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Die Beste Zeit Nr. 16.indd - Druckservice HP Nacke KG

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Dorothea Müller<br />

lebt und arbeitet in Wuppertal.<br />

Mitglied im Verband Deutscher Schriftsteller<br />

(VS) , Arbeitsgebiete: Lyrik, Prosa,<br />

Theaterszenen, Texte für Kinder und<br />

mit Kindern. (Kinderschreibwerkstatt,<br />

Buchprojekt: „Ich und du“, interkulturelles<br />

Kinderbuch, 2003).<br />

Buchveröffentlichungen:<br />

„Netz über dem Abgrund“,<br />

„Als der Supermarkt noch Tante Emma hieß“.<br />

Weitere Veröffentlichungen in <strong>Zeit</strong>ungen,<br />

<strong>Zeit</strong>schriften, Anthologien, Rundfunk<br />

(WDR).<br />

<strong>Die</strong>go<br />

Als erstes waren mir seine Hände aufgefallen.<br />

Sensible Hände und doch<br />

kraftvoll, langfi ngrig mit kurz geschnittenen<br />

Nägeln. Er hatte sie in einer<br />

zärtlich anmutenden Geste seinem Sohn<br />

entgegen gestreckt, um ihn willkommen<br />

zu heißen.<br />

Erschrocken versuchte ich die Tränen<br />

zurück zu halten, die mir unvermutet in<br />

die Augen geschossen waren, zusammen<br />

mit einem schmerzlichen Ziehen, das<br />

jäh meinen ganzen Körper erfasst hatte.<br />

Ich verspürte das drängende Verlangen,<br />

mich in diese Hände zu schmiegen, um<br />

in ihnen, wie in einer Höhle, Zufl ucht<br />

zu fi nden.<br />

Sekunden später, als wir einander vorgestellt<br />

wurden, hatte ich mich wieder in<br />

der Gewalt und versuchte ein Lächeln,<br />

das zurückhaltend erwidert wurde.<br />

Ich war gekommen um mir die Bilder<br />

anzusehen, von denen der Sohn erzählt<br />

hatte. Möglicherweise konnte das ein<br />

oder andere für eine geplante Sammelausstellung<br />

geeignet sein.<br />

Nachdem der Sohn sich verabschiedet<br />

hatte, führte der Maler mich in das Atelier,<br />

das neben der kleinen Wohnung<br />

über den Hof lag. <strong>Die</strong>go, wie er seine<br />

Werke signierte, zeigte mir schweigend<br />

seine Leinwände. Viele der Bilder<br />

waren großformatig, von politischen<br />

oder sozialkritischen Themen geprägt,<br />

andere dagegen erinnerten an Miniaturen.<br />

Stillleben lagerten neben Porträts,<br />

surrealistische neben abstrakten Werken,<br />

dazwischen zartfarbene Aquarelle.<br />

Erstaunlich viele Bilder waren unvollendet,<br />

so, als hätte er mitten in der Arbeit<br />

den Pinsel niedergelegt, um etwas<br />

anderes zu beginnen.<br />

Ich stellte ihm einige Fragen, die er aber<br />

kaum beantwortete. Das war eigenartig<br />

und verwirrend, konnte aber an möglichen<br />

Sprachdefi ziten liegen. Darum<br />

verabschiedete ich mich schnell, nicht<br />

ohne das Versprechen, von mir hören<br />

zu lassen. Mit dem Sohn als Dolmetscher<br />

und Moderator würde wir wohl<br />

zu einer Verständigung kommen.<br />

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