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Zwischen Memphis und Theben: Die Gräber politischer Drahtzieher

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nen Modell-Genoms bestand, sind nun interindividuelle<br />

Varianzen bis hinab zu Polymorphismen in einzelnen<br />

Säure-Basen-Paaren (so genannten Single<br />

Nucleotide Polymorphisms, SNPs) zum zentralen<br />

Ansatz für die Erforschung ges<strong>und</strong>heitsrelevanter<br />

genetischer Merkmale geworden (Judson and Stephens<br />

2001). <strong>Die</strong>s schließt auch multifaktorielle<br />

Erkrankungen (etwa Krebs) <strong>und</strong> Gen-Umwelt-Interaktionen<br />

ein (Riley, Allan et al. 2000). So wird Genomik<br />

zunehmend interessant für Fragestellungen der<br />

Prävention auf dem Gebiet der Public-Health-Forschung,<br />

denn die Ansätze – auch innerhalb des<br />

NGFN – gehen nun von ätiologischen zu pathogenetischen<br />

Fragen über. Gen-Aktivität wird nicht mehr<br />

als Ursache von Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Krankheit missverstanden,<br />

sondern es geht vielmehr darum, Prozesse<br />

der Gen-Regulation in ihrer funktionalen Rolle im<br />

Zusammenspiel mit umwelt- <strong>und</strong> verhaltensbezogenen<br />

Faktoren der Krankheitsentstehung zu begreifen<br />

(Peltonen and McKusick 2001).<br />

Genetik, Gesellschaft <strong>und</strong> Verantwortung<br />

Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> ist der populationsbezogene<br />

Einsatz der molekularen Medizin für die Verbesserung<br />

<strong>und</strong> Erhaltung der menschlichen Ges<strong>und</strong>heit<br />

nicht länger utopisch. International wird das Thema<br />

seit kurzem intensiv erforscht (Khoury, Burke et al.<br />

2000). In Deutschland erfordert die problematische<br />

Anwendung populationsbezogener genetischer Modelle<br />

in unserer Geschichte vor allem wegen der verhängnisvollen<br />

Biologisierung sozialer Eigenschaften<br />

unter der Maßgabe der Eugenik im NS-Staat besondere<br />

Sorgfalt <strong>und</strong> Aufmerksamkeit im Umgang mit<br />

diesen Themen (Paul and Labisch 2002). So zielt das<br />

Mainzer Projekt vor allem auch auf die Beachtung<br />

sozialer Gr<strong>und</strong>werte <strong>und</strong> die unbedingte Vermeidung<br />

genetischer Diskriminierung. Hierfür wurde eigens<br />

ein Model sozialer Verantwortbarkeit entwickelt, das<br />

neben sozialen Gr<strong>und</strong>werten auch Fragen der<br />

Anwendbarkeit <strong>und</strong> Finanzierbarkeit biomedizinischer<br />

Innovation prüft.<br />

Mit dem Projekt an der Johannes Gutenberg-Universität<br />

wird erstmals überhaupt in einem laufenden<br />

Großprojekt der biomedizinischen Gr<strong>und</strong>lagenforschung<br />

ein Verfahren zur rekonstruktiven Analyse der<br />

gegenwärtigen Situation angewandt, um Forschungsziele,<br />

Technologiefolgen <strong>und</strong> Entwicklungspotentiale<br />

noch im Forschungsprozess zu evaluieren<br />

<strong>und</strong> anzupassen. Damit unterscheidet sich dieser auf<br />

der Mainzer Initiative beruhende Ansatz im NGFN<br />

deutlich von der so genannten ELSI-Initiative (ELSI<br />

für Ethical, Legal and Social Issues) im Rahmen des<br />

von den USA koordinierten Humangenomprojekts, in<br />

dem bioethische Reflexion vor allem im Sinne von<br />

nachgeordneter Begleitforschung betrieben worden<br />

ist. Das Mainzer Modell des auf Evidenz basierenden<br />

ethischen Entscheidens ist dabei prinzipiell auch auf<br />

andere innovative Bereiche der biomedizinischen<br />

Forschung anwendbar.<br />

Das Modell ist vor allem darauf ausgerichtet, die<br />

Auswirkungen biomedizinischer Innovation auf die<br />

individuelle <strong>und</strong> öffentliche Ges<strong>und</strong>heit sowie auf<br />

soziale Werthaltungen kritisch bewerten zu können.<br />

Gleiches gilt für die Allokation von Leistungen im<br />

Ges<strong>und</strong>heitssystem. Angesichts knapper werdender<br />

Ressourcen im Ges<strong>und</strong>heitswesen <strong>und</strong> eines sich<br />

rapide verändernden demographischen Profils mit<br />

einer Zunahme altersassoziierter chronifizierender<br />

Erkrankungen haben die jetzt anstehenden Entscheidungen<br />

in der biomedizinischen Forschung generationenübergreifende<br />

Reichweite. Somit ist für die Ges<strong>und</strong>heitsforschung<br />

im NGFN die Entwicklung eines<br />

heuristischen <strong>und</strong> praktisch umsetzbaren Modells zur<br />

Sicherung von Werten innerhalb des solidarischen<br />

Ges<strong>und</strong>heitssystems unverzichtbar geworden. Im<br />

Rahmen des Projekts am Institut für Geschichte,<br />

Theorie <strong>und</strong> Ethik der Medizin werden dazu derzeit<br />

die dringend erforderlichen, erweiterten Schlüsselkriterien<br />

der sozialen Rechenschaftspflicht (social<br />

accountability) biomedizinischer Forschung <strong>und</strong> Entwicklung<br />

erarbeitet <strong>und</strong> es wird ein später sowohl<br />

der Wissenschaft als auch der Öffentlichkeit allgemein<br />

zugängliches Ressourcenzentrum aufgebaut.<br />

■ Summary<br />

FORSCHUNGSMAGAZIN ■ 2004<br />

MEDIZINETHIK......<br />

Das Mainzer Modell ist prinzipiell<br />

auch auf andere innovative Bereiche<br />

der biomedizinischen Forschung<br />

anwendbar.<br />

History, Philosophy and Ethics of Medicine was established as field of study at<br />

Mainz University, starting in the summer semester 2004. This course of studies does<br />

not only deal with the historical and societal issues of modern medicine, but also<br />

ventures into the spheres of ongoing biomedical research and clinical ethics. For the<br />

first time, the German National Genome Research Network supports a project<br />

dealing with the ethical and societal implications potentially emerging from the<br />

integration of genetics and genomics into the field of public health. The project<br />

“Public Health Genetics: Development, Conception, Normative Evaluation” started<br />

in November 2004 and is now developing a novel approach to health technology<br />

assessment at the interface of reconstructive ethics and translational research into<br />

biomedical innovation.<br />

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