Financial Repression - Smart Investor
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Märkte TITELSTORY<br />
„Entweder eine sozialistische Gesell schaft<br />
oder eine wirklich marktwirtschaftliche“<br />
<strong>Smart</strong> <strong>Investor</strong> im Gespräch mit Philipp Vorndran, dem angesehenen Kapitalmarkt -<br />
strate gen der Vermögensverwaltung Flossbach von Storch, über die heraufziehende<br />
„<strong>Financial</strong> <strong>Repression</strong>“<br />
<strong>Smart</strong> <strong>Investor</strong>: Herr Vorndran, gibt es beim aktuellen Stand<br />
der Schuldenkrise überhaupt noch eine ernsthafte Lösung?<br />
Vorndran: Prinzipiell gibt es sogar einen ganzen Schwung an Lösungen<br />
– zumindest theoretisch. Die Staaten könnten alle einen<br />
Schuldenschnitt durchführen, so wie das Griechenland gemacht<br />
hat und sicher nochmal machen muss. Aber dieser Schritt bleibt<br />
auf kleine Volkswirtschaften begrenzt. Länder mit einer eigenen<br />
Währung und einer eigenen Notenbank können ihre Schulden jederzeit<br />
zurückzahlen, die Frage ist nur, was diese Zahlungen in<br />
Kaufkraft ausgedrückt noch wert sind. Zweite Alternative ist das<br />
Sparen. Dafür ist es jedoch 15 Jahre zu spät. Sparen in dem Maße,<br />
wie es nötig wäre, um auch nur die Schuldenquoten (nicht die absoluten<br />
Schulden!) zu senken, würde zu sozialen Unruhen führen.<br />
Auch ein plötzliches, explosives Realwachstum ist nicht sonderlich<br />
wahrscheinlich. Daher bleiben nur das Gelddrucken und der<br />
Versuch, über negative Realzinsen die Vermögenswerte der Privatleute,<br />
speziell des Mittelstands, auf den Staat zu verschieben,<br />
denn Geld ist ja genügend vorhanden,<br />
es liegt nur bei den Falschen.<br />
<strong>Smart</strong> <strong>Investor</strong>: Wie beurteilen Sie<br />
die aktuellen Maßnahmen, etwa<br />
den „Europäischen Stabilitätsmechanismus“<br />
ESM?<br />
Vorndran: Das sind definitiv keine<br />
finalen Lösungen, sondern Versuche,<br />
Zeit zu gewinnen und ein bisschen<br />
Stabilität in das System zu bekommen.<br />
Um die Absurdität aufzuzeigen,<br />
braucht man sich nur die Zusammensetzung<br />
der Zahler in diesen<br />
Rettungsschirmen anzusehen:<br />
Wenn jetzt auch noch Spanien und<br />
Italien ausfallen, bleiben als relevante<br />
Volkswirtschaften nur noch Frank-<br />
reich und Deutschland übrig. Die ökonomische Fähigkeit Frankreichs,<br />
zusammen mit Deutschland „den Karren aus dem Dreck zu<br />
ziehen“, wird leichtfertig überschätzt. Ich teile die Meinung vieler<br />
meiner Gesprächspartner, dass Frankreich heute ökonomisch<br />
dort steht, wo Griechenland vor zehn Jahren stand. Am Ende wird<br />
man das Unausweichliche vollziehen, den Austritt Griechenlands.<br />
<strong>Smart</strong> <strong>Investor</strong>: Welche Austrittskandidaten sehen Sie noch?<br />
Vorndran: Wir haben uns da relativ klar geoutet: Im Euro ist eine<br />
Seilschaft notwendig, die nicht nur klettertechnisch kompetent<br />
ist, sondern auch in die gleiche Richtung geht. Das sehen wir<br />
<strong>Smart</strong> <strong>Investor</strong> 7/2012<br />
„Die Schuldenlawine: Eine Gefahr<br />
für unsere Demokratie, unseren<br />
Wohlstand und Ihr Vermögen“, Bert<br />
Flossbach/Philipp Vorndran, Finanz -<br />
Buch Verlag, 208 S., 19,99 EUR<br />
Philipp Vorndran (50 Jahre, verheiratet,<br />
zwei Kinder) startete seine Karriere als<br />
wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl<br />
von Prof. Dr. Ekkehard Wenger in<br />
Würzburg. Nach leitenden Positionen<br />
bei der Bank Julius Bär und innerhalb<br />
der Credit Suisse Gruppe kam er im Jahr<br />
2009 als Kapitalmarktstratege zur Vermögensverwaltung<br />
Flossbach von Storch.<br />
Der gefragte Kapitalmarktexperte machte<br />
jüngst auch als Buchautor Furore.<br />
nicht bei allen heutigen Eurozonen-Volkswirtschaften.<br />
Erste Austrittskandidaten sind Griechenland<br />
und Portugal. Zypern ist ein Derivat von Griechenland. Zusätzlich<br />
machen wir uns durchaus Sorgen um Italien und Spanien.<br />
Die Entscheidung der dortigen Bevölkerung ist klar: Will ich<br />
im Euro bleiben und eine innere Deflation meiner Lohnkosten akzeptieren,<br />
verbunden mit einer sehr langen ökonomischen Durst -<br />
strecke, oder trete ich aus und verbessere meine Wettbewerbs -<br />
situation nach dem alten Muster über die Abwertung?<br />
<strong>Smart</strong> <strong>Investor</strong>: Sie sprechen in Ihrem Buch „Die Schuldenlawine“<br />
von der „<strong>Financial</strong> <strong>Repression</strong>“. Was erwarten Sie da konkret?<br />
Vorndran: Unter der Finanziellen <strong>Repression</strong> versteht man die Verlagerung<br />
der Vermögenswerte der Bürger zum Staat mit dem Ziel,<br />
die Schuldenquote wieder auf ein akzeptables Niveau herunterzuführen.<br />
Dies trifft natürlich primär die Leistungsträger unserer Gesellschaft,<br />
den klassischen Mittelstand. Der wichtigste Faktor dafür<br />
sind negative Realzinsen – also Zinsen, die über die gesamte Zinskurve<br />
unter der Geldentwertung liegen. Das hilft bei der Entschuldung.<br />
Dazu kommen neue Steuern und Kapitalverkehrskontrollen,<br />
um die Sparer im Land zu halten. Ein weiterer Punkt ist die Reglementierung<br />
bestimmter Anlageklassen, wie der Privatbesitz von<br />
Gold. Zusätzlich muss man der Bevölkerung vorgaukeln, dass Inflation<br />
kein längerfristiges Problem sei. Das alles bringt aber nichts,<br />
wenn es an <strong>Investor</strong>en fehlt, die – selbst zu horrenden Kursen – weiter<br />
Staatsanleihen kaufen. Also tut dies entweder die Notenbank<br />
oder die „armen“ institutionellen Inves toren werden über Regulierungen<br />
in diese Anlagen hineingezwungen – eine sehr unerfreuliche<br />
Entwicklung für die Alterssicherungssysteme unserer Bevölkerung.<br />
<strong>Smart</strong> <strong>Investor</strong>: Kann man sagen, der Staat wird vom „Beschützer“<br />
des Vermögens seiner Bürger zu deren Feind?<br />
Vorndran: Stopp! Den Bürger gibt es nicht. Jemand, der in unserer<br />
„Versicherungswelt“ aufgewachsen ist und von den Sozialsys -