Getrennte Brüder finden zusammen - bruederbewegung.de
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Andreas Schmidt: Wahrnehmung gesellschaftlicher Verantwortung 34<br />
7 Kleine Sammlung geistlicher Lie<strong>de</strong>r, Wuppertal 18 1989, Nr. 67 (<strong>de</strong>utsche Übersetzung: Julius Anton von Poseck).<br />
8 Siehe Andreas Liese: verboten – gedul<strong>de</strong>t – verfolgt. Die nationalsozialistische Religionspolitik gegenüber <strong>de</strong>r <strong>Brü<strong>de</strong>r</strong>bewegung,<br />
Hammerbrücke 2002, S. 249–262.<br />
9 Siehe Jordy, S. 24f.<br />
»Diese Welt ist eine Wüste,<br />
wo ich nichts zu wählen wüßte,<br />
wo ich nichts zu suchen hab’.<br />
Habe nichts hier zu betrauern,<br />
zu verlieren, zu bedauern,<br />
brauche nichts als einen Wan<strong>de</strong>rstab.« 7<br />
Wenn die Gestapo 1937 in ihrer Begründung zum Verbot <strong>de</strong>r »Christlichen Versammlung« <strong>de</strong>ren<br />
»staats- und lebensverneinen<strong>de</strong> Haltung« anführte, 8 so hatte sie die Position <strong>de</strong>r »<strong>Brü<strong>de</strong>r</strong>« durchaus<br />
richtig verstan<strong>de</strong>n, zumin<strong>de</strong>st was die offiziellen Verlautbarungen anging. Tatsächlich hätte diese<br />
neutral-passive Grundhaltung zu Staat und Gesellschaft einen wirksamen – wenn auch biblisch-theologisch<br />
fragwürdigen – Schutz vor <strong>de</strong>m Einfluss <strong>de</strong>r Nazi-I<strong>de</strong>ologie bil<strong>de</strong>n können. Doch wie die<br />
Geschichte zeigt, waren die <strong>de</strong>utschen »<strong>Brü<strong>de</strong>r</strong>« tiefer in dieser Welt verhaftet, als sie es in ihren<br />
Lehraussagen und Lie<strong>de</strong>rn wahrhaben wollten.<br />
Patriotismus und Neuorientierung<br />
Neben <strong>de</strong>r »offiziellen« Haltung zu Staat und Gesellschaft lässt sich eine »inoffizielle« beobachten,<br />
die sich im Verhalten <strong>de</strong>r Geschwister äußerte und im Wi<strong>de</strong>rspruch zur gelten<strong>de</strong>n Lehre stand. Diese<br />
Wi<strong>de</strong>rsprüchlichkeit hängt zum einen sicher damit <strong>zusammen</strong>, dass eine konsequente Weltabgewandtheit<br />
allgemein schwer durchzuhalten ist, zumin<strong>de</strong>st wenn man nicht wirklich räumlich einen<br />
Ort außerhalb <strong>de</strong>r Gesellschaft sucht, wie es zum Beispiel die monastischen Bewegungen taten. Zum<br />
an<strong>de</strong>ren aber kamen in Deutschland zu Beginn <strong>de</strong>s 20. Jahrhun<strong>de</strong>rts beson<strong>de</strong>re Umstän<strong>de</strong> zum Tragen:<br />
Zunächst die als unverzeihliche Schmach empfun<strong>de</strong>ne Nie<strong>de</strong>rlage im Ersten Weltkrieg, dann das<br />
Scheitern <strong>de</strong>r ersten <strong>de</strong>utschen Demokratie in <strong>de</strong>r Weimarer Republik und schließlich die wachsen<strong>de</strong><br />
Popularität und Attraktivität <strong>de</strong>r nationalsozialistischen Bewegung. Diese Ereignisse prägten die<br />
Mentalität <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Bevölkerung und damit auch die <strong>de</strong>r brü<strong>de</strong>rgemeindlichen Christen in<br />
einem nicht zu unterschätzen<strong>de</strong>n Maße.<br />
Wenn man Gerhard Jordy in seiner Beschreibung folgt, zeigten sich in <strong>de</strong>r Lebenspraxis <strong>de</strong>r »<strong>Brü<strong>de</strong>r</strong>«<br />
schon seit <strong>de</strong>r Kaiserzeit be<strong>de</strong>utsame Brüche:<br />
– keine politische Betätigung, aber intensives wirtschaftliches Engagement<br />
– keine Feste <strong>de</strong>s Kirchenjahres in <strong>de</strong>r Gemein<strong>de</strong>, aber nationale Feiertage in <strong>de</strong>r Familie<br />
– keine Verkündigung über politische Inhalte, aber Begeisterung für nationale Interessen<br />
– kein Gebrauch <strong>de</strong>s Wahlrechts, aber treue Erfüllung <strong>de</strong>r Wehrpflicht 9<br />
Neben <strong>de</strong>r nach außen vertretenen apokalyptischen Weltsicht gab es also durchaus eine innere Verbun<strong>de</strong>nheit<br />
mit <strong>de</strong>m eigenen Vaterland, die sich bis hin zum Patriotismus steigern konnte. Sie wur<strong>de</strong><br />
durch die oben genannten Ereignisse in eine verhängnisvolle Richtung gelenkt.<br />
Ein Stimmungsbild liefern dabei die Zeitschriften <strong>de</strong>r »<strong>Brü<strong>de</strong>r</strong>« aus dieser Zeit. Denn darin beschäftigte<br />
man sich auch immer wie<strong>de</strong>r mit aktuellen politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen.<br />
Beson<strong>de</strong>rs die Tenne als »Christliche Monatsschrift für die heranwachsen<strong>de</strong> Jugend« tat sich auf<br />
diesem Gebiet hervor. 10<br />
In dieser Auseinan<strong>de</strong>rsetzung – <strong>de</strong>ren Inhalt an an<strong>de</strong>rer Stelle bereits ausführlich beschrieben<br />
wur<strong>de</strong> 11 – lässt sich eine <strong>de</strong>utliche Ten<strong>de</strong>nz erkennen. Zunächst beharrte die Schriftleitung immer<br />
10 Ab 1936 nannte sich die Zeitschrift »Christliches Erbauungs- und Unterhaltungsblatt für Jugend und Haus«.<br />
11 Siehe Jordy, S. 17–83, Liese, S. 121–206, und Hal<strong>de</strong>nwang, S. 4–78.