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<strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 136 · 1 5./16. Juni 2019 5 *<br />
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Politik<br />
Merkel:<br />
Gemeinsam<br />
für Europa<br />
Rede zum Jubiläum des<br />
Hauses der Geschichte<br />
Bundeskanzlerin Angela Merkel<br />
(CDU) hat erneut zu multilateralem<br />
Handeln aufgerufen. In einer<br />
Rede zum 25-jährigen Bestehen des<br />
Hauses der Geschichte sagte sie am<br />
Freitag in Bonn, historisches Wissen<br />
biete Orientierung und erleichtere<br />
so die Einordnung aktueller Zusammenhänge.<br />
„Wer sich zum Beispiel vor Augen<br />
führt, was Robert Schuman,<br />
Jean Monnet und Konrad Adenauer<br />
bewegt hatte, Europa politisch und<br />
wirtschaftlich näher zusammenrücken<br />
zu lassen, der kann besser verstehen,<br />
warum wir uns für dieses<br />
Europa auch heute einsetzen müssen,<br />
warum es so wichtig ist, verschiedene<br />
Interessen zusammenzuführen,<br />
zu Kompromissen bereit<br />
zu sein, multilateral statt unilateral,<br />
global statt national, gemeinsam<br />
statt allein zu denken und zu handeln.“<br />
Merkel hob hervor, dass das<br />
Haus der Geschichte schon vor Jahren<br />
die Ausstellung „Bilder, die lügen“<br />
präsentiert habe. „Medienkompetenzen<br />
zu stärken, die Manipulation<br />
als solche zu entlarven, das<br />
bleibt im modernen Informationszeitalter<br />
wichtiger denn je, indem<br />
ohnehin nicht selten von alternativen<br />
Fakten die Rede ist, was als solches<br />
schon eine hochinteressante<br />
Kombination ist.“ (dpa)<br />
Liebe Yael,<br />
dein Brief über euren Kurzurlaub<br />
in Brandenburg hat mich so beschäftigt,<br />
dass ich gleich zu recherchieren<br />
begann. Zum Glück hattest<br />
du die Fotowand in der Pension fotografiert,<br />
und ich konnte sie mir<br />
genauer ansehen. Auf den drei Fotos,<br />
die nebeneinander hängen, ist<br />
derselbe junge Mann zu sehen: einmal<br />
ohne Wehrmachtsuniform,<br />
zweimal mit, vermutlich handelt es<br />
sich um einen Sohn der Familie.Auf<br />
Wikipedia erfahre ich, dass in dem<br />
kleinen Ort von den 170 EinwohnernimZweiten<br />
Weltkrieg 44 eingezogen<br />
wurden und 16 ums Leben<br />
kamen.<br />
Das Foto darunter ist ein Gruppenbild<br />
vom Mai 1943, aufgenommen<br />
anlässlich einer Goldenen<br />
Hochzeit. Man sieht Frauen in<br />
hochgeschlossenen Kleidern, Männer<br />
in Anzügen, die Hüte in der<br />
Hand. Einer trägt einen Hitlerbart,<br />
eine das Mutterkreuz, ein anderer,<br />
älter schon, eine Uniform. Das<br />
Rangzeichen ist nicht zu erkennen.<br />
Der Name steht unter dem Foto,<br />
meine Blitzsuche im Internet bringt<br />
keine Ergebnisse. Dafür lese ich,<br />
dass im Nachbarort eine Synagoge<br />
stand, aus der in den 30er-Jahren Juden<br />
vertrieben wurden, die Synagoge<br />
wurde in ein Wohnhaus umgebaut,<br />
der jüdische Friedhof zerstört.<br />
Waswussten diese Leute davon?<br />
Wie ging es ihnen? War ihnen zum<br />
Feiern zumute? Ab 1943 wurden<br />
auch 15-Jährige zur Wehrmacht eingezogen.<br />
Die Stimmung in der Bevölkerung<br />
kippte. Esherrschte Not.<br />
Die Fotos sind ganz offensichtlich<br />
Erinnerungen an Familienangehörige.<br />
Warum aber hängen sie an der<br />
Wand? Im Gästezimmer? Als Beweis,<br />
TelAviv –Berlin<br />
Wehrmachtsuniformen<br />
in unserem<br />
Familienalbum<br />
wie lange die Familie hier schon angesiedelt<br />
ist? Als Bekenntnis?<br />
Der Sohn der Familie, der das<br />
Haus in Brandenburg vermietet,<br />
schreibt auf der Airbnb-Seite, dass<br />
er in der Werbung arbeitet. Er sieht<br />
nett aus.Von dir weiß ich, dass er auf<br />
eure Beschwerde hin antwortete,<br />
dass sieöfter Gäste ausIsrael haben.<br />
Seine Mutter plane selbst gerade<br />
eine Reise dorthin. Das macht die<br />
Sache noch rätselhafter. Ich stelle<br />
mir vor, wie die Familie beschließt,<br />
