Getrennte Brüder finden zusammen - bruederbewegung.de

Andreas Liese: 1937 – ein Schicksalsjahr der deutschen Brüderbewegung 22
chen Überwachung ausgesetzt wie auch die BfC-Gemeinden, die aus der ehemaligen »Christlichen
Versammlung« entstanden waren. Gleichzeitig zeigt der Erlass an, dass diese Vereinigung durchaus
im Sinne des NS-Regimes war. 90
Dem BfC traten ca. 135 »Kirchenfreie christliche Gemeinden« bei. Hinzuweisen ist darauf, dass
sich nicht alle Gemeinden der »Offenen Brüder« dem BfC anschlossen; so gab es beispielsweise im
Frankenwald einige Gruppen, die den Anschluss nicht vollzogen und deshalb verboten wurden. 91
Die Vereinigung von ehemaligen »Geschlossenen« und »Offenen Brüdern« wurde damals von
vielen im Zusammenhang der beabsichtigten Vereinigung der taufgesinnten Freikirchen gesehen.
Exemplarisch für diese Sicht soll hier auf Ausführungen Langes eingegangen werden. In seiner schon
erwähnten Abhandlung von Anfang Dezember 1937, 92 mit der er das nächste Treffen der taufgesinnten
Gruppen vorbereiten wollte, verwies er ausdrücklich auf die Initiative der Baptisten vom Frühjahr
dieses Jahres und meinte, dass mit der Erklärung von Kassel »ein bedeutsamer Schritt zur Erreichung
dieses Ziels bereits erfolgt« sei; seit der Entscheidung in Berlin existiere nun ein gemeinsamer Bund.
Damit sei man zu den ursprünglichen Grundsätzen der Brüderbewegung zurückgekehrt, nach denen
es keine Spaltungen im Leib Christi geben sollte. Im Hinblick auf das kommende Gespräch verwies
er ausdrücklich auf die Vereinigung der beiden »Brüder«-Gruppen als ein »Schulbeispiel« dafür,
»wie sich eine Vereinigung allein vollziehen kann«. Er beschrieb dann detailliert »die Punkte«, die
für das Zusammengehen beider Gruppen wichtig geworden seien; zugleich sah er darin »Grundlagen
für alles weitere Beginnen«, um das Ziel eines Bundes der Taufgesinnten zu erreichen. So bedeute
beispielsweise die Vereinigung der beiden Gruppen nicht eine »stärkere Absonderung von den Gläubigen
in anderen Lagern«. Im Gegenteil: Dieses Handeln der »Brüder« könne als Ansporn für andere
dienen, das Gleiche zu tun. Damit wird klar: Die Vereinigung der beiden »Brüder«-Richtungen zu
einem Bund sollte sozusagen eine Initialzündung für die weitere Vereinigung darstellen.
Das Gleiche wurde auch bei der Elberfelder Konferenz 1938 deutlich: Hier wurde nicht nur sichtbar,
dass der um die »Offenen Brüder« erweiterte Bund nun über ein größeres Lehrpotenzial verfügte,
sondern dass von ihm auch ein Signal in die benachbarten Freikirchen ausging, indem man zum
ersten Mal eine Konferenz zum Thema Gemeinde abhielt, in der auch bekannte Theologen aus den
anderen Freikirchen zu Wort kamen.
Aus alledem wird deutlich, dass die Vereinigung der beiden »Brüder«-Gruppen nicht isoliert von
dem späteren Zusammenschluss von Baptisten und »Brüdern« gesehen werden kann. Schon beim
Kasseler Gespräch im August 1937 hatten die Vertreter der beiden »Brüder«-Gruppen mit den Baptisten
über ein mögliches Zusammengehen gesprochen.
6. Der Zusammenschluss der beiden »Brüder«-Gruppen und das Ausland
Nicht alle »Geschlossenen Brüder« in Deutschland schlossen sich dem BfC an. Ca. 10% verweigerten
diesen Schritt. 93 Dabei handelte es sich um eine heterogene Gruppe. Einigendes Band stellte die Ablehnung
der Person und Lehre Beckers dar. Er galt als ein Verderber der Brüderbewegung. Davon
abgesehen gab es einige, die immer wieder versuchten, die Genehmigung für einen zweiten Bund zu
erreichen. Andere lehnten eine religiöse Organisation mit einem Namen, der diese von anderen
Christen unterschied, konsequent ab. Ein großer Teil dieses Kreises führte dann illegale Gottesdienste
durch. Besonders ab 1942 kam es zu Verfolgungsmaßnahmen durch die Gestapo, die zu Geld- und
Gefängnisstrafen führten. Personen dieses Kreises stellten nach 1945 den Kern der wiederzugelassenen
»Geschlossenen Brüder« dar.
90 Zur lokalen Umsetzung dieses Erlasses vgl. Liese.
91 Vgl. dazu Kretzer, S. 498, Anm. 87.
92 Archiv Wiedenest, Bestand Bister, Ernst Lange, Grundlagen unserer Vereinigung, 3. Dezember 1937.
93 Vgl. Liese, S. 347.