?»<br />
herausgegeben. Darin wird anhand von<br />
Beispielen beschrieben, was darunter<br />
zu verstehen ist. Gleichzeitig erinnert es<br />
an den Anspruch aller Ärzte auf vier<br />
Stunden strukturierte Weiterbildung<br />
pro Woche.<br />
Welches sind die arbeitsrechtlichen<br />
Folgen?<br />
Die zweigeteilte Tätigkeit des Assistenzarztes<br />
wirkt sich konkret auf den Inhalt<br />
des Pflichtenhefts aus, das auch das<br />
Weiterbildungsprogramm beinhalten<br />
muss.<br />
Die Anforderungen des SIWF bezüglich<br />
Weiterbildung sind mit bestimmten<br />
Rechten verbunden, die der angestellte<br />
Arzt geniesst: 1<br />
– das Recht, über die nötige Zeit zu<br />
verfügen, um sich seiner Weiterbildung<br />
zu widmen,<br />
– das Recht auf eine theoretische und<br />
praktische Weiterbildung, die den<br />
Anforderungen der FMH entspricht,<br />
– das Recht, seine Weiterbildung innerhalb<br />
einer angemessenen Frist abzuschliessen,<br />
– das Recht auf regelmässige und<br />
strukturierte Beurteilungsgespräche,<br />
– das Recht, vom Weiterbildner ein<br />
persönliches Engagement zu verlangen.<br />
Dazu muss die für die Weiterbildung<br />
aufgewendete Zeit bei der Erstellung des<br />
Dienstplans berücksichtigt werden und<br />
als Arbeitszeit gelten, wobei der Arbeitgeber<br />
nicht den Ausgleich ausfallender<br />
Arbeitszeit verlangen darf. Die Höchstarbeitszeit<br />
muss eingehalten werden.<br />
Gleichzeitig muss eine solide und<br />
qualitativ hochwertige Weiterbildung<br />
gewährleistet sein. Diese Ziele sind<br />
manchmal schwer zu vereinbaren.<br />
Um anerkannt zu werden, müssen<br />
die Weiterbildungsperioden bestimmte<br />
Kriterien hinsichtlich Dauer erfüllen.<br />
Diese berücksichtigen die arbeitsrechtlichen<br />
Vorschriften, insbesondere den<br />
gesetzlichen Ferienanspruch oder die<br />
Abwesenheiten infolge Krankheit, Unfall,<br />
Mutterschaft, Wehr- und Zivildienst<br />
(Art. 31 WBO). Zeiten unverschuldeter<br />
Abwesenheit im Sinne des Arbeitsrechts<br />
können an die Weiterbildungszeit<br />
angerechnet werden, in der Regel bis zu<br />
acht Wochen pro Jahr. Auch die Abwesenheiten<br />
wegen Schwangerschaft oder<br />
Mutterschaft können unter bestimmten<br />
Bedingungen für sechs Monate angerechnet<br />
werden, auch ausserhalb einer<br />
Weiterbildungsperiode. (vgl. Interpretation<br />
von Art. 31 WBO «Absenzen und<br />
Beurlaubungen», insbesondere in Bezug<br />
auf eine Schwangerschaft/Mutterschaft).<br />
Die Weiterbildung von Assistenzärzten<br />
bringt also sowohl für die Ärzte als<br />
auch für ihre Arbeitgeber arbeitsrechtliche<br />
Rechte und Pflichten mit sich. Wenn<br />
Sie bei deren Umsetzung mit Schwierigkeiten<br />
konfrontiert sind, können Sie sich<br />
an den <strong>vsao</strong> wenden, der Ihnen gerne<br />
weiterhilft.<br />
1<br />
Vgl. Mercedes NOVIER, Le droit du travail<br />
du médecin-assistant et du chef de clinique,<br />
Aperçu du droit fédéral et de la situation<br />
en Suisse romande, Schulthess 2016, S. 163 ff.<br />
Véronique Aeby,<br />
Rechtsanwältin, Sektion<br />
Freiburg<br />
<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 3/23 27