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Zwischen Memphis und Theben: Die Gräber politischer Drahtzieher

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öffnen sich die Schätze des universitären Wissensraumes.<br />

<strong>Die</strong> finanziellen <strong>und</strong> ständischen Voraussetzungen<br />

für ein Studium hatten aber nur wenige. Wissenschaftliches<br />

Wissen war einer kleinen Elite vorbehalten,<br />

seine Räume waren arkan, d.h. für Außenstehende<br />

unzugänglich. Dessen ungeachtet bildete sich<br />

mit dem Einzug des Wissens in die Städte auch ein<br />

Interesse der Stadtbürger an den Fähigkeiten der<br />

Intellektuellen heraus, das auf Dauer zu einer Zirkulation<br />

universitären Wissens auch außerhalb des universitären<br />

Bezirks führte.<br />

Das interdisziplinäre Forschungsprojekt „Dynamische<br />

Räume des Wissens in der mittelalterlichen <strong>und</strong><br />

frühneuzeitlichen Stadt“, an dem Wissenschaftler<br />

aus Mainz <strong>und</strong> Erfurt gemeinsam arbeiten, untersucht<br />

diesen Zusammenhang zwischen Raum <strong>und</strong><br />

Wissen. Dabei interessiert sich die Arbeitsgruppe<br />

besonders für die Stellung des wissenschaftlichen<br />

Wissens zwischen einem schützenden Arkanbereich,<br />

in dem es sich seiner selbst vergewissert, <strong>und</strong> seinem<br />

Austausch mit anderen gesellschaftlichen Kräften.<br />

Der übergeordnete Problemhorizont lässt sich folgendermaßen<br />

beschreiben: Welche Räume stehen<br />

traditionell für das Wissen <strong>und</strong> die Wissenschaften<br />

zur Verfügung? Inwiefern entsprechen sie der Form<br />

<strong>und</strong> Eigenart des Wissens, das in ihnen erworben <strong>und</strong><br />

tradiert wird? In welchem Verhältnis stehen sie zu<br />

anderen gesellschaftlichen Funktionsräumen oder<br />

übergeordneten Raumstrukturen (etwa der Stadt)?<br />

Um Antworten auf diesen allgemeinen Fragenkomplex<br />

zu finden, hat die Arbeitsgruppe mit dem<br />

Spätmittelalter <strong>und</strong> der Frühen Neuzeit einen Untersuchungszeitraum<br />

gewählt, in dem für die heutige<br />

Gestalt des Wissenschaftssystems entscheidende<br />

Weichenstellungen erfolgt sind. Hier wird die Untersuchung<br />

methodisch zwei Wege einschlagen: Zum<br />

einen sollen aus systematischer <strong>und</strong> künstlerischer<br />

Perspektive Reflexionen aus dem Mittelalter (<strong>und</strong> der<br />

Frühen Neuzeit) über reale <strong>und</strong> imaginierte Situierungen<br />

von Wissen in den Blick genommen werden. Zum<br />

anderen sollen in historischen Rekonstruktionen die<br />

Wissensräume zweier mittelalterlicher <strong>und</strong> frühneuzeitlicher<br />

Universitätsstädte (Mainz <strong>und</strong> Erfurt) aus<br />

der Perspektive verschiedener Disziplinen beleuchtet<br />

werden.<br />

Vor der praktischen Durchführung der Einzelprojekte<br />

steht zunächst jedoch die Arbeit am Begriff,<br />

denn die Termini „Wissen“ <strong>und</strong> „Raum“ müssen so<br />

operationalisiert werden, dass bei aller Vielfalt der<br />

beteiligten Einzeldisziplinen der Gesamtzusammenhang<br />

gewährleistet ist. Wichtig ist zunächst die<br />

Unterscheidung zwischen Alltagswissen <strong>und</strong> wissenschaftlichem<br />

Wissen. Während mit dem Terminus<br />

„Alltagswissen“ alle Erkenntnisse beschrieben werden,<br />

die der praktischen Orientierung in alltäglichen<br />

Lebensvollzügen dienen, versteht die Arbeitsgruppe<br />

unter wissenschaftlichem oder epistemischem Wissen<br />

(von griechisch episteme = Wissenschaft) ein<br />

Orientierungswissen zweiter Stufe, das auf der<br />

Gr<strong>und</strong>lage methodisch verfahrender Reflexionsprozesse<br />

das Alltagswissen aus seinen ursprünglichen<br />

Bezügen löst, begründet <strong>und</strong> strenger Überprüfung<br />

zugänglich macht. Fragt man nun nach den Räumen,<br />

die diesen Wissensformen zugeordnet werden können,<br />

so wird schnell deutlich, dass insbesondere das<br />

epistemische Wissen mit seiner methodischen Distanznahme<br />

von der Lebenswelt sich eigene Bezirke<br />

seiner Wirksamkeit schafft. So verweist die Rede vom<br />

„Wissensraum“ in einer vortheoretischen Lesart auf<br />

jene exklusiven <strong>und</strong> in der Regel ummauerten Bezirke<br />

wie Bibliotheken, Labore oder Hörsäle, die Prozes-<br />

se der Produktion <strong>und</strong> Tradierung wissenschaftlichen<br />

Wissens beherbergen. Allerdings bilden diese architektonischen<br />

Beispiele den Begriff des Raumes verkürzt<br />

ab, denn das Materielle ist nur einer seiner<br />

Aspekte. Vielmehr ist Raum als soziales Phänomen<br />

gerade durch das Wechselspiel zwischen dem jeweils<br />

konkreten Ort <strong>und</strong> den vielfältigen symbolischen<br />

Besetzungen gekennzeichnet, die ihn der gesellschaftlichen<br />

Wirklichkeit erschließen. So können sich<br />

an einem Ort im Spannungsfeld konkurrierender<br />

gesellschaftlicher Kräfte verschiedene Räume ausbilden.<br />

<strong>Die</strong>s geschieht in der spätmittelalterlichen <strong>und</strong><br />

frühneuzeitlichen Stadt: Hier ist die Wissenschaft nur<br />

ein gesellschaftliches Teilsystem unter anderen, das<br />

für sich Räume reklamiert. Wie es diesen Raumanspruch<br />

begründet <strong>und</strong> durchsetzt <strong>und</strong> dabei sein Verhältnis<br />

zu den anderen Kräften des urbanen Raums<br />

definiert, soll im Projektzusammenhang untersucht<br />

<strong>und</strong> dokumentiert werden.<br />

<strong>Die</strong> Zugänge zur Problemstellung sind dabei so<br />

vielfältig wie die vertretenen akademischen Disziplinen.<br />

Das philosophische Projekt bestimmt den Kon-<br />

FORSCHUNGSMAGAZIN ■ 2004<br />

MEDIÄVISTIK ......<br />

Quelle: Universitätsbibliothek Erfurt<br />

Allegorie der Grammatik aus der<br />

„Margarita Philosophica Nova“ des<br />

Gregor Reisch, der ersten<br />

philosophischen Enzyklopädie (1515).<br />

19

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