Flensburg Journal Ausgabe 256 - Januar 2024
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der Bund noch das Land geben vor, wo es<br />
Halte und Verbindungen gibt. Die Bahnunternehmen<br />
entscheiden erst einmal<br />
selbst, welche Verbindungen sie anbieten<br />
und wo sie halten. Das ist so seit der<br />
Bahnreform 1994, und es ist wichtig zu<br />
wissen, um zu verstehen, warum <strong>Flensburg</strong><br />
immer mehr abgehängt wird. Entscheidend<br />
ist für die Betreiber, welche<br />
Fahrgastzahlen zu erwarten sind. Nicht<br />
nur bei einzelnen Halten, sondern mit<br />
Blick auf ganze Verbindungen. Und so<br />
kommt es, dass Bahnunternehmen abwägen:<br />
Den Ertrag eines Haltes durch<br />
Einnahmen auf der einen Seite mit den<br />
Kosten für den zusätzlichen Weg (ja, es<br />
gibt eine Schienenmaut für Bahnunternehmen)<br />
und der längeren Fahrzeit auf<br />
der anderen Seite.<br />
Gerade zwischen großen Städten wie<br />
Hamburg und Kopenhagen oder Aarhus<br />
ist das Interesse der vielen Passagiere<br />
an einer schnellen Verbindung<br />
nicht selten ganz erheblich für die<br />
Bahnunternehmen. Ganz besonders<br />
kritisch wird es, wenn die großen Knotenpunkte<br />
so überlastet sind, dass<br />
Züge zu einem bestimmten Zeitpunkt<br />
am geplanten Ziel sein müssen. Dann<br />
geht es womöglich darum, dass der Zug<br />
möglichst schnell vorankommen muss.<br />
In so einem Fall kommt eine Abkürzung<br />
der Fahrstrecke sehr gelegen!<br />
<strong>Flensburg</strong> ist dabei keineswegs ein<br />
Einzelfall. Ein weiteres Beispiel: Die<br />
schnellsten ICE-Züge etwa von München<br />
nach Berlin, die sogenannten<br />
Sprinter, umgehen auf ihrer Route die<br />
Großstadt Leipzig.<br />
Viele in <strong>Flensburg</strong> wissen mittlerweile,<br />
dass die Schleife über den Hauptbahnhof<br />
etwa 7 Minuten zusätzliche Fahrzeit<br />
bedeutet. Das klingt nicht gerade<br />
nach viel. Nur täuscht das: Zwischen<br />
Ulm und Augsburg plant die Deutsche<br />
Bahn derzeit für über 2 Milliarden eine<br />
Neubaustrecke zu errichten. Das Ziel<br />
ebendort wird sein, die Fahrzeit um ca.<br />
11 Minuten zu reduzieren. Deshalb ist<br />
die <strong>Flensburg</strong>er Abkürzung so attraktiv.<br />
Fazit: Der Halt am <strong>Flensburg</strong>er Hauptbahnhof<br />
wird durch die Möglichkeit<br />
der Umfahrung aus Sicht der Bahnunternehmen<br />
betriebswirtschaftlich<br />
unattraktiv. Also entfällt er. An diesem<br />
Punkt kommt der Halt am alten Bahnhof<br />
in Weiche ins Spiel. Der Bahnhof<br />
liegt günstiger für den internationalen<br />
Verkehr, weil damit ein Halt in <strong>Flensburg</strong><br />
ohne Umweg möglich wird.“<br />
Eine Lösung muss her –<br />
Weiche wäre eine!<br />
„Natürlich bin ich auch offen für alternative<br />
Lösungen zum Halt in Weiche“,<br />
ist Stefan Seidler für gute und machbare<br />
Alternativ-Vorschläge aufgeschlossen.<br />
„Es gibt derzeit aber keine, die ich<br />
kenne. Deshalb bin ich seit Langem ein<br />
Befürworter von Weiche. Außerdem ist<br />
es keinesfalls so, dass es für Weiche<br />
keine Argumente gibt. Eine Studie der<br />
Stadt und unserer dänischen Nachbarn<br />
hat gezeigt, warum Weiche als Standort<br />
Vorteile gegenüber anderen Halten<br />
etwa in Tarp oder Padborg hat. Da<br />
geht es einerseits darum, wie gut der<br />
Bahnhof aus dem <strong>Flensburg</strong>er Umland<br />
erreichbar ist, aber es geht auch darum,<br />
wie viele Menschen in der Nähe<br />
des Bahnhofs leben. Je mehr das sind,<br />
umso attraktiver ist der Bahnhof, weil<br />
das Fahrgastpotential steigt. Da fällt<br />
<strong>Flensburg</strong> mit seinen knapp 100.000<br />
Einwohnern fraglos ins Gewicht. Das<br />
Gegenteil gilt aber auch. Wenn sie lange<br />
zum Bahnhof brauchen oder gar umsteigen<br />
müssen, dann ist das schlecht.<br />
Niemand mag es kompliziert.<br />
Als Faustregel kann man sagen: Je mehr<br />
Menschen länger für den Weg zum Bahnhof<br />
brauchen, umso unattraktiver ist er.<br />
Der Standort in Weiche ist da schon ein<br />
Kompromiss. Er liegt zwar direkt an der<br />
Strecke, ist noch in <strong>Flensburg</strong>, aber auch<br />
nicht gerade zentrumsnah. Ideal ist das<br />
nicht. Allerdings sieht die Sache bei anderen<br />
Halten eben noch schlechter aus.<br />
Deshalb schneidet Weiche eben doch<br />
gut ab: Der Bahnhof braucht keinen<br />
Umweg und zusätzliche Fahrzeit, er ist<br />
gut aus dem Umland – auch aus Dänemark<br />
– erreichbar und er ist immer noch<br />
verhältnismäßig nah am Stadtzentrum.<br />
Fraglos gilt es, die Anbindung Weiches<br />
noch deutlich zu verbessern. Besonders<br />
umweltfreundliche Verkehrsmittel müssen<br />
dabei selbstverständlich Priorität<br />
haben.“<br />
Fazit<br />
„Einige Kritiker monieren, dass die<br />
Investitionskosten in Weiche zu hoch<br />
wären für den Nutzen und dass es erst<br />
den großen Wurf bräuchte, um das<br />
Konzept tragfähig zu bekommen. Aus<br />
meiner Sicht liegt hier die Weitsicht<br />
des Beschlusses, der auf Initiative des<br />
SSW in der <strong>Flensburg</strong>er Ratsversammlung<br />
zustande gekommen ist und mittlerweile<br />
von einer breiten politischen<br />
Mehrheit getragen wird. Der Beschluss<br />
fokussiert auf das Wesentliche: Im<br />
Rahmen der aktuellen Möglichkeiten<br />
soll zeitnah ein Halt für internationale<br />
Fernzüge in <strong>Flensburg</strong>-Weiche realisiert<br />
werden. Dafür braucht es erst einmal<br />
nichts weiter als einen „schnöden<br />
Bahnsteig“ am Gleis nach Dänemark.<br />
Die Kosten dafür sind durchaus überschaubar.<br />
Also: Packen wir es an!“<br />
Das <strong>Flensburg</strong> <strong>Journal</strong> bedankt sich bei<br />
Stefan Seidler für ein aufschlussreiches<br />
Gespräch!<br />
Mit dem Parlamentarier<br />
unterhielt sich Peter Feuerschütz<br />
Fotos: Martin Ziemer<br />
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FLENSBURG JOURNAL • 01/<strong>2024</strong><br />
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