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Hemmenhofener Skripte - Janus Verlag

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Rohmaterial<br />

Die Rohmaterialuntersuchung nahm 1988 freundlicherweise<br />

K. Burgath 19 vor, damals an der Bundesforschungsanstalt<br />

für Rohstoffe in Hannover tätig. Dabei wurden die Beilklingenfunde<br />

der Flächengrabungen 1986–1988 zuzüglich<br />

der in dieser Zeit aufgefundenen Oberflächenfunde erfasst.<br />

Weitere petrographische oder mineralogische Analysen<br />

wurden nicht durchgeführt. 23 der Beilklingen wurden als<br />

Serpentinit bestimmt, davon 16 Exemplare als Varietäten.<br />

Jeweils vier Klingen wurden aus Diabas und Kalkschiefer<br />

gefertigt, zwei aus Grauwacke und eine aus Gabbro. Eine<br />

Klinge blieb unbestimmt.<br />

Die Varietäten metamorpher Serpentinite sind schiefrig,<br />

von heller grüner Färbung, teils an den Rändern leicht<br />

durchscheinend und meist von weißlichen, glänzenden<br />

Strukturen durchzogen, da Asbest ein häufiges Begleitmineral<br />

ist. Dieses für die Steinbeilproduktion benutzte Gesteinsmaterial<br />

tritt etwa um 3150 v. Chr. im Verlauf der<br />

Horgener Kultur auf (Köninger 1999, 24 ff.) und kann als<br />

Edelserpentin bezeichnet werden (Abb. 49). 20 Der Terminus<br />

wird im Folgenden übernommen.<br />

Edelserpentine stehen in einigen Gebieten der Alpen an,<br />

sind im Alpenvorland aber nicht vertreten. Aufgrund ihres<br />

schiefrigen Gefüges sind sie nicht über weite Strecken hinweg<br />

transportfähig. Sie fehlen deshalb in den Geschieben<br />

des Rheingletschers und den Flusssystemen des Alpenrheins<br />

(Köninger/Schlichtherle 2001, 44). Als ein möglicher<br />

Herkunftsort gilt das Gebiet um den Piz Platta/Graubünden,<br />

in dessen weiterer Umgebung der Fundplatz Petrushügel<br />

bei Cazis liegt (Primas 1985). Zahlreich gefundene<br />

Edelserpentinklingen, Steinsägen und Produktionsreste<br />

machen diesen endneolithischen Fundplatz als Produktionsstätte<br />

für Edelserpentingeräte wahrscheinlich. In dieser<br />

Funktion könnte der Petrushügel bei Cazis Teil eines Gütertransfers<br />

ins Bodenseegebiet und nach Oberschwaben<br />

gewesen sein. Darauf verweisen – neben einem wahrscheinlich<br />

bereits jungneolithischen Bezugsnetz zwischen Oberschwaben<br />

und Norditalien über das Alpenrheintal – mehrere<br />

Fundstellen mit Edelserpentingeräten und -werkstücken<br />

entlang des Alpenrheins (Schlichtherle 1990b, 153 f.;<br />

ders. 1999, 44 ff.; Köninger/Schlichtherle 2001, 44 f.).<br />

Die Rohmaterialien der übrigen Beilklingen dürften aus<br />

den Schottern des Rheingletschers ausgelesen worden sein,<br />

wobei weitere Importstücke nicht auszuschließen sind.<br />

Bearbeitung<br />

Bis auf ein Halbfabrikat (Taf. 4,55) liegen aus der Produktionskette<br />

der Beilklingenherstellung keine weiteren Rohlinge<br />

oder Werkstücke vor. Das Halbfabrikat ist aus Kalkschiefer<br />

und wurde mittels Schlagtechnik zugerichtet. Auf<br />

den übrigen Beilklingen lassen sich als Bearbeitungstechniken<br />

Pickung, Schliff und Sägeschnitt unterscheiden.<br />

Pickung: Nahezu vollständig überpickt ist eine walzenförmige<br />

Beilklinge aus dem stratifizierten Fundbestand (Taf.<br />

7,82) und eine weitere ebenfalls walzenförmige Klinge, die<br />

unstratifiziert ist (Taf. 9,106). An zwei weiteren unstratifi-<br />

Schicht vollständig Nacken Schneide Halbfabrikat Sonstiges<br />

– 10 1 2<br />

_<br />

1<br />

Bef.<br />

2/3<br />

2 1 1<br />

_<br />

2<br />

C 4 1 – _ 2<br />

B 3 2 2 1<br />

_<br />

Tab. 5: Beilklingen aus den Grabungen 1984 –1988, aufgegliedert<br />

nach Schichtzugehörigkeit.<br />

Abb. 49: Auswahl an Edelserpentinklingen (Foto M. Erne).<br />

zierten Stücken (Taf. 9,109.111) ist eine deutliche, formbestimmende<br />

Pickung an Schmalseiten und Nacken festzustellen.<br />

Bei ersterem (Kat.-Nr. 109) sind die Schmalseiten<br />

durch die Überpickung einziehend gearbeitet.<br />

Schliff: Die Edelserpentine können durch Pickung kaum<br />

zugearbeitet werden, da dies zu Brüchen entlang ihres<br />

schiefrigen Gefüges führen würde. Entsprechend sind die<br />

Klingen, die oft noch Sägeschnittspuren aufweisen, alle<br />

partiell, flächig oder vollständig überschliffen (stratifizierte<br />

Klingen: Taf. 4,56.58; 7,85.86.87; 8,93.94.96). Aus den<br />

übrigen Materialklassen sind im stratifizierten Fundbestand<br />

zwei Fragmente von Großklingen (Taf. 4,52.54) aus<br />

körnigem Serpentinit vollständig überschliffen sowie ein<br />

kleines Nackenfragment (Taf. 7,88) aus Serpentinit oder<br />

Aphanit. Ebenso dürfte ein stark angewittertes Rechteckbeil<br />

vollständig überschliffen gewesen sein (Taf. 4,53). Zwei<br />

Abschlagklingen (Serpentinit, Diabas) sind flüchtig über-<br />

18 Zur Gliederung der Horgener Kultur siehe Gross/Ritzmann 1990,<br />

166 f.; Bleuer/Hardmeyer 1993, 285; Kolb 1993, Tab. 15.<br />

19 Die von K. Burgath bestimmten Gesteinsarten sind im Textteil des<br />

Katalogs mit einem Stern (*) gekennzeichnet.<br />

20 Vgl. dazu: Köninger/Schlichtherle 2001. Die Benennung geht<br />

auf den Petrografen K. Bächtiger, ETH Zürich zurück (Mottes/Nicolis/Schlichtherle<br />

2002, Anm. 46). Verallgemeinernd kann in<br />

den trüben Serpentin „Gemeiner Serpentin“, den Dekorstein „Edler<br />

Serpentin“ sowie den für feuerfeste Produkte verwendbaren „Chrysotilasbest“<br />

differenziert werden (Schuhmann 1991, 88).<br />

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