jetzt, da die Kinder groß sind, das<br />
Anja Reich<br />
Haus in eine Pension umzurüsten,<br />
wiesie dieGästezimmer einrichten,<br />
die Fotos aufhängen. Hatte niemand<br />
Zweifel? Hat keiner gesagt:<br />
Vielleicht lassen wir das mal lieber?<br />
Und hat sich noch nie jemand darüber<br />
beschwert, außer euch?<br />
Wiekönnen Leutesogeschichtsvergessen<br />
sein, so ignorant, frage<br />
ichAlex. Ichglaube, ignorant istdas<br />
falscheWort,sagt er,sie sehen wahrscheinlich<br />
alles nur aus ihrer eigenen<br />
Perspektive und sind nicht in<br />
der Lage, sich in andere hineinzu-<br />
versetzen. Wir stehen in der Küche,<br />
essen Hummus vomCarmel-Markt,<br />
und ich denke an das Fotoalbum<br />
meiner Familie. Auch da gibt es<br />
Männer in Wehrmachtsuniform. Einer<br />
ist mein Opa. Ein anderer sein<br />
Bruder Kurt.Kurtwar in der NSDAP,<br />
mein Opanicht. Trotzdem wäreniemand<br />
in unserer Familie auf die<br />
Idee gekommen, sein Foto aufzuhängen.<br />
Weil Soldatenfotos an sich<br />
ein Statement sind, vor allem aber<br />
wegen der deutschen Geschichte.<br />
Andererseits ist das Gegenteil natürlich<br />
auch nicht besser: Fotos im<br />
Keller verstecken und heimlich anschauen,<br />
so tun, als ob das alles nichts<br />
mit der eigenen Familiezutun hat. Je<br />
länger ich darüber nachdenke, desto<br />
unsicherer werde ich. Unser Familienalbum<br />
steht jetzt bei meiner Mutter.<br />
Eines Tages werde ich es erben,<br />
wird esinmeinem Schrank stehen,<br />
werden meine Kinder und Enkelkinder<br />
mich danach fragen.<br />
Weil mein Opa nicht über den<br />
Krieg reden wollte, habe ich ihm zu<br />
seinem 85. Geburtstag ein Diktiergerät<br />
geschenkt, damit er seine Geschichte<br />
aufs Band sprechen kann.<br />
Nach seinem Todhabe ich die Aufnahmen<br />
abgehört. Er berichtet<br />
darin über sein Leben, über die Stationen<br />
seines Einsatzes und wie<br />
sehr er seine Familie vermisst hat.<br />
DieFragen, die mich am meisten interessieren<br />
–was er gedacht und ob<br />
er selbst Schuld auf sich geladen hat<br />
–lässt er offen. Es ist schwer, die<br />
Perspektivezuwechseln.<br />
Ich sitze im Garten, der Muezzin<br />
singt, gleich beginnt die PrideParade.<br />
Ich bin so weit weg, aber dein Brief<br />
beschäftigt mich immer noch. Ich<br />
glaube,ich fühle mich verantwortlich<br />
für mein Land, fürmeine Leute.<br />
DeineAnja<br />
Innenminister<br />
gehen gegen<br />
Clans vor<br />
Keine Einigung auf<br />
verschärfte Abschiebung<br />
Auf eine gemeinsame Strategie<br />
zur Bekämpfung krimineller<br />
Clans haben sich die Innenminister<br />
von Bund und Ländern auf ihrer<br />
Konferenz in Kiel verständigt. Sie<br />
drohen mit dem Entzug der deutschen<br />
Staatsbürgerschaft. Allerdings<br />
nur, wenn die Clanmitglieder noch<br />
eine zweite Staatsbürgerschaft haben.<br />
Die Bundesregierung soll prüfen,<br />
wie eine Reform aussehen<br />
könnte. Bundesinnenminister Horst<br />
Seehofer (CSU) sagte zu, „im Falle einer<br />
nachgewiesenen Mitwirkung bei<br />
Clankriminalität den von den Ländern<br />
gewünschten Verlust der deutschen<br />
Staatsbürgerschaft bei Vorhandensein<br />
einer weiteren Staatsbürgerschaft<br />
schnell zu realisieren“.<br />
Die Innenminister halten zudem<br />
an der Verlängerung des Abschiebestopps<br />
für Syrer bis zum Jahresende<br />
fest. BeiRückführungen nach Afghanistan<br />
kommen die Länder nicht auf<br />
einen gemeinsamen Nenner. Die<br />
SPD-geführten Länder und Schleswig-Holsteins<br />
CDU-Innenminister<br />
Hans-Joachim Grote wollen an ihrer<br />
Praxis festhalten, weiter nur Straftäter,<br />
Identitätstäuscher und Gefährder<br />
dorthin abzuschieben.<br />
Haus- und Wohnungsbesitzer<br />
sollen künftig auch bei Neubauten<br />
Geld für Einbruchschutz erhalten.<br />
Die staatliche Bank KfW soll dafür<br />
Zuschüsse erteilen. (dpa)<br />
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