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Getrennte Brüder finden zusammen - bruederbewegung.de

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Andreas Schmidt: Wahrnehmung gesellschaftlicher Verantwortung 33<br />

schwin<strong>de</strong>n alle Schwierigkeiten von selbst, und alle Fragen sind gelöst«, schrieb zum Beispiel <strong>de</strong>r<br />

Botschafter <strong>de</strong>s Heils in Christo 1861. 4<br />

Als <strong>de</strong>r Bibel verpflichtete Christen kam man natürlich nicht um das Wi<strong>de</strong>rstandsgebot herum, wie<br />

es in Apg 5,29 formuliert ist. Doch die Interpretation dieser sogenannten clausula petri bezog sich nur<br />

auf individuelle Gewissenentscheidungen. Der aus <strong>de</strong>m Zusammenhang sichtbare Anspruch Jesu, <strong>de</strong>r<br />

als auferstan<strong>de</strong>ner Messias Herr über alle Menschen ist und <strong>de</strong>shalb von allen Gehorsam for<strong>de</strong>rt,<br />

passte nicht in das heilsgeschichtliche Konzept.<br />

Aus <strong>de</strong>m strengen Dispensationalismus resultierte auch die strikte Unterscheidung zwischen Israel<br />

und <strong>de</strong>r Gemein<strong>de</strong>. Während Israel irdische Verheißungen besaß und Gott durch dieses Volk innerhalb<br />

<strong>de</strong>r Welt Geschichte schrieb, bezog sich alles, was die Gemein<strong>de</strong> betraf, auf <strong>de</strong>n zukünftig<br />

gedachten Himmel. Die Folge war eine Spaltung <strong>de</strong>r Wirklichkeit in zwei Bereiche, die man voneinan<strong>de</strong>r<br />

trennen zu können meinte. Auf <strong>de</strong>r einen Seite stand die menschliche Zivilisation mit ihren<br />

Strukturen und kulturellen Errungenschaften. Diese wur<strong>de</strong>n als durch und durch von <strong>de</strong>r Sün<strong>de</strong><br />

geprägt und korrumpiert angesehen und abwertend unter <strong>de</strong>m Begriff »Welt« <strong>zusammen</strong>gefasst. Auf<br />

<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Seite lagen dagegen die geistlichen Güter und Wahrheiten, die auf die jenseitige Welt<br />

Gottes verwiesen, zu <strong>de</strong>r die Gemein<strong>de</strong> jetzt schon unsichtbar gehörte und auf <strong>de</strong>ren sichtbaren Anbruch<br />

sie wartete.<br />

Dieser Dualismus, <strong>de</strong>r nicht nur in <strong>de</strong>r <strong>Brü<strong>de</strong>r</strong>bewegung zum Tragen kam, wur<strong>de</strong> verschärft durch<br />

ein apokalyptisches Weltbild. Die Gesellschaft – und das betraf sowohl die bürgerliche als auch die<br />

christliche Kirche – wur<strong>de</strong> als eine <strong>de</strong>ka<strong>de</strong>nte, sich immer weiter von Gott abwen<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Größe gesehen,<br />

<strong>de</strong>ren endgültige Vernichtung kurz bevorstand. Zugleich erwartete man eine herrliche Zukunft,<br />

die keine Ähnlichkeit mit <strong>de</strong>r düsteren Gegenwart haben wür<strong>de</strong>. Die gegenwärtigen Umstän<strong>de</strong> zu<br />

än<strong>de</strong>rn war <strong>de</strong>shalb keinen Versuch wert. Der Missiologe David Bosch fasst dieses Bewusstsein wie<br />

folgt <strong>zusammen</strong>: »Gottes Aktivität wird entwe<strong>de</strong>r in die Vergangenheit o<strong>de</strong>r in die Zukunft verlegt.<br />

In bei<strong>de</strong>n Fällen wird die Gegenwart entleert. Und da die Gegenwart leer ist, ist echtes missionarisches<br />

Engagement in bei<strong>de</strong>n Fällen unmöglich. Mission impliziert, dass hier und jetzt etwas Neues geschieht.«<br />

5<br />

Sich selbst begriff man in diesem Zusammenhang als die kleine auserwählte Schar, <strong>de</strong>ren einzige<br />

Rettung vor <strong>de</strong>m Untergang darin bestehen konnte, sich von dieser abgefallenen Welt zu lösen und in<br />

einen abgegrenzten kulturellen Raum zurückzuziehen. Wie bei apokalyptisch orientierten Bewegungen<br />

üblich, entwickelte sich ein System von Regeln, das die Abgrenzung von <strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Untergang<br />

geweihten Welt symbolisierte und zugleich die eigene Frömmigkeit und Reinheit <strong>de</strong>monstrierte.<br />

Auch wenn diese Ausprägung <strong>de</strong>s Glaubens bei vielen Geschwistern durchaus zu einer vorbildlichen<br />

individuellen Ethik führte, machte sie ein konstruktives Engagement in Gesellschaft und Kultur<br />

beinahe unmöglich.<br />

Neben die Neutralität <strong>de</strong>m Staat gegenüber trat also die Passivität. Die Mitgliedschaft in Vereinen<br />

war verpönt, man weigerte sich, zur Wahl zu gehen, geschweige <strong>de</strong>nn Verantwortung in politischen<br />

Ämtern zu übernehmen. Im Gegensatz zum biblischen Vorbild <strong>de</strong>s Apostels Paulus, <strong>de</strong>r um sein<br />

Bürgerrecht im Himmel wusste, zugleich aber auch sein römisches Bürgerrecht in Anspruch nahm,<br />

sah man das »Nicht-von-<strong>de</strong>r-Welt«-Sein als das wahre Wesen christlicher Existenz an, das »In-<strong>de</strong>r-<br />

Welt«-Sein <strong>de</strong>s Gläubigen 6 dagegen nur als notwendiges Übel. Treffend <strong>zusammen</strong>gefasst wird diese<br />

Mentalität in einem Lied von John Nelson Darby:<br />

4 »Betrachtungen über <strong>de</strong>n Brief <strong>de</strong>s Apostels Paulus an die Versammlung in Rom«, in: Botschafter <strong>de</strong>s Heils in Christo<br />

9 (1861), S. 70f. (zitiert nach Hal<strong>de</strong>nwang, S. 39).<br />

5 David J. Bosch: Ganzheitliche Mission. Theologische Perspektiven, Marburg 2011, S. 88. Nach Auffassung Boschs kann<br />

missionarisches Engagement auch gesellschaftliches Engagement sein. Von daher trifft <strong>de</strong>r Vergleich wohl.<br />

6 Siehe Joh 17,11–19.

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