Getrennte Brüder finden zusammen - bruederbewegung.de

1 Vgl. dazu u. a. die Darstellung bei Jordy, Bde. 1–2.
Andreas Liese
1937 – ein Schicksalsjahr der deutschen Brüderbewegung
1. Einleitung
1937 als das Schicksalsjahr der deutschen Brüderbewegung zu bezeichnen ist nicht übertrieben. Das
Verbot der »Geschlossenen Brüder«, oft auch als »Christliche Versammlung« bezeichnet, die Gründung
des Bundes freikirchlicher Christen (BfC), die Vereinigung des BfC mit den »Offenen Brüdern«
oder Kirchenfreien christlichen Gemeinden (KcG) – all das rechtfertigt durchaus dieses Urteil.
Zum Zusammenschluss der beiden Richtungen sind nun drei Anmerkungen notwendig. Mit dieser
Vereinigung war zum ersten Mal in einem Land die unselige Trennung der beiden »Brüder«-
Gruppen beendet worden, obwohl sich nicht alle »Geschlossenen Brüder« diesem Schritt anschlossen.
Darüber hinaus fällt auf, dass dieses bedeutsame Ereignis auf der einen Seite später von den Auseinandersetzungen
um das Zusammengehen von »Brüdern« und Baptisten überlagert wurde, auf der
anderen Seite aber die Vereinigung von 1937 weder von den »Brüdern« im BEFG noch vom Freien
Brüderkreis in Frage gestellt wurde. Gerade Letzterer begrüßte in verschiedenen Verlautbarungen
diesen Zusammenschluss, während das Zusammengehen mit den Baptisten strikt abgelehnt wurde.
Auch die Gründung des BfC wurde als eine Forderung des NS-Staates, der man sich nicht entziehen
konnte, verteidigt. Nur die 1945 wieder offiziell erlaubten »Geschlossenen Brüder« lehnten den BfC,
besonders aber auch die Vereinigung mit den »Offenen Brüdern« ab.
Im Folgenden soll es zum einen darum gehen, wie die Ereignisse des Jahres 1937 historisch rekonstruiert
werden können, zum anderen soll nach deren Beurteilung gefragt werden.
2. Die »Geschlossenen Brüder« bis 1937
2.1. Innere Entwicklung 1
Neben Anfängen in Süddeutschland und vor allem im Rheinland (Julius Anton von Poseck) ist die
Entstehung von Brüdergemeinden hauptsächlich mit dem Namen Carl Brockhaus (1822–1899) verbunden.
Maßgeblich durch ihn beeinflusst entstand 1853 die wichtigste Brüderversammlung in Elberfeld.
Aufgrund seiner Reisetätigkeit kam es in Deutschland innerhalb eines kurzen Zeitraums überall
zur Gründung von Brüderversammlungen. Sehr früh entwickelten sich bestimmte Strukturen der
Brüderbewegung: 2 sog. Lehrkonferenzen, an denen möglichst die aktiven Brüder aus verschiedenen
Versammlungen teilnahmen; damit wurde eine gewisse Einheitlichkeit der Lehre bewirkt. Dazu kam
die Einrichtung des sog. Reisebrüdertums: Brüder, die sich nach Ansicht der anderen im örtlichen
und regionalen Bereich bewährt hatten (Beteiligung an den Bibelgesprächen in der Gemeinde, den
sog. Wortbetrachtungen; Übernahme von Predigtdiensten und Engagement in der Seelsorge), gaben
ihre Berufe auf und übten überregionale Gemeindedienste aus. Der bekannteste Bruder, der im
»Werk des Herrn« arbeitete, war natürlich Carl Brockhaus. Zeitschriften, hier ist v. a. der Botschafter
des Heils zu nennen, dienten der brüderspezifischen Belehrung und der Einheit der Bewegung.
Entscheidend war aber das grundlegende Selbstverständnis: Die »Brüder« (so ihre Fremdbezeichnung)
kamen getrennt von allen »menschlichen Systemen« – wozu man nicht nur die großen Kirchen,
sondern auch die klassischen Freikirchen zählte – allein zum Namen Jesu zusammen. Den
Höhepunkt stellte das sonntägliche Abendmahl (»Brotbrechen«) dar; hier war man am »Tisch des
Herrn«. Da der Verfall des christlichen Zeugnisses unmittelbar nach der apostolischen Zeit eingetreten
war und entsprechend der Theologie Darbys auch keine Wiederherstellung des ursprünglichen
2 Bis heute legen besonders die »Geschlossenen Brüder« großen Wert darauf, dass es sich bei ihnen um eine Bewegung
handelt.