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Friedrich Heinrich von Kittlitz Denkwürdigkeiten einer Reise nach ...

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Die Bauart der Häuser ist hier so ziemlich überall dieselbe. Sie ist russischen Ursprungs<br />

und hat die früher hier gebräuchlichen Winter- und Sommerwohnungen,<br />

wo<strong>von</strong> die ersten unterirdisch, die anderen die heutigen Balaganen waren, verdrängt.<br />

Ein Isbá ist immer einstöckig mit geräumigem Heuboden unter dem rechtwinkligen<br />

Dache, das mit Bohlen und langen Rindestücken gedeckt ist. In den aus übereinandergelegten<br />

Stämmen gebildeten Wänden werden die Ritzen sorgfältig mit Moos<br />

verstopft, die [316] Erwärmung des Ganzen im Winter übernimmt ein einziger in<br />

der Mitte des Gebäudes errichteter großer Ofen <strong>von</strong> Ton, der fast immer in der Zwischenwand<br />

der beiden Zimmer steht, in welche der mit Fenstern versehene Teil des<br />

Gebäudes zerfällt. Der Raum, in den man durch die Haustür tritt, dient im Sommer<br />

als Hausflur und Vorzimmer, im Winter zugleich als Stall; eine Treppe führt aus<br />

demselben auf den Heuboden. Das Hauptzimmer der Wohnung ist gewöhnlich das<br />

der Haustür zunächst gelegene; Dielen und Wände <strong>von</strong> möglichst glatt behauenen<br />

Bohlen werden dort mit vieler Sorgfalt rein gehalten; auf zwei Seiten befinden sich<br />

Fenster mit Einsätzen <strong>von</strong> zusammengenähten Bärendärmen statt der Scheiben und<br />

im Winkel zwischen beiden der längliche, solid gearbeitete Tisch vor der divan artig<br />

an den Wänden hinlaufenden Bank, zu der gewöhnlich noch ein Paar prunklose Sessel<br />

<strong>von</strong> Holz kommen. Um den Tisch her fehlt es in der Regel nicht an Fußteppichen <strong>von</strong><br />

Pelzwerk, zu denen man vorzugsweise die Felle des Bergschafs zu verwenden pflegt.<br />

In dieses Hauptzimmer wird der ankommende Gast geführt, während die Familie<br />

sich einstweilen in das hintere Zimmer zurückzieht; der Hausherr und die Hausfrau<br />

kommen abwechselnd zum Vorschein, um dem Gaste Gesellschaft zu leisten und<br />

Nahrungsmittel herbeizubringen. Nur beim Tee pflegt alles sich um den gemeinsamen<br />

Tisch zu versammeln, wobei die Hausfrau oder ihre Stellvertreterin das Ehrenamt<br />

des Einschenkens übernimmt und nicht ermangelt, dem Gaste, wenn er vielleicht<br />

nur zehn Tassen zu sich genommen hat, zuzurufen: „odnako malo kuschăli!“<br />

(„Ihr habt doch nur wenig genossen!“) — Namentlich ist es der Genuss des Teetrinkens,<br />

auf den man hier überall besonderes Gewicht legt, und da, wie schon bemerkt,<br />

im Sommer der wirkliche Tee den meisten Haushaltungen des Landes schon ausgegangen<br />

ist, so sucht man ihn, so gut es gehen will, zu ersetzen, z. B. durch einen<br />

Aufguss <strong>von</strong> jungen Rosenblättern, auch wohl, indem man [317] bloß warmes Wasser<br />

mit Milch vermischt. Sonst ist Milch zum Tee gar nicht gebräuchlich hier, ja selbst die<br />

Beimischung <strong>von</strong> Zucker betrachtet man als dem reinen Teegeschmack <strong>nach</strong>teilig.<br />

Bei dem hohen Werte, den man hier auf das Teetrinken überhaupt legt, besitzt jedes<br />

nur einigermaßen wohlhabende Haus seine porzellanenen Tassen, so kostspielig<br />

auch begreiflicherweise dieser Artikel, der nur aus Moskau bezogen und auf dem ungeheuren<br />

Landwege durch Sibirien herbeigeführt wird, hier sein muss. — Diese Tassen<br />

<strong>von</strong> immer nur geringer Qualität gelten hier als Kunstschätze, besonders hat man<br />

mich oft auf die Schönheit der zum Malen derselben verwendeten Farben aufmerksam<br />

gemacht, die allerdings vorteilhaft genug <strong>von</strong> den rohen Ockerfarben abstechen,<br />

welche hier auf den Gebirgskämmen eingesammelt und, mit Bärenfett vermischt,

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