Hemmenhofener Skripte - Janus Verlag
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Vorwort<br />
Die jungsteinzeitlichen Seeufersiedlungen im Uferabschnitt östlich der Gemeinde Allensbach gehörten zu den frühen<br />
Pfahlbauentdeckungen am Bodensee. Was damals ab 1861 an Pfahlfeldern und Funden entdeckt wurde, erschien den<br />
Forschungspionieren aber nicht von überragender Bedeutung und wurde von der großen Fundausbeute etwa der Stationen<br />
in Wangen, Bodman und Sipplingen bei weitem in den Schatten gestellt. Vor allem fehlte es am Ufer des Gnadensees,<br />
dem Teil des Bodensee-Untersees zwischen der Insel Reichenau und Allensbach, an einer Fortsetzung der ersten Forschungsansätze.<br />
Spezielle Ortskenntnis und Interesse blieben bis in die 1980er Jahre Sache einzelner Amateure, die vor<br />
allem Sammlungen freigespülter Funde anlegten. Erst mit den Kartierungsarbeiten des „Projekts Bodensee-Oberschwaben“,<br />
die wir seitens des Landesdenkmalamtes Baden-Württemberg seit 1979 durchführten, war eine klarere Lokalisierung<br />
und räumliche Abtrennung verschiedener Pfahlbaustationen oberhalb von Allensbach möglich. Die Arbeiten führten zu<br />
einer Kontaktaufnahme mit den lokalen Sammlern und lenkten die Aufmerksamkeit vor allem auf das Siedlungsareal<br />
Allensbach-Strandbad, wo wir am Ufer und im Flachwasser Siedlungsspuren kartieren konnten. Einer der heimatlichen<br />
Forscher, Stefan Egenhofer, damals noch im Bauamt der Gemeinde Allensbach tätig, machte uns 1982/83 auf anstehende<br />
Tiefbauarbeiten im betreffenden Uferbereich aufmerksam. Im Zuge einer Notgrabung dokumentierten wir dann erstmals<br />
Siedlungsbefunde in größerer Entfernung landwärts der heutigen Wasserlinie. Damit wurde schlagartig klar, dass unter<br />
dem Gelände von Strandbad und Campingplatz noch ein außergewöhnlich großes und gut erhaltenes Pfahlbauareal unter<br />
Sedimentabdeckung vorhanden sein musste.<br />
Weitere Rettungsgrabungen im Erosionsbereich des Ufers folgten in den Jahren 1984 bis 1988 unter der örtlichen Leitung<br />
von Eckard Czarnowski. Sie bestätigten den Befund. Bis dahin einzigartige Textilfunde, vollständige Schuhe der endneolithischen<br />
Horgener Kultur, wiesen dabei auf den exzellenten Erhaltungszustand der Kulturschichten hin. Erste dendrochronologische<br />
Untersuchungen durch André Billamboz brachten absolute Datierungen. Manfred Rösch und Sabine Karg<br />
führten botanische Untersuchungen durch, Wolfgang Ostendorp beschäftigte sich mit den Sedimenten, Edith Schmidt<br />
mit Wirbellosenresten. Während diese naturwissenschaftlichen Untersuchungen bereits 1990 im Band „Siedlungsarchäologie<br />
im Alpenvorland II“ veröffentlicht wurden, blieben die archäologischen Befunde und Funde, bis auf Vorberichte,<br />
unpubliziert. Einzig die sensationellen Schuhe der Steinzeit erfuhren eine ihnen angemessene Bearbeitung. Der vorliegende<br />
Band schließt hier eine Lücke und ich bin Jürgen Fischer sehr zu Dank verpflichtet, dass er sich im Magazin unserer<br />
Arbeitsstelle Hemmenhofen über die Funde und Dokumente hergemacht und die Bearbeitung im Rahmen einer Magisterarbeit<br />
an der Universität Freiburg vorgenommen hat. Prof. Christian Strahm am Institut für Ur- und Frühgeschichte<br />
und Archäologie des Mittelalters der Universität Freiburg übernahm in dankenswerter Weise die akademische Betreuung<br />
der 2002 abgeschlossenen Arbeit.<br />
Indessen ist bereits ein neues Kapitel in der Erforschung der Station Allensbach-Strandbad aufgeschlagen worden: Im Zuge<br />
einer erneuten Rettungsgrabung wurde 2002/03 erstmals eine größere Grabungsfläche unter dem Campingplatz geöffnet,<br />
als hier ein neues Sanitärgebäude entstand. Dabei kamen weitere Teile von Siedlungen der Horgener Kultur, aber auch<br />
Reste einer jungneolithischen Besiedlung zum Vorschein. Der Fund eines Feuersteindolches mit vollständiger hölzerner<br />
Schäftung, ein Importstück aus der oberitalienischen Remedellokultur, bildete den Glanzpunkt dieser Unternehmung<br />
und bestätigte erneut die herausragende Funderhaltung der Station. Vorberichte in den Archäologischen Ausgrabungen in<br />
Baden-Württemberg 2003, in der Zeitschrift NAU, Nachrichtenblatt Arbeitskreis Unterwasserarchäologie 10, 2003 und<br />
im Allensbacher Almanch 54, 2004 geben darüber erste Auskunft. In der vorliegenden Publikation konnte diese neue<br />
Grabung nicht mehr berücksichtigt werden. Sie wird in eine eigene Veröffentlichung münden.<br />
Für tatkräftige Unterstützung in all den Jahren der Geländetätigkeit danke ich vor allem dem ehrenamtlichen Mitarbeiter<br />
der Denkmalpflege, Herrn Stefan Egenhofer. Dank gebührt aber auch dem Bauamt und dem Bauhof der Gemeinde Allensbach<br />
für die einvernehmliche Zusammenarbeit. In Bürgermeister Helmut Kennerknecht fanden die archäologischen<br />
Unternehmungen einen wohlwollenden und interessierten Förderer. Für die gewährte Unterstützung danke ich Ihm und<br />
dem Gemeinderat recht herzlich. Mit der vorliegenden Fachpublikation, wie auch mit einer Sonderausstellung zu den<br />
Ausgrabungen im Strandbad, die wir im Sommer 2007 im Museum Allensbach zeigen, möchten wir die Gemeinde und<br />
den interessierten Bürger aber auch die Fachwelt der Archäologen an den neuen archäologischen Erkenntnissen über die<br />
Anfänge der Besiedlung am Gnadensee teilnehmen lassen. Neben Wangen und Hornstaad zählt heute Allensbach zu den<br />
bedeutendsten Punkten der Pfahlbauforschung am deutschen Ufer des Untersees.<br />
Die Herausgabe des vorliegenden Bandes in der Reihe der „<strong>Hemmenhofener</strong> <strong>Skripte</strong>“ erfolgt in bewährter Weise durch den<br />
<strong>Janus</strong>-<strong>Verlag</strong> in Freiburg i. Br.; Joachim Köninger danke ich für die Redaktion und die ansprechende Gestaltung.<br />
Helmut Schlichtherle