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Neil Summerton: Die »Offenen Brüder« in weltweiter Sicht 58
Es stellt sich nun die kritische Frage, welcher der beiden erwähnten globalen Trends heute einen
größeren Einfluss auf die Gemeinden der »Offenen Brüder« ausübt. Mein Eindruck ist, dass es, wenn
man alles zusammen betrachtet, der zweite Einfluss ist.
Die »Offenen Brüder« heute
1. Charakteristische Merkmale und Herausforderungen
Bei weltweiter Betrachtung stellt man fest, dass die Bewegung der »Offenen Brüder« immer noch
große Stärken aufweist.
Sie ist immer noch von einer Leidenschaft für Evangelisation, Gemeindegründung und transkulturelle
Mission gekennzeichnet. Das ist in der Tat ein wesentliches Element in der DNA der »Offenen
Brüder«. Im großen Ganzen bleiben die »Offenen Brüder« Leute des Evangeliums. An vielen Orten
verfolgen sie eine nach vorn gewandte Strategie in Bezug auf Gemeindewachstum und Mission. Beispiele
dafür sind die mindestens 1000 Evangelisten, die im Kontext der »Offenen Brüder« in Indien
arbeiten; die Strategie zur Gemeindegründung, die die einheimischen Gemeinden im Tschad konsequent
verfolgen; die Gemeinden in Sambia, die Missionare in vielen afrikanischen Ländern und sogar
darüber hinaus unterstützen. Diese Beobachtung kann man auch in vielen anderen Ländern machen,
selbst wenn es nur wenige Brüdergemeinden gibt wie in der Slowakei oder in den Staaten des ehemaligen
Jugoslawien.
Abgesehen von einigen Ausnahmen in den alten anglo-keltischen Ländern (wo viele »progressive«
Gemeinden Einzelne berufen und als »Pastoren« bezeichnen) gibt es immer noch eine strikte Weigerung,
eine besondere Gruppe von Einzelpersonen hervorzuheben, die sich durch den Vorzug einer
Ausbildung, beruflicher religiöser Qualifikationen und Erfahrungen oder intensiveren geistlichen
Lebens von anderen unterscheiden, sodass sie die Last des Gemeindelebens und des Dienstes allein
tragen. Im Gegenteil gibt es immer noch die Erwartung, selbst in den erwähnten »progressiven«
Gemeinden, dass die Leitung im Team erfolgen soll und dass jeder Gläubige entsprechend seinen
Gaben Verantwortung für den Dienst in allen seinen Varianten hat. Es gibt immer noch die Erwartung,
dass jedes Gemeindeglied seinen Beitrag zum Gemeindeleben und zum Dienst leistet.
An vielen Orten besteht ein elementares Interesse an Ausbildung, Training und Weiterentwicklung
auf verschiedenen Stufen, um sicherzustellen, dass es einen Kreis von Männern und Frauen gibt,
die besser für ihren Dienst ausgerüstet sind, auf welchem Gebiet auch immer. Man kann bei den »Offenen
Brüdern« also eine Neigung zu langfristiger Schulung feststellen – ein starker Gegensatz zu der
Angst vor Bildung, um nicht zu sagen Bildungsfeindlichkeit, die man ebenfalls noch an vielen Orten
findet.
Außerhalb der anglo-keltischen Länder und Europas beobachtet man als Teil der Arbeit von Gemeinden
und einzelnen Christen fast durchgängig ein starkes Engagement auf sozialem Gebiet, in
Fürsorgemaßnahmen und Entwicklungsprojekten (besonders auf den Gebieten der Medizin, des
Schulwesens, der Ausbildung und der Fürsorge für Waisen). Solche Arbeiten geschehen normalerweise
in kleinem Maßstab, vor Ort und im Stillen. Das stimmt mit der Tradition der »Offenen Brüder«
überein, die stark durch das Beispiel und die Lehre Georg Müllers beeinflusst wurde.
2. Unterschiedlichkeit
Wie man es von einer Bewegung erwartet, die in mindestens 130 Ländern zuhause ist und ihre Wurzeln
in verschiedenen europäischen Leitkulturen hat, gibt es bei den »Offenen Brüdern« eine Fülle
von Unterschieden. Und in der Tat erlaubt die gemeindliche Struktur der »Brüder« solche Unterschiede,
fördert sie sogar im positiven Sinn.
Wie bereits festgestellt, ist die Stärke der Bewegung in den einzelnen Ländern unterschiedlich. In
einigen Ländern gibt es viele lokale Gemeinden. Typischerweise jedoch sind die Bewegungen in den
einzelnen Ländern klein, was die Notwendigkeit länderübergreifender Kontakte erhöht. In den alten
anglo-keltischen Ländern sind die Identitätskrise und der gleichzeitige Rückgang der konservativeren
Gemeinden sehr ausgeprägt. Anderswo auf der Welt haben die »Brüder« kein Problem mit ihrer
Identität, sie ist im Gegenteil eine Quelle des Selbstbewusstseins und der Stärke. Ein wichtiger spe-