Die Beste Zeit Nr. 16.indd - Druckservice HP Nacke KG
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ufen. Reisefotografi en repräsentierten im<br />
19. Jahrhundert ein wichtiges Schaufenster<br />
zur Welt, das die Wahrnehmung der<br />
Fremde ähnlich präkonditionierte wie die<br />
literarischen Reiseberichte und Guiden,<br />
die dem Touristen den Ablauf der Reise<br />
vorstrukturierten.<br />
Unter dem Eindruck des südlichen Klimas<br />
und Lichtes verwandelte sich das Reiseerlebnis<br />
oft zu einem sinnlichen Prozess<br />
der Selbstfi ndung, wie Friedrich Theodor<br />
Fischer anlässlich eines Aufenthaltes in<br />
Rom im Jahre 1839 feststellte: »Als ich<br />
[nach Italien] kam, war mein Auge noch<br />
ein ungeschliffenes Glas; jetzt fange ich<br />
an zu sehen.« Der Deutsch-Römer Hans<br />
von Marées fasste 1872 in einem Brief<br />
an Adolf von Hildebrand die Sehnsucht<br />
nach persönlicher Reifung in die Worte<br />
»Italien ist sozusagen in uns selbst.«<br />
Bei der Lektüre der Reiseberichte stößt<br />
man zwangsläufi g auf Stereotypen und<br />
Klischees, die in Bezug auf die italienische<br />
Halbinsel und ihre Bewohner existierten.<br />
Fotografi en spielten bei der Konstruktion<br />
dessen, was man nördlich der Alpen als<br />
typisch italienische Lebenskultur ansah,<br />
ebenfalls eine wichtige Rolle.<br />
Wenn man die Fotografi en und Reiseliteratur<br />
miteinander vergleicht, dann stehen<br />
diese beiden Darstellungen häufi g in<br />
einem Spannungsverhältnis, gelegentlich<br />
auch im Widerspruch zueinander. Wenn<br />
man beispielsweise dem Reisejournal<br />
von Adolf Stahr Glauben schenken darf,<br />
dann waren romantische Schwärmereien<br />
für die Antike in Rom um 1860 unberechtigt,<br />
da die Neubauten vielerorten<br />
Oswald Achenbach, Blick auf Capri, 1884, Öl auf Leinwand, Von der Heydt-Museum Wuppertal<br />
das Erscheinungsbild der Stadt bestimmten<br />
und die Trümmer des antiken bzw.<br />
mittelalterlichen Roms dem Reisenden<br />
wie ein versprengtes Skelett erschienen.<br />
<strong>Die</strong> Fotografen blendeten das moderne<br />
Leben weitgehend aus, um stattdessen<br />
ein harmonisches Gesamtbild der Stadt<br />
zu repräsentieren, ohne die täglichen Eindrücke<br />
von Lärm, Schmutz und Chaos.<br />
Neben den Besichtigungstouren zu den<br />
klassischen Sehenswürdigkeiten hielten<br />
sich die Fremden vorzugsweise dort<br />
auf, wo man anderen gleichgesinnten<br />
Reisenden begegnete. Man traf sich in<br />
den gepfl egten Touristenhotels und -restaurants.<br />
Oder im Caffè Greco in Rom<br />
und der Bierkneipe Zum Kater Hiddigeigei<br />
auf Capri, die ihren Namen dem<br />
Versepos »Der Trompeter von Säckingen«<br />
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