„Ratgeber für Flüchtlinge in Thüringen“ erschienen (3/2007
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Asylverfahren<br />
30<br />
3.9 Abschiebung<br />
und „freiwillige“<br />
Ausreise<br />
Die Abschiebung ist e<strong>in</strong>e extrem belastende Zwangsmaßnahme.<br />
Häufig setzt die zuständige Ausländerbehörde e<strong>in</strong>e letzte Frist zur<br />
„freiwilligen“ Ausreise. Wer <strong>in</strong>nerhalb dieser Frist Deutschland nicht<br />
verlässt, kann abgeschoben werden. Das heißt, zwangsweise und mit<br />
Zwangsmitteln außer Landes gebracht werden. E<strong>in</strong> solches Zwangsmittel<br />
stellt zum Beispiel die Abschiebungshaft dar. Wenn Sie e<strong>in</strong>mal<br />
abgeschoben wurden, haben Sie <strong>in</strong> Zukunft kaum noch e<strong>in</strong>e Chance,<br />
wieder <strong>in</strong> Deutschland oder <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en anderen Staat des „Schengenabkommens“<br />
(d.h. den meisten westeuropäischen Ländern) e<strong>in</strong>zureisen<br />
(so genannte E<strong>in</strong>reisesperre).<br />
WICHTIG!<br />
Wenden Sie sich an e<strong>in</strong>en Anwalt oder e<strong>in</strong>e Beratungsstelle.<br />
Dort erfahren Sie, ob es noch irgende<strong>in</strong>e Möglichkeit <strong>für</strong> e<strong>in</strong>en<br />
legalen Aufenthalt gibt. Vor allem wenn die Gefahr der Abschiebung<br />
besteht, ist es unbed<strong>in</strong>gt erforderlich, dass Sie sich Hilfe<br />
bei e<strong>in</strong>em Anwalt holen. Erteilen Sie diesem e<strong>in</strong>e Vollmacht,<br />
damit er im Falle der Abschiebung oder Abschiebungshaft <strong>in</strong><br />
Ihrem Namen alle erforderlichen Schritte unternehmen kann.<br />
Die Abschiebungshaft kann angeordnet werden, wenn Sie trotz der<br />
gesetzten Ausreisefrist nicht ausgereist s<strong>in</strong>d. Die Ausländerbehörde<br />
muss Sie außerdem verdächtigen, dass Sie nicht ausreisen, sondern<br />
sich der Abschiebung entziehen wollen. Dies wird zum Beispiel angenommen,<br />
wenn Sie den Wohnort gewechselt haben, ohne dies zu melden<br />
oder „untergetaucht“ s<strong>in</strong>d. Abschiebungshaft wird durch e<strong>in</strong>en<br />
Richter beim Amtsgericht angeordnet. Gegen diese Entscheidung<br />
können Sie sofort Beschwerde e<strong>in</strong>legen, über die das Landgericht entscheidet.<br />
Die Abschiebungshaft <strong>für</strong> Männer <strong>in</strong> Thür<strong>in</strong>gen bef<strong>in</strong>det sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />
Trakt des Gefängnisses (Justizvollzugsanstalt, JVA) Goldlauter-<br />
Heidersbach bei Suhl. Weibliche Abschiebehäftl<strong>in</strong>ge aus Thür<strong>in</strong>gen<br />
werden nach Chemnitz/ Teilanstalt Reichenha<strong>in</strong> (Sachsen) gebracht.<br />
Als Abschiebehäftl<strong>in</strong>g haben Sie das Recht, Besuche zu empfangen<br />
und <strong>in</strong> begründeten Fällen zu telefonieren. Ihnen steht das Recht zu,<br />
grundsätzlich jederzeit Ihren Anwalt anzurufen. Wenn e<strong>in</strong> Sozialarbeiter<br />
<strong>in</strong> dem Gefängnis arbeitet, bitten Sie ihn um Hilfe. In der<br />
Abschiebehaft können Sie sich zu jeder Zeit an den Gefängnisseelsorger<br />
wenden (katholisch und evangelisch). Dieser betreut alle Häftl<strong>in</strong>ge.<br />
In Thür<strong>in</strong>gen gibt es e<strong>in</strong>e Abschiebehaftgruppe. Zu ihr gehören<br />
Menschen, die regelmäßig alle zwei Wochen Abschiebehäftl<strong>in</strong>ge<br />
(hauptsächlich <strong>in</strong> Suhl-Goldlauter) besuchen und ihnen E<strong>in</strong>zel- und<br />
Gruppengespräche anbieten. Wenn Sie Kontakt zu der Gruppe aufnehmen<br />
möchten, teilen Sie dies dem Sozialarbeiter mit. Die Adresse der<br />
Abschiebehaftgruppe f<strong>in</strong>den Sie im Adressverzeichnis unter Suhl.<br />
