Die Beste Zeit Nr. 16.indd - Druckservice HP Nacke KG
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Emmi ihr Spiel – durchaus durchtrieben<br />
und gelegentlich sogar ein bißchen<br />
perfi de. Petra Koßmann, eine brillante<br />
Charakterdarstellerin, deren „Fräulein<br />
Else“, „Iphigenie“, „Camille Claudel“<br />
oder die „Blanche“ in „Endstation Sehnsucht“<br />
noch vital in Erinnerung sind, zog<br />
alle Register der Schauspielkunst, ließ<br />
dabei die tiefe Emotionalität erkennen,<br />
die in der scheinbaren Leichtigkeit des<br />
Stoffes liegt. So wie ihre Emmi ziemlich<br />
durchtrieben ihr Mail-Gegenüber Leo<br />
bei gelegentlichem Wechsel des Kräfteverhältnisses<br />
über die entscheidenden<br />
Strecken des Stückes führt, hatte auch<br />
Petra Koßmann mit brillanter Sprache,<br />
Körpersprache und Mimik stets den<br />
Faden des Geschehens in der Hand. Ob<br />
schmelzend sehnsuchtsvoll oder verführerisch<br />
lockend, fordernd zornig oder<br />
melancholisch betrübt, verzagt ängstlich<br />
oder forsch geradeaus, provozierend<br />
erotisch oder abwartend zögerlich – sie<br />
beherrscht nicht nur ihren (linken) Teil<br />
der Bühne (Iljas Enkaschew).<br />
Angenagte Herzen<br />
Fast unmerklich entwickelt sich der elektronische<br />
Flirt zu einer wenn auch berührungslosen,<br />
aber doch handfesten Affäre<br />
mit unverhüllten erotischen Begehrlichkeiten,<br />
schäumender Eifersucht, vorbehaltlosen<br />
Liebesgeständnissen „Leo, Sie sind<br />
phantastisch gut gegen Nordwind!“ und<br />
unverhüllten Angeboten – wobei die<br />
erotischen Impulse genauso wie die kalten<br />
Duschen von Emmi ausgehen. <strong>Die</strong> dramatische<br />
Wendung tritt mit einer aus dem<br />
Off gelesenen Mail von Emmis Ehemann<br />
Bernhard an Leo ein Er existiert tatsächlich,<br />
ebenso wie offenbar die Kinder des<br />
Paares. Doch hier gelingt es Glattauer nicht<br />
ganz, die eigene Vorgabe spritziger Intelligenz,<br />
mit der er den Stoff angegangen ist,<br />
zu halten – es wird verstörend kitschig,<br />
wenn auch notwendig für die Katharsis.<br />
Leos Lage wird unhaltbar. André Klem<br />
vermittelt den Schockzustand, in den Leo<br />
dadurch tritt, nachvollziehbar. Doch auch<br />
trotz seines festen Entschlusses, von Emmi<br />
zu lassen, die für die Phase des ersten<br />
Erschreckens ebenfalls Abstand zu nehmen<br />
vorhat, läßt sich Leo erneut auf das Spiel<br />
mit dem Feuer ein, erliegt der – Verzeihung<br />
meine Damen – typisch weiblichen Manipulation<br />
Emmis in typisch – Verzeihung<br />
meine Herren – männlicher Bereitschaft,<br />
sich verführen, überreden zu lassen. <strong>Die</strong><br />
verhängnisvolle Affäre steuert unter großer<br />
Spannung auf eine Entscheidung zu…<br />
Dramatisches Kammerspiel<br />
Ralf Budde hat das sich dramatisch zuspitzende<br />
Kammerspiel auf der originellen<br />
Bühne in großer Dichte umgesetzt und<br />
dabei vor allem mit Petra Koßmann, einer<br />
mit allen Wassern gewaschenen Schauspielerin<br />
einen wirklichen Glücksgriff<br />
getan. Gelegentliche Unsicherheiten bei<br />
ihrem Partner André Klem werden sich in<br />
der Praxis der Aufführung abschleifen.<br />
Weitere Informationen unter:<br />
www.tic-theater.de<br />
Frank Becker<br />
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