O+P Fluidtechnik 7-8/2023
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WERKSTOFFE<br />
Medizinprodukte<br />
Lebenmittelkontakt-Materialien<br />
Textilien (TULAC)<br />
Transport<br />
Anwendung<br />
fluorierter<br />
Gase<br />
Jährliche Verwendungsmengen an PFAS im Jahr 2020: ca. 840.000 t<br />
der Substanzen ist die Verwendung also problematisch. Übergeordnetes<br />
Ziel der EU-Chemikalienverordnung ist es, Emissionen<br />
zu reduzieren. Ansetzend am Beginn des Lebenszyklus soll der<br />
Einsatz von PFAS in industriellen, gewerblichen und Verbraucheranwendungen<br />
reduziert werden. PFAS sind dabei bereits<br />
Bestandteil der europäischen Chemikalienstrategie, die eine<br />
schrittweise Einstellung der Verwendung von PFAS in der EU<br />
vorsieht. Dies umfasst Beschränkungen für die Herstellung, das<br />
Inverkehrbringen und die Verwendung.<br />
Welche PFAS sind aktuell bereits beschränkt?<br />
Dr. Stephan Le Blanc: Stand Mai <strong>2023</strong> gelten Beschränkungen für<br />
PFOS und PFOA (gemäß POP-Verordnung bzw. (EU) 2019/1021<br />
über persistente organische Schadstoffe) und C9 – C14 PFCAs<br />
(gemäß REACH-Verordnung, Anhang XVII, Eintrag 68). Für PFHxS<br />
und PFHxA laufen Beschränkungsverfahren über REACH ((EG)<br />
Nr. 1907/2006).<br />
Wo kommt PFAS in der Dichtungstechnik zum Einsatz?<br />
Michael Krüger: Hier können wir nur für Elastomerdichtungen<br />
sprechen. In nachstehenden ASTM-Werkstoffgruppen kommen<br />
PFAS Verbindungen vor: u.a. FKM, FFKM, FEPM, FVMQ, FEP,<br />
PFA, PTFE. Diese Dichtungswerkstoffe werden in fast allen<br />
Branchen eingesetzt, u. a. Lebensmittel- und Pharmaproduktion,<br />
in der Chemie-, Elektro- oder Halbleiterindustrie, aber<br />
auch in der Wasserstofftechnik.<br />
Welche physikalisch-chemischen Eigenschaften machen PFAS für<br />
industrielle Anwendungen interessant?<br />
Michael Krüger: Aufgrund ihrer wasser-, schmutz- und ölabweisenden<br />
Eigenschaften werden PFAS in zahlreichen Industrie- und<br />
Konsumprodukten eingesetzt. Sie verfügen über eine hohe Stabilität,<br />
insbesondere unter extremen Bedingungen wie Temperatur,<br />
Druck und aggressiven Medien. PFAS sind außerdem sehr gute<br />
elektrische und thermische Isolatoren. Auch als Kühl- und Kältemittel<br />
sind sie im Einsatz, etwa in Wärmepumpen oder Klimaanlagen.<br />
Sie sind auch gute Schmiermittel. Die oberflächenaktiven<br />
Eigenschaften werden auch für Tenside genutzt: Anders als normale<br />
Tenside, weisen Tenside mit perfluorierten Kohlenstoffketten<br />
neben Öl und Fette auch andere unpolare Verbindungen ab.<br />
Wo kommen PFAS vor?<br />
Dr. Stephan Le Blanc: Insbesondere durch die wasser-, fett- und<br />
schmutzabweisenden Eigenschaften wie auch die chemische<br />
und thermische Stabilität kommt PFAS in vielfältigen Produkten<br />
und Anwendungen zum Einsatz, von Dichtungen für industrielle<br />
Prozesse über Textilien und Kochgeschirr bis hin zum Ski-Wachs.<br />
Fluorierte Gase werden als Kältemittel oder Isolier- und Prozessgase<br />
verwendet.<br />
Ist PFAS in Dichtungen ersetzbar?<br />
Michael Krüger: Nein, nach aktuellem Stand nicht bzw. nicht<br />
ohne deutlich schlechtere Werkstoffeigenschaften. In der Halbleiterindustrie<br />
bei der Wafer-Herstellung oder auch bei vielen<br />
Anwendungen in der Chemischen Industrie gibt es derzeit keine<br />
vergleichbaren Alternativen.<br />
Was wird sein, wenn es dennoch verboten wird?<br />
Michael Krüger: Hier kommt es auch auf die jeweilige Anwendung<br />
an. Ist diese mit Alternativwerkstoffen überhaupt abzudichten?<br />
Falls ja, dann nur mit kürzeren Laufzeiten? So oder so<br />
wird es einige Artikel nicht mehr am Markt geben und die Produkte,<br />
die im Produktionsprozess von PFAS betroffen sind und<br />
dann ausgetauscht werden müssen, werden mit Sicherheit deutlich<br />
teurer, da sich die Produktionskosten erhöhen werden.<br />
Was können betroffene Unternehmen tun?<br />
Michael Krüger: Unternehmen können bis zum 22.09.<strong>2023</strong> bei<br />
der Europäischen Chemikalienagentur ECHA einen Einspruch<br />
einlegen. Darüber hinaus können Unternehmen natürlich<br />
öffentlich Stellung beziehen und auf die Gefahren eines undifferenzierten<br />
Komplettverbots von PFAS hinweisen, um die Öffentlichkeit<br />
und andere Interessenspartner auf die Brisanz aufmerksam<br />
zu machen. So können auch diese motiviert werden,<br />
in dieser wichtigen Angelegenheit von übergeordnetem öffentlichem<br />
Interesse aktiv zu werden.<br />
Vielen Dank für das Gespräch und Ihre Einschätzungen.<br />
Bilder: COG / Umweltbundesamt<br />
www.cog.de<br />
Bei vielen Elastomerdichtungen gibt es<br />
derzeit keine gleichwertigen Alternativen zu<br />
PFAS. Von einem Verbot wären viele Anwendungen<br />
in der Chemischen Industrie und<br />
anderen Branchen betroffen.<br />
Dr. Stephan Le Blanc, Leiter Forschung & Entwicklung,<br />
C. Otto Gehrckens GmbH & Co. KG, Pinneberg<br />
www.oup-fluidtechnik.de <strong>O+P</strong> <strong>Fluidtechnik</strong> <strong>2023</strong>/07-08 27