Wenn Ihnen konkret die Abschiebung droht, sollten Sie über die<br />
Möglichkeit e<strong>in</strong>er „freiwilligen“ Ausreise nachdenken. „Freiwillige“<br />
Ausreise bedeutet, dass Sie Deutschland verlassen, ohne dass e<strong>in</strong>e<br />
E<strong>in</strong>reisesperre gegen Sie verhängt wird. Sie me<strong>in</strong>t nicht nur e<strong>in</strong>e tatsächliche<br />
freiwillige Ausreise, sondern auch die Ausreise unter dem<br />
Druck e<strong>in</strong>er drohenden Abschiebung. Nach unanfechtbar negativem<br />
Abschluss des Asylverfahrens verh<strong>in</strong>dern Sie mit der „freiwilligen“<br />
Ausreise e<strong>in</strong>e Abschiebung. E<strong>in</strong>e „freiwillige“ Ausreise muss nicht <strong>in</strong><br />
Ihr Herkunftsland erfolgen. Manchmal ist es auch möglich, <strong>in</strong> e<strong>in</strong><br />
anderes Land weiterzureisen (siehe Kapitel „Weiterwanderung und<br />
Rückkehr“).<br />
Zu e<strong>in</strong>er „freiwilligen“ Ausreise müssen Sie sich rechtzeitig entschließen.<br />
Wenn der Term<strong>in</strong> <strong>für</strong> die Abschiebung schon fest steht, akzeptieren<br />
viele Ausländerbehörden diese Möglichkeit nicht mehr und schieben<br />
Sie ab.<br />
WICHTIG!<br />
Beraten Sie sich immer erst mit Ihrem Anwalt, bevor Sie auf der<br />
Ausländerbehörde e<strong>in</strong>e Erklärung zur „freiwilligen“ Ausreise<br />
unterschreiben! Lesen Sie auf der Ausländerbehörde vorgelegte<br />
Formulare grundsätzlich immer gut durch. Wenn Sie nicht<br />
verstehen, was Sie unterschreiben sollen, bestehen Sie darauf,<br />
die Formulare mit zunehmen, um sie übersetzen zu lassen.<br />
Wenden Sie sich mit den Formularen an Ihren Anwalt oder e<strong>in</strong>e<br />
Beratungsstelle.<br />
4. Residenzpflicht<br />
Das AsylVfG regelt unter anderem die „räumliche Beschränkung des<br />
Aufenthaltes“ von Asylsuchenden, die umgangssprachlich „Residenzpflicht“<br />
genannt wird (§ 56 AsylVfG). E<strong>in</strong>e Residenzpflicht auf<br />
Grundlage des AufenthG gilt darüber h<strong>in</strong>aus <strong>für</strong> <strong>Flüchtl<strong>in</strong>ge</strong> mit<br />
Duldung oder Grenzübertrittsbesche<strong>in</strong>igung.<br />
Residenzpflicht bedeutet, dass Sie sich ohne Erlaubnis nicht außerhalb<br />
des Landkreises bzw. der kreisfreien Stadt aufhalten dürfen, <strong>in</strong> dem/<br />
der Sie leben. In Ihrer Aufenthaltsgestattung (bzw. Duldung) f<strong>in</strong>den<br />
Sie e<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>trag über den Landkreis bzw. die kreisfreie Stadt, wo Sie<br />
sich aufhalten dürfen. Wenn Sie diesen Ort verlassen möchten, benötigen<br />
Sie e<strong>in</strong>e Genehmigung der Ausländerbehörde, die umgangsprachlich<br />
„Urlaubssche<strong>in</strong>“ genannt wird (Ausnahmen siehe Kapitel<br />
„Urlaubssche<strong>in</strong>e“).<br />
Nach dem AufenthG gilt <strong>für</strong> <strong>Flüchtl<strong>in</strong>ge</strong> mit e<strong>in</strong>er Duldung e<strong>in</strong>e<br />
Residenzpflicht <strong>für</strong> das jeweilige Bundesland. Nur <strong>in</strong> besonders<br />
begründeten E<strong>in</strong>zelfällen darf der Aufenthalt darüber h<strong>in</strong>aus<br />
beschränkt werden (Residenzpflicht <strong>für</strong> den Landkreis oder die Stadt).<br />
Die Thür<strong>in</strong>ger Praxis, den Aufenthalt generell auf die Stadt oder den<br />
Landkreis zu beschränken, ist daher rechtlich fragwürdig.<br />
Wenn Sie sich an e<strong>in</strong>em unbekannten Ort aufhalten, kann unter<br />
bestimmten Voraussetzungen die Polizei nach Ihnen fahnden.<br />
4.1 Räumliche<br />
Beschränkung des<br />
Aufenthaltes <strong>für</strong><br />
Asylsuchende und<br />
<strong>Flüchtl<strong>in</strong>ge</strong> mit<br />
Duldung<br />
Residenzpflicht<br />